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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Nacht, dich liebet mein Geist! Deinen erhabnen
Ernst,
Deinen schweigenden Gram, deine geweihten
Graun
Lieb' ich mehr, als des Morgens
Aufgang, mehr als das Abendkühl.
Nacht und Dunkel umhüllt unsers Erhabnen
Thron;
Und in Dunkel und Nacht fühl' ich dem Herr-
lichen
Mich viel näher. Der Gottheit
Leise Säusel umschauern mich.
Für das Endliche fühlt sich der gehobne Geist
Viel zu edel. Ihm schwant höhere Seligkeit,
Als der Taumel der Sinne,
Als der Becher der Lust gewährt.
Nach Genüssen, die nie ekeln, nach Seligkeit,
Welche nimmer versiegt, lechzt der Unsterbliche;
Ach, im Antlitz der Sterne
Lechzet, schmachtet, verschmachtet er.
Volle Gnüge, nach dir brannte der Knabe schon.
Doch das tappende Herz wähnet', es durstete
Bald nach schmeichelnden Ehren,
Bald nach lieblicher Mädchen Kuss.
Nacht, dich liebet mein Geist! Deinen erhabnen
Ernst,
Deinen schweigenden Gram, deine geweihten
Graun
Lieb' ich mehr, als des Morgens
Aufgang, mehr als das Abendkühl.
Nacht und Dunkel umhüllt unsers Erhabnen
Thron;
Und in Dunkel und Nacht fühl' ich dem Herr-
lichen
Mich viel näher. Der Gottheit
Leise Säusel umschauern mich.
Für das Endliche fühlt sich der gehobne Geist
Viel zu edel. Ihm schwant höhere Seligkeit,
Als der Taumel der Sinne,
Als der Becher der Lust gewährt.
Nach Genüssen, die nie ekeln, nach Seligkeit,
Welche nimmer versiegt, lechzt der Unsterbliche;
Ach, im Antlitz der Sterne
Lechzet, schmachtet, verschmachtet er.
Volle Gnüge, nach dir brannte der Knabe schon.
Doch das tappende Herz wähnet', es durstete
Bald nach schmeichelnden Ehren,
Bald nach lieblicher Mädchen Kuſs.
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[164/0206] Nacht, dich liebet mein Geist! Deinen erhabnen Ernst, Deinen schweigenden Gram, deine geweihten Graun Lieb' ich mehr, als des Morgens Aufgang, mehr als das Abendkühl. Nacht und Dunkel umhüllt unsers Erhabnen Thron; Und in Dunkel und Nacht fühl' ich dem Herr- lichen Mich viel näher. Der Gottheit Leise Säusel umschauern mich. Für das Endliche fühlt sich der gehobne Geist Viel zu edel. Ihm schwant höhere Seligkeit, Als der Taumel der Sinne, Als der Becher der Lust gewährt. Nach Genüssen, die nie ekeln, nach Seligkeit, Welche nimmer versiegt, lechzt der Unsterbliche; Ach, im Antlitz der Sterne Lechzet, schmachtet, verschmachtet er. Volle Gnüge, nach dir brannte der Knabe schon. Doch das tappende Herz wähnet', es durstete Bald nach schmeichelnden Ehren, Bald nach lieblicher Mädchen Kuſs.

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/206>, abgerufen am 12.05.2024.