Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Bald flocht man die bräutliche Myrte zum Kranz.
Schon übten sich Jüngling' und Mädchen zum Tanz.
Bald graute der Abend der kommenden Nacht,
Der letzten, vom ahnenden Mädchen durchwacht.
Der Abend war lieblich und kühlig, und
frisch;
Die Nachtigall flötet' im Mayengebüsch.
Es wallten die Treuen den Garten entlang,
Und horchten der Nachtigall Klagegesang.
"Wie ist dir, lieb Hedchen, wie fühlt sich
dein Herz?
"Ach, schwimmt es noch immer in Wehmuth und
Schmerz?
"Das Thränchen, das blinkend die Wangen dir nässt,
"Ach sprich, ob der Schmerz dir das Thränchen
entpresst!"
"Die Thräne, die über die Wange mir rollt,
"Wird von dem Entzücken der Liebe gezollt.
"Es klingt mit im Herzen so himmlischen Klang;
"Es umtönt mir die Seele, wie Harfengesang.
"Der Becher der Liebe hält köstlichen Wein;
"Ich weinte viel bittere Thränen hinein.
"Nun trink' ich des Weins, mit Thränen vermengt.
"Das macht, dass die Wonne mir Thränen entdrängt.
Bald flocht man die bräutliche Myrte zum Kranz.
Schon übten sich Jüngling' und Mädchen zum Tanz.
Bald graute der Abend der kommenden Nacht,
Der letzten, vom ahnenden Mädchen durchwacht.
Der Abend war lieblich und kühlig, und
frisch;
Die Nachtigall flötet' im Mayengebüsch.
Es wallten die Treuen den Garten entlang,
Und horchten der Nachtigall Klagegesang.
„Wie ist dir, lieb Hedchen, wie fühlt sich
dein Herz?
„Ach, schwimmt es noch immer in Wehmuth und
Schmerz?
„Das Thränchen, das blinkend die Wangen dir näſst,
„Ach sprich, ob der Schmerz dir das Thränchen
entpreſst!“
„Die Thräne, die über die Wange mir rollt,
„Wird von dem Entzücken der Liebe gezollt.
„Es klingt mit im Herzen so himmlischen Klang;
„Es umtönt mir die Seele, wie Harfengesang.
„Der Becher der Liebe hält köstlichen Wein;
„Ich weinte viel bittere Thränen hinein.
„Nun trink' ich des Weins, mit Thränen vermengt.
„Das macht, daſs die Wonne mir Thränen entdrängt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0257" n="215"/>
            <lg n="13">
              <l>Bald flocht man die bräutliche Myrte zum Kranz.</l><lb/>
              <l>Schon übten sich Jüngling' und Mädchen zum Tanz.</l><lb/>
              <l>Bald graute der Abend der kommenden Nacht,</l><lb/>
              <l>Der letzten, vom ahnenden Mädchen durchwacht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Der Abend war lieblich und kühlig, und</l><lb/>
              <l>frisch;</l><lb/>
              <l>Die Nachtigall flötet' im Mayengebüsch.</l><lb/>
              <l>Es wallten die Treuen den Garten entlang,</l><lb/>
              <l>Und horchten der Nachtigall Klagegesang.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>&#x201E;Wie ist dir, lieb Hedchen, wie fühlt sich</l><lb/>
              <l>dein Herz?</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach, schwimmt es noch immer in Wehmuth und</l><lb/>
              <l>Schmerz?</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das Thränchen, das blinkend die Wangen dir nä&#x017F;st,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach sprich, ob der Schmerz dir das Thränchen</l><lb/>
              <l>entpre&#x017F;st!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>&#x201E;Die Thräne, die über die Wange mir rollt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wird von dem Entzücken der Liebe gezollt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es klingt mit im Herzen so himmlischen Klang;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es umtönt mir die Seele, wie Harfengesang.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>&#x201E;Der Becher der Liebe hält köstlichen Wein;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich weinte viel bittere Thränen hinein.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Nun trink' ich des Weins, mit Thränen vermengt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das macht, da&#x017F;s die Wonne mir Thränen entdrängt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0257] Bald flocht man die bräutliche Myrte zum Kranz. Schon übten sich Jüngling' und Mädchen zum Tanz. Bald graute der Abend der kommenden Nacht, Der letzten, vom ahnenden Mädchen durchwacht. Der Abend war lieblich und kühlig, und frisch; Die Nachtigall flötet' im Mayengebüsch. Es wallten die Treuen den Garten entlang, Und horchten der Nachtigall Klagegesang. „Wie ist dir, lieb Hedchen, wie fühlt sich dein Herz? „Ach, schwimmt es noch immer in Wehmuth und Schmerz? „Das Thränchen, das blinkend die Wangen dir näſst, „Ach sprich, ob der Schmerz dir das Thränchen entpreſst!“ „Die Thräne, die über die Wange mir rollt, „Wird von dem Entzücken der Liebe gezollt. „Es klingt mit im Herzen so himmlischen Klang; „Es umtönt mir die Seele, wie Harfengesang. „Der Becher der Liebe hält köstlichen Wein; „Ich weinte viel bittere Thränen hinein. „Nun trink' ich des Weins, mit Thränen vermengt. „Das macht, daſs die Wonne mir Thränen entdrängt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/257
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/257>, abgerufen am 20.05.2024.