Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798."Ach Mutter vergebt, Herzmutter verzeiht! "Ritter Ingild, der Wackre, hat um mich gefreyt." "Ritter Ingild, der Kecke, thät um dich freyn? "Was gab er dir denn für die Ehre dein?" "Er gab mir ein rothseidenes Kleid. "Ach, aber ich trug es mit Jammer und Leid. "Er gab mir ein Paar silberspangige Schuh. "Ach aber, sie la'n mir nicht Rast noch Ruh. "Er gab mir eine Harfe von Gold, "Die meinen Jammer beschwichtigen sollt. "Nun, Tochter, ich schwöre beym heiligen Gott! "Ihr beyde müsst sterben den schmählichsten Tod. "Ritter Ingild muss hangen hoch oben auf Gaal, "Und brennen musst du tief unten im Thal." Schön Sidselil nahm ihre Harfe gut, Zu schwichtigen ihren traurigen Muth. Sie schlich wohl hin im Mondenschein Vor Ritter Ingilds Kämmerlein. „Ach Mutter vergebt, Herzmutter verzeiht! „Ritter Ingild, der Wackre, hat um mich gefreyt.“ „Ritter Ingild, der Kecke, thät um dich freyn? „Was gab er dir denn für die Ehre dein?“ „Er gab mir ein rothseidenes Kleid. „Ach, aber ich trug es mit Jammer und Leid. „Er gab mir ein Paar silberspangige Schuh. „Ach aber, sie la'n mir nicht Rast noch Ruh. „Er gab mir eine Harfe von Gold, „Die meinen Jammer beschwichtigen sollt. „Nun, Tochter, ich schwöre beym heiligen Gott! „Ihr beyde müſst sterben den schmählichsten Tod. „Ritter Ingild muſs hangen hoch oben auf Gaal, „Und brennen muſst du tief unten im Thal.“ Schön Sidselil nahm ihre Harfe gut, Zu schwichtigen ihren traurigen Muth. Sie schlich wohl hin im Mondenschein Vor Ritter Ingilds Kämmerlein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0268" n="226"/> <lg n="5"> <l>„Ach Mutter vergebt, Herzmutter verzeiht!</l><lb/> <l>„Ritter Ingild, der Wackre, hat um mich gefreyt.“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Ritter Ingild, der Kecke, thät um dich</l><lb/> <l>freyn?</l><lb/> <l>„Was gab er dir denn für die Ehre dein?“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Er gab mir ein rothseidenes Kleid.</l><lb/> <l>„Ach, aber ich trug es mit Jammer und Leid.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>„Er gab mir ein Paar silberspangige Schuh.</l><lb/> <l>„Ach aber, sie la'n mir nicht Rast noch Ruh.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>„Er gab mir eine Harfe von Gold,</l><lb/> <l>„Die meinen Jammer beschwichtigen sollt.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„Nun, Tochter, ich schwöre beym heiligen</l><lb/> <l>Gott!</l><lb/> <l>„Ihr beyde müſst sterben den schmählichsten Tod.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>„Ritter Ingild muſs hangen hoch oben auf Gaal,</l><lb/> <l>„Und brennen muſst du tief unten im Thal.“</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Schön Sidselil nahm ihre Harfe gut,</l><lb/> <l>Zu schwichtigen ihren traurigen Muth.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Sie schlich wohl hin im Mondenschein</l><lb/> <l>Vor Ritter Ingilds Kämmerlein.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0268]
„Ach Mutter vergebt, Herzmutter verzeiht!
„Ritter Ingild, der Wackre, hat um mich gefreyt.“
„Ritter Ingild, der Kecke, thät um dich
freyn?
„Was gab er dir denn für die Ehre dein?“
„Er gab mir ein rothseidenes Kleid.
„Ach, aber ich trug es mit Jammer und Leid.
„Er gab mir ein Paar silberspangige Schuh.
„Ach aber, sie la'n mir nicht Rast noch Ruh.
„Er gab mir eine Harfe von Gold,
„Die meinen Jammer beschwichtigen sollt.
„Nun, Tochter, ich schwöre beym heiligen
Gott!
„Ihr beyde müſst sterben den schmählichsten Tod.
„Ritter Ingild muſs hangen hoch oben auf Gaal,
„Und brennen muſst du tief unten im Thal.“
Schön Sidselil nahm ihre Harfe gut,
Zu schwichtigen ihren traurigen Muth.
Sie schlich wohl hin im Mondenschein
Vor Ritter Ingilds Kämmerlein.
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