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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Sie schlug die lispelnden Saiten an,
Zu wecken den schlafenden Rittersmann.
Sie schlug die Saiten rauschender an;
Noch säumte der traurende Rittersmann.
Sie lispelte leise zum Schlüsselloch 'nein:
"Wach auf, Ritter Ingild, und lass mich ein."
"Ich bin noch so müde. Ich schlief erst ein.
"Ich stehe nicht auf, und lasse nicht ein."
"Ritter Ingild steh auf, und lass mich ein.
"Ich habe gesprochen mit Mutter mein.
"Sie hat mir geschworen beym heiligen Gott,
"Wir müssten sterben den schmählichsten Tod;
"Du müsstest hangen hoch oben auf Gaal,
"Und brennen müsst' ich tief unten im Thal!"
"Nein, Liebchen, du sollst nicht brennen für mich;
"Und ich, ich will nicht hangen für dich.
"Geh eilend, und nimm dein Gold aus dem
Schrein,
"Derweile ich sattle den Rappen mein."
P 2
Sie schlug die lispelnden Saiten an,
Zu wecken den schlafenden Rittersmann.
Sie schlug die Saiten rauschender an;
Noch säumte der traurende Rittersmann.
Sie lispelte leise zum Schlüsselloch 'nein:
„Wach auf, Ritter Ingild, und laſs mich ein.“
„Ich bin noch so müde. Ich schlief erst ein.
„Ich stehe nicht auf, und lasse nicht ein.“
„Ritter Ingild steh auf, und laſs mich ein.
„Ich habe gesprochen mit Mutter mein.
„Sie hat mir geschworen beym heiligen Gott,
„Wir müſsten sterben den schmählichsten Tod;
„Du müſstest hangen hoch oben auf Gaal,
„Und brennen müſst' ich tief unten im Thal!“
„Nein, Liebchen, du sollst nicht brennen für mich;
„Und ich, ich will nicht hangen für dich.
„Geh eilend, und nimm dein Gold aus dem
Schrein,
„Derweile ich sattle den Rappen mein.“
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[227/0269] Sie schlug die lispelnden Saiten an, Zu wecken den schlafenden Rittersmann. Sie schlug die Saiten rauschender an; Noch säumte der traurende Rittersmann. Sie lispelte leise zum Schlüsselloch 'nein: „Wach auf, Ritter Ingild, und laſs mich ein.“ „Ich bin noch so müde. Ich schlief erst ein. „Ich stehe nicht auf, und lasse nicht ein.“ „Ritter Ingild steh auf, und laſs mich ein. „Ich habe gesprochen mit Mutter mein. „Sie hat mir geschworen beym heiligen Gott, „Wir müſsten sterben den schmählichsten Tod; „Du müſstest hangen hoch oben auf Gaal, „Und brennen müſst' ich tief unten im Thal!“ „Nein, Liebchen, du sollst nicht brennen für mich; „Und ich, ich will nicht hangen für dich. „Geh eilend, und nimm dein Gold aus dem Schrein, „Derweile ich sattle den Rappen mein.“ P 2

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/269>, abgerufen am 20.05.2024.