Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Er warf ihr über den Mantel blau,
Und hob sie auf seinen Rappen grau.
Sie ritten so rasch, sie ritten so lang;
Schön Sidselil ächzte so, schwer und bang.
"Schön Sidselil, wird dir der Weg zu lang,
"Oder macht mein Sattel dir weh und bang?"
"Ritter Ingild, der Weg wird mir nicht lang;
"Doch macht dein Sattel mir angst und bang."
Er hob sie herunter vom dampfenden Ross
Und legte sie sanft ins weiche Moos.
"Wie wird mir -- hilf Himmel -- es würgt
mich schier.
"Ach hätt' ich nur eine meiner Frauen bey mir!"
"Deine Frauen sind weit, so weit von hier.
"Ich aber bin bey dir, und helfe dir."
"Dir ziemt nicht zu schauen der Kreissenden Noth.
"Viel lieber sterb' ich den bittern Tod."
"Verbinde mir, Traute, die Augen mein,
"Und lass mich deine Weisemutter seyn."
Er warf ihr über den Mantel blau,
Und hob sie auf seinen Rappen grau.
Sie ritten so rasch, sie ritten so lang;
Schön Sidselil ächzte so, schwer und bang.
„Schön Sidselil, wird dir der Weg zu lang,
„Oder macht mein Sattel dir weh und bang?“
„Ritter Ingild, der Weg wird mir nicht lang;
„Doch macht dein Sattel mir angst und bang.“
Er hob sie herunter vom dampfenden Roſs
Und legte sie sanft ins weiche Moos.
„Wie wird mir — hilf Himmel — es würgt
mich schier.
„Ach hätt' ich nur eine meiner Frauen bey mir!“
„Deine Frauen sind weit, so weit von hier.
„Ich aber bin bey dir, und helfe dir.“
„Dir ziemt nicht zu schauen der Kreiſsenden Noth.
„Viel lieber sterb' ich den bittern Tod.“
„Verbinde mir, Traute, die Augen mein,
„Und laſs mich deine Weisemutter seyn.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0270" n="228"/>
            <lg n="23">
              <l>Er warf ihr über den Mantel blau,</l><lb/>
              <l>Und hob sie auf seinen Rappen grau.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="24">
              <l>Sie ritten so rasch, sie ritten so lang;</l><lb/>
              <l>Schön Sidselil ächzte so, schwer und bang.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>&#x201E;Schön Sidselil, wird dir der Weg zu lang,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Oder macht mein Sattel dir weh und bang?&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>&#x201E;Ritter Ingild, der Weg wird mir nicht lang;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Doch macht dein Sattel mir angst und bang.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l>Er hob sie herunter vom dampfenden Ro&#x017F;s</l><lb/>
              <l>Und legte sie sanft ins weiche Moos.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l>&#x201E;Wie wird mir &#x2014; hilf Himmel &#x2014; es würgt</l><lb/>
              <l>mich schier.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach hätt' ich nur eine meiner Frauen bey mir!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>&#x201E;Deine Frauen sind weit, so weit von hier.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich aber bin bey dir, und helfe dir.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l>&#x201E;Dir ziemt nicht zu schauen der Krei&#x017F;senden Noth.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Viel lieber sterb' ich den bittern Tod.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="31">
              <l>&#x201E;Verbinde mir, Traute, die Augen mein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und la&#x017F;s mich deine Weisemutter seyn.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0270] Er warf ihr über den Mantel blau, Und hob sie auf seinen Rappen grau. Sie ritten so rasch, sie ritten so lang; Schön Sidselil ächzte so, schwer und bang. „Schön Sidselil, wird dir der Weg zu lang, „Oder macht mein Sattel dir weh und bang?“ „Ritter Ingild, der Weg wird mir nicht lang; „Doch macht dein Sattel mir angst und bang.“ Er hob sie herunter vom dampfenden Roſs Und legte sie sanft ins weiche Moos. „Wie wird mir — hilf Himmel — es würgt mich schier. „Ach hätt' ich nur eine meiner Frauen bey mir!“ „Deine Frauen sind weit, so weit von hier. „Ich aber bin bey dir, und helfe dir.“ „Dir ziemt nicht zu schauen der Kreiſsenden Noth. „Viel lieber sterb' ich den bittern Tod.“ „Verbinde mir, Traute, die Augen mein, „Und laſs mich deine Weisemutter seyn.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/270
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/270>, abgerufen am 20.05.2024.