Den jungfräulichen Kranz, zerriss ihn, zerfetzte den Schleyer, Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf sich verzweifelnd Über den Flatternden hin -- Das war dem Auge des Räubers Süsse Weide. Noch höhnt' er: "Was quälst du dich, Fräulein von Garmin? -- "Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb- stes und Bestes, "Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be- stes, die Freiheit "Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu deinem Erzeuger."
Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum grauen Erzeuger Ging er nicht hin; er sprang auf sein Ross, und sprengte von dannen. Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die Sinne Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft- und gefühllos.
Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende liegen. Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer des Mitleids.
Den jungfräulichen Kranz, zerriſs ihn, zerfetzte den Schleyer, Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf sich verzweifelnd Über den Flatternden hin — Das war dem Auge des Räubers Süſse Weide. Noch höhnt' er: „Was quälst du dich, Fräulein von Garmin? — „Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb- stes und Bestes, „Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be- stes, die Freiheit „Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu deinem Erzeuger.“
Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum grauen Erzeuger Ging er nicht hin; er sprang auf sein Roſs, und sprengte von dannen. Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die Sinne Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft- und gefühllos.
Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende liegen. Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer des Mitleids.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="27"><pbfacs="#f0316"n="270"/><l>Den jungfräulichen Kranz, zerriſs ihn, zerfetzte</l><lb/><l>den Schleyer,</l><lb/><l>Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf</l><lb/><l>sich verzweifelnd</l><lb/><l>Über den Flatternden hin — Das war dem Auge</l><lb/><l>des Räubers</l><lb/><l>Süſse Weide. Noch höhnt' er: „Was quälst du</l><lb/><l>dich, Fräulein von Garmin? —</l><lb/><l>„Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb-</l><lb/><l>stes und Bestes,</l><lb/><l>„Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be-</l><lb/><l>stes, die Freiheit</l><lb/><l>„Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu</l><lb/><l>deinem Erzeuger.“</l></lg><lb/><lgn="28"><l>Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum</l><lb/><l>grauen Erzeuger</l><lb/><l>Ging er nicht hin; er sprang auf sein Roſs, und</l><lb/><l>sprengte von dannen.</l><lb/><l>Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die</l><lb/><l>Sinne</l><lb/><l>Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft-</l><lb/><l>und gefühllos.</l></lg><lb/><lgn="29"><l>Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende</l><lb/><l>liegen.</l><lb/><l>Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer</l><lb/><l>des Mitleids.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[270/0316]
Den jungfräulichen Kranz, zerriſs ihn, zerfetzte
den Schleyer,
Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf
sich verzweifelnd
Über den Flatternden hin — Das war dem Auge
des Räubers
Süſse Weide. Noch höhnt' er: „Was quälst du
dich, Fräulein von Garmin? —
„Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb-
stes und Bestes,
„Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be-
stes, die Freiheit
„Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu
deinem Erzeuger.“
Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum
grauen Erzeuger
Ging er nicht hin; er sprang auf sein Roſs, und
sprengte von dannen.
Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die
Sinne
Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft-
und gefühllos.
Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende
liegen.
Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer
des Mitleids.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/316>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.