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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Dein Gesang verrieth des Herzens Wunde.
Deine Laute girrte süssen Schmerz --
Und in einer trunkenen Sekunde
Sankst du liebewimmernd mir ans Herz,
Wandest los dich, flohest, und im Fliehen
Rief dein strömend Auge: Dein, ach dein!
Flammen fühlt' ich durch das Mark mir sprühen.
Tieferschüttert rief ich: Mein, ja mein!
Und geschlossen war der Bund. Dem Bunde
Schworst du, lebend, sterbend, treu zu seyn,
Kamst in mancher unbelauschten Stunde
Unsers Bundes dich mit mir zu freun.
In der Mitternächte heil'gem Grauen
Warfst du sorglos dich in meinen Arm.
Schöne Unschuld, rührendes Vertrauen,
Du durchschauerst mich mit süssem Harm.
Aber nun des Argwohns Lauerblicke
Unsers Bundes heilge Nacht durchspähn,
Nun mich Vorurtheil und Stolz und Tücke
Hochverräther, Kirchenräuber schmähn,
Soll ich fliehen? Wohl! um dein zu schonen,
Will ich fliehen, nicht aus Scheu der Welt.
Kann in einem Herzen Feigheit wohnen,
Das der Trotz der Unschuld stark erhält?
Dein Gesang verrieth des Herzens Wunde.
Deine Laute girrte süſsen Schmerz —
Und in einer trunkenen Sekunde
Sankst du liebewimmernd mir ans Herz,
Wandest los dich, flohest, und im Fliehen
Rief dein strömend Auge: Dein, ach dein!
Flammen fühlt' ich durch das Mark mir sprühen.
Tieferschüttert rief ich: Mein, ja mein!
Und geschlossen war der Bund. Dem Bunde
Schworst du, lebend, sterbend, treu zu seyn,
Kamst in mancher unbelauschten Stunde
Unsers Bundes dich mit mir zu freun.
In der Mitternächte heil'gem Grauen
Warfst du sorglos dich in meinen Arm.
Schöne Unschuld, rührendes Vertrauen,
Du durchschauerst mich mit süſsem Harm.
Aber nun des Argwohns Lauerblicke
Unsers Bundes heilge Nacht durchspähn,
Nun mich Vorurtheil und Stolz und Tücke
Hochverräther, Kirchenräuber schmähn,
Soll ich fliehen? Wohl! um dein zu schonen,
Will ich fliehen, nicht aus Scheu der Welt.
Kann in einem Herzen Feigheit wohnen,
Das der Trotz der Unschuld stark erhält?
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[370/0416] Dein Gesang verrieth des Herzens Wunde. Deine Laute girrte süſsen Schmerz — Und in einer trunkenen Sekunde Sankst du liebewimmernd mir ans Herz, Wandest los dich, flohest, und im Fliehen Rief dein strömend Auge: Dein, ach dein! Flammen fühlt' ich durch das Mark mir sprühen. Tieferschüttert rief ich: Mein, ja mein! Und geschlossen war der Bund. Dem Bunde Schworst du, lebend, sterbend, treu zu seyn, Kamst in mancher unbelauschten Stunde Unsers Bundes dich mit mir zu freun. In der Mitternächte heil'gem Grauen Warfst du sorglos dich in meinen Arm. Schöne Unschuld, rührendes Vertrauen, Du durchschauerst mich mit süſsem Harm. Aber nun des Argwohns Lauerblicke Unsers Bundes heilge Nacht durchspähn, Nun mich Vorurtheil und Stolz und Tücke Hochverräther, Kirchenräuber schmähn, Soll ich fliehen? Wohl! um dein zu schonen, Will ich fliehen, nicht aus Scheu der Welt. Kann in einem Herzen Feigheit wohnen, Das der Trotz der Unschuld stark erhält?

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/416>, abgerufen am 10.05.2024.