Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
O Lob des Herrn, vergess' ich deiner je,
Mag blühn des Lenzes Blume, mag der Strahl
Des Sommers flammen, mag der milde Herbst
Begeisternd schimmern, mag im kalten Ost
Der Winter thürmen sein umstöbert Haupt,
Vergess' ich deiner je, o so erstumm',
Entzückte Zung'! Erlahme, Phantasie!
Hör' auf zu schlagen, undankbares Herz!
Und bannte mich des Schicksals strenger Schluss
An einen fernen unbewohnten Strand,
An nie besungne Ufer, wo die Sonn'
Hindostans Berge steigend röthet, wo
Ihr schräger Abendstrahl auf Inseln streift
In unbeschifften Meeren -- Immerhin!
Allgegenwärtig ist, und allgefühlt,
Allsichtbar und allhörbar ist mein Gott
In dir, o wilde Wüste, wie in dir,
Volkreiche Königsstadt. Sein Odem weht,
Und schafft der Freuden Fülle überall.
Und wann dereinst die letzte Stunde schlägt,
Die meinen Geist zum wunderbaren Flug
In jene Welt beschwingt; wie will ich da
Mich freuen, will mit neubeschwingter Kraft
Die neuen Wunder singen! Kann ich seyn,
Wo nicht in ihrem Schooss mich wärmt und wahrt
Die ewge Liebe, die die Welten trägt,
D
O Lob des Herrn, vergeſs' ich deiner je,
Mag blühn des Lenzes Blume, mag der Strahl
Des Sommers flammen, mag der milde Herbst
Begeisternd schimmern, mag im kalten Ost
Der Winter thürmen sein umstöbert Haupt,
Vergess' ich deiner je, o so erstumm',
Entzückte Zung'! Erlahme, Phantasie!
Hör' auf zu schlagen, undankbares Herz!
Und bannte mich des Schicksals strenger Schluſs
An einen fernen unbewohnten Strand,
An nie besungne Ufer, wo die Sonn'
Hindostans Berge steigend röthet, wo
Ihr schräger Abendstrahl auf Inseln streift
In unbeschifften Meeren — Immerhin!
Allgegenwärtig ist, und allgefühlt,
Allsichtbar und allhörbar ist mein Gott
In dir, o wilde Wüste, wie in dir,
Volkreiche Königsstadt. Sein Odem weht,
Und schafft der Freuden Fülle überall.
Und wann dereinst die letzte Stunde schlägt,
Die meinen Geist zum wunderbaren Flug
In jene Welt beschwingt; wie will ich da
Mich freuen, will mit neubeschwingter Kraft
Die neuen Wunder singen! Kann ich seyn,
Wo nicht in ihrem Schooſs mich wärmt und wahrt
Die ewge Liebe, die die Welten trägt,
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0089" n="49"/>
            <lg n="20">
              <l>O Lob des Herrn, verge&#x017F;s' ich deiner je,</l><lb/>
              <l>Mag blühn des Lenzes Blume, mag der Strahl</l><lb/>
              <l>Des Sommers flammen, mag der milde Herbst</l><lb/>
              <l>Begeisternd schimmern, mag im kalten Ost</l><lb/>
              <l>Der Winter thürmen sein umstöbert Haupt,</l><lb/>
              <l>Vergess' ich deiner je, o so erstumm',</l><lb/>
              <l>Entzückte Zung'! Erlahme, Phantasie!</l><lb/>
              <l>Hör' auf zu schlagen, undankbares Herz!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="21">
              <l>Und bannte mich des Schicksals strenger Schlu&#x017F;s</l><lb/>
              <l>An einen fernen unbewohnten Strand,</l><lb/>
              <l>An nie besungne Ufer, wo die Sonn'</l><lb/>
              <l>Hindostans Berge steigend röthet, wo</l><lb/>
              <l>Ihr schräger Abendstrahl auf Inseln streift</l><lb/>
              <l>In unbeschifften Meeren &#x2014; Immerhin!</l><lb/>
              <l>Allgegenwärtig ist, und allgefühlt,</l><lb/>
              <l>Allsichtbar und allhörbar ist mein Gott</l><lb/>
              <l>In dir, o wilde Wüste, wie in dir,</l><lb/>
              <l>Volkreiche Königsstadt. Sein Odem weht,</l><lb/>
              <l>Und schafft der Freuden Fülle überall.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="22">
              <l>Und wann dereinst die letzte Stunde schlägt,</l><lb/>
              <l>Die meinen Geist zum wunderbaren Flug</l><lb/>
              <l>In jene Welt beschwingt; wie will ich da</l><lb/>
              <l>Mich freuen, will mit neubeschwingter Kraft</l><lb/>
              <l>Die neuen Wunder singen! Kann ich seyn,</l><lb/>
              <l>Wo nicht in ihrem Schoo&#x017F;s mich wärmt und wahrt</l><lb/>
              <l>Die ewge Liebe, die die Welten trägt,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">D</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0089] O Lob des Herrn, vergeſs' ich deiner je, Mag blühn des Lenzes Blume, mag der Strahl Des Sommers flammen, mag der milde Herbst Begeisternd schimmern, mag im kalten Ost Der Winter thürmen sein umstöbert Haupt, Vergess' ich deiner je, o so erstumm', Entzückte Zung'! Erlahme, Phantasie! Hör' auf zu schlagen, undankbares Herz! Und bannte mich des Schicksals strenger Schluſs An einen fernen unbewohnten Strand, An nie besungne Ufer, wo die Sonn' Hindostans Berge steigend röthet, wo Ihr schräger Abendstrahl auf Inseln streift In unbeschifften Meeren — Immerhin! Allgegenwärtig ist, und allgefühlt, Allsichtbar und allhörbar ist mein Gott In dir, o wilde Wüste, wie in dir, Volkreiche Königsstadt. Sein Odem weht, Und schafft der Freuden Fülle überall. Und wann dereinst die letzte Stunde schlägt, Die meinen Geist zum wunderbaren Flug In jene Welt beschwingt; wie will ich da Mich freuen, will mit neubeschwingter Kraft Die neuen Wunder singen! Kann ich seyn, Wo nicht in ihrem Schooſs mich wärmt und wahrt Die ewge Liebe, die die Welten trägt, D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/89
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/89>, abgerufen am 27.11.2024.