Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.und Diana, wie sie die Kinder der Niobe und Diana, wie sie die Kinder der Niobe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0154" n="150"/> und <hi rendition="#g">Diana, wie sie die Kinder der Niobe<lb/> toͤdtet.</hi> Schwerlich laͤßt sich wohl <hi rendition="#g">diese</hi> Kunst hoͤ-<lb/> her treiben. — Da ist eine liebliche Zeichnung von <hi rendition="#g">Ra-<lb/> phael: Alexander bietet Roxanen seine<lb/> Krone dar.</hi> Liebesgoͤtter wimmeln um ihren Putztisch<lb/> und andere spielen mit der Ruͤstung des entwaffneten<lb/> Helden. Besonders artig und drollig ist die Jdee, da<lb/> ein Liebesgott in Alexanders Harnisch geschluͤpft, Kopf<lb/> und Arme herausstreckt, und so auf dem Boden herum-<lb/> kriecht. — Jch bin eben sonst kein Liebhaber von Alle-<lb/> gorien, aber hier hat <hi rendition="#g">Raphael</hi> eine hinterlassen, die<lb/> er, wie man sagt, dem griechischen Maler Apelles nach-<lb/> gebildet, und die, abgesehen von ihrem <hi rendition="#g">hohen</hi> Kunst-<lb/> werth, auch dem Dichter Ehre macht. Der Gegenstand<lb/> ist <hi rendition="#g">die Verlaͤumdung.</hi> Apelles, (so erzaͤhlt Lu-<lb/> cian) wurde von einem Verlaͤumder angeklagt, daß er<lb/> sich in eine Verschwoͤrung gegen den Koͤnig Ptolomaͤus<lb/> eingelassen, und raͤchte sich folgendergestalt: Er malte<lb/> die <hi rendition="#g">Leichtglaͤubigkeit</hi> mit <hi rendition="#g">Midasohren</hi> sitzend<lb/> zwischen <hi rendition="#g">Unwissenheit</hi> und <hi rendition="#g">Argwohn;</hi> sie em-<lb/> pfieng sehr freundlich die <hi rendition="#g">Verlaͤumdung,</hi> welche als<lb/> ein schoͤnes, reichgeschmuͤcktes Weib dargestellt ist, einen<lb/><hi rendition="#g">Feuerbrand</hi> in der Hand traͤgt, und die <hi rendition="#g">Unschuld</hi><lb/> bei den Haaren nach sich schleppt. Diese hebt Augen<lb/> und Haͤnde gen Himmel, seinen Beistand erflehend.<lb/> Jhr folgt der <hi rendition="#g">Neid,</hi> schielend, bleich, entfleischt; er<lb/> hat zwei Gefaͤhrten bei sich, <hi rendition="#g">Betrug</hi> und <hi rendition="#g">Arglist,</hi><lb/> die unaufhoͤrlich bemuͤht sind, ihn zu putzen. Ganz zu-<lb/> letzt kommt die <hi rendition="#g">Reue</hi> im Trauergewande, der sich ploͤtz-<lb/> lich die himmlisch schoͤne nackte <hi rendition="#g">Wahrheit</hi> zeigt, bei<lb/> deren Anblick die <hi rendition="#g">Reue</hi> sich die Haare ausreißt und<lb/> die Finger zernagt. — Die Ausfuͤhrung dieser Zeich-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0154]
und Diana, wie sie die Kinder der Niobe
toͤdtet. Schwerlich laͤßt sich wohl diese Kunst hoͤ-
her treiben. — Da ist eine liebliche Zeichnung von Ra-
phael: Alexander bietet Roxanen seine
Krone dar. Liebesgoͤtter wimmeln um ihren Putztisch
und andere spielen mit der Ruͤstung des entwaffneten
Helden. Besonders artig und drollig ist die Jdee, da
ein Liebesgott in Alexanders Harnisch geschluͤpft, Kopf
und Arme herausstreckt, und so auf dem Boden herum-
kriecht. — Jch bin eben sonst kein Liebhaber von Alle-
gorien, aber hier hat Raphael eine hinterlassen, die
er, wie man sagt, dem griechischen Maler Apelles nach-
gebildet, und die, abgesehen von ihrem hohen Kunst-
werth, auch dem Dichter Ehre macht. Der Gegenstand
ist die Verlaͤumdung. Apelles, (so erzaͤhlt Lu-
cian) wurde von einem Verlaͤumder angeklagt, daß er
sich in eine Verschwoͤrung gegen den Koͤnig Ptolomaͤus
eingelassen, und raͤchte sich folgendergestalt: Er malte
die Leichtglaͤubigkeit mit Midasohren sitzend
zwischen Unwissenheit und Argwohn; sie em-
pfieng sehr freundlich die Verlaͤumdung, welche als
ein schoͤnes, reichgeschmuͤcktes Weib dargestellt ist, einen
Feuerbrand in der Hand traͤgt, und die Unschuld
bei den Haaren nach sich schleppt. Diese hebt Augen
und Haͤnde gen Himmel, seinen Beistand erflehend.
Jhr folgt der Neid, schielend, bleich, entfleischt; er
hat zwei Gefaͤhrten bei sich, Betrug und Arglist,
die unaufhoͤrlich bemuͤht sind, ihn zu putzen. Ganz zu-
letzt kommt die Reue im Trauergewande, der sich ploͤtz-
lich die himmlisch schoͤne nackte Wahrheit zeigt, bei
deren Anblick die Reue sich die Haare ausreißt und
die Finger zernagt. — Die Ausfuͤhrung dieser Zeich-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |