vedere bemerkt haben. -- Jch gehe weiter zu der Bildsäule Julian des Abtrünnigen, und ver- weile länger vor ihr, wie vor Dianen, auf die Gefahr von Kennern verlacht zu werden. Jene beschäftigt nur meine Phantasie, diese meinen Geist. Sey mir gegrüßt, großer, oft verkannter und von fanatischen Christen mit einem gehässigen Beinamen gebrandmarkter Held! Deine Tugenden, deine Philosophie, dein Unglück, ha- ben dich auf ewige Zeiten zum Gegenstand der Vereh- rung jedes unbefangenen Menschen erhoben. -- Die Aehnlichkeit des Kopfes mit Medaillen verglichen, soll sehr groß seyn. Desto besser! Es freuet mich, daß Ju- lian so ausgesehen hat. Man glaubt, Paris habe, noch zu den Lebzeiten des Kaisers, die Statüe in Griechen- land verfertigen lassen, um sie zu Ehren eines Helden aufzustellen, der Paris liebte, in dessen Mauern den Purpur genommen, es verschönert, zu einer Hauptstadt erhoben, und den Grund zu seiner künftigen Größe ge- legt hatte. Die Statüe lag übrigens vergessen in der Werkstatt eines Bildhauers, dem das Gouvernement sie für das Museum abkaufte. -- Vorbei vor diesem eben so eitlen als grausamen Nero, der hier als Sieger in den griechischen Spielen sich darstellen ließ, eine Ehre, die er bekanntlich höher schätzte, als das Dia- dem. Auch sein Kopf ist ähnlich, aber geschmeichelt hat ihm der Bildhauer, veredelt hat er die gemeinen Züge. -- Ha, jene colossalische Melpomene, nicht weniger als zwölf Fuß hoch, zieht doch wohl die Blicke hauptsäch- lich nur durch ihre Größe an sich, und ist allerdings, was den Umfang betrifft, das merkwürdigste Ueber- bleibsel des Alterthums. Sie zierte ursprünglich nebst acht ihr gleichen Schwestern, das Theater des Pompe-
vedere bemerkt haben. — Jch gehe weiter zu der Bildsaͤule Julian des Abtruͤnnigen, und ver- weile laͤnger vor ihr, wie vor Dianen, auf die Gefahr von Kennern verlacht zu werden. Jene beschaͤftigt nur meine Phantasie, diese meinen Geist. Sey mir gegruͤßt, großer, oft verkannter und von fanatischen Christen mit einem gehaͤssigen Beinamen gebrandmarkter Held! Deine Tugenden, deine Philosophie, dein Ungluͤck, ha- ben dich auf ewige Zeiten zum Gegenstand der Vereh- rung jedes unbefangenen Menschen erhoben. — Die Aehnlichkeit des Kopfes mit Medaillen verglichen, soll sehr groß seyn. Desto besser! Es freuet mich, daß Ju- lian so ausgesehen hat. Man glaubt, Paris habe, noch zu den Lebzeiten des Kaisers, die Statuͤe in Griechen- land verfertigen lassen, um sie zu Ehren eines Helden aufzustellen, der Paris liebte, in dessen Mauern den Purpur genommen, es verschoͤnert, zu einer Hauptstadt erhoben, und den Grund zu seiner kuͤnftigen Groͤße ge- legt hatte. Die Statuͤe lag uͤbrigens vergessen in der Werkstatt eines Bildhauers, dem das Gouvernement sie fuͤr das Museum abkaufte. — Vorbei vor diesem eben so eitlen als grausamen Nero, der hier als Sieger in den griechischen Spielen sich darstellen ließ, eine Ehre, die er bekanntlich hoͤher schaͤtzte, als das Dia- dem. Auch sein Kopf ist aͤhnlich, aber geschmeichelt hat ihm der Bildhauer, veredelt hat er die gemeinen Zuͤge. — Ha, jene colossalische Melpomene, nicht weniger als zwoͤlf Fuß hoch, zieht doch wohl die Blicke hauptsaͤch- lich nur durch ihre Groͤße an sich, und ist allerdings, was den Umfang betrifft, das merkwuͤrdigste Ueber- bleibsel des Alterthums. Sie zierte urspruͤnglich nebst acht ihr gleichen Schwestern, das Theater des Pompe-
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vedere bemerkt haben. — Jch gehe weiter zu der
Bildsaͤule Julian des Abtruͤnnigen, und ver-
weile laͤnger vor ihr, wie vor Dianen, auf die Gefahr
von Kennern verlacht zu werden. Jene beschaͤftigt nur
meine Phantasie, diese meinen Geist. Sey mir gegruͤßt,
großer, oft verkannter und von fanatischen Christen
mit einem gehaͤssigen Beinamen gebrandmarkter Held!
Deine Tugenden, deine Philosophie, dein Ungluͤck, ha-
ben dich auf ewige Zeiten zum Gegenstand der Vereh-
rung jedes unbefangenen Menschen erhoben. — Die
Aehnlichkeit des Kopfes mit Medaillen verglichen, soll
sehr groß seyn. Desto besser! Es freuet mich, daß Ju-
lian so ausgesehen hat. Man glaubt, Paris habe, noch
zu den Lebzeiten des Kaisers, die Statuͤe in Griechen-
land verfertigen lassen, um sie zu Ehren eines Helden
aufzustellen, der Paris liebte, in dessen Mauern den
Purpur genommen, es verschoͤnert, zu einer Hauptstadt
erhoben, und den Grund zu seiner kuͤnftigen Groͤße ge-
legt hatte. Die Statuͤe lag uͤbrigens vergessen in der
Werkstatt eines Bildhauers, dem das Gouvernement sie
fuͤr das Museum abkaufte. — Vorbei vor diesem eben
so eitlen als grausamen Nero, der hier als Sieger
in den griechischen Spielen sich darstellen ließ,
eine Ehre, die er bekanntlich hoͤher schaͤtzte, als das Dia-
dem. Auch sein Kopf ist aͤhnlich, aber geschmeichelt hat
ihm der Bildhauer, veredelt hat er die gemeinen Zuͤge. —
Ha, jene colossalische Melpomene, nicht weniger als
zwoͤlf Fuß hoch, zieht doch wohl die Blicke hauptsaͤch-
lich nur durch ihre Groͤße an sich, und ist allerdings,
was den Umfang betrifft, das merkwuͤrdigste Ueber-
bleibsel des Alterthums. Sie zierte urspruͤnglich nebst
acht ihr gleichen Schwestern, das Theater des Pompe-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/157>, abgerufen am 16.02.2025.
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