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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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sten Jahre, und hat, Trotz ihrer Jugend, mehrere gelehr-
te Sprachen verstanden, und zu Heidelberg Collegia gele-
sen. Auch von ihrem Manne, einem gewissen Gründ-
ler,
ist in der Jnschrift nebenher die Rede. Sie wissen,
ich liebe die Frauenzimmer nicht, die so gelehrt sind, daß
sie ihre Männer dadurch zu einem Nebenher machen. --
Wenn Sie, liebe Freundin, jemals nach Heidelberg kom-
men, so werden Sie vielleicht nach dem Wolfsbrunnen
fragen, der so berühmt und so lieblich war, und an dem
auch unser guter einst König gefrühstückt haben soll. Ja, da-
mals wölbten sich noch dreihundertjährige Linden zu einem
Tempel über den Brunnen zusammen, und ihre Zweige wa-
ren so dicht in einander verwachsen, daß man sich ihrer
wie des Fußbodens zum Gehen bedienen, daß man Ti-
sche und Stühle darauf setzen, und in der grünen Däm-
merung ein fröhliches Wesen treiben konnte. Die frem-
den Damen (so erzählen die Nachbarn) saßen oben in den
Bäumen mit Büchern oder Strickstrümpfen, oder ließen
wohl gar ein Klavier darauf stellen, die Herren lauschten
mit Flöten in den dickbelaubten Aesten; unten in der küh-
len Nacht wurde Kaffee und Thee gekocht; die Quelle mur-
melte heimlich und unsichtbar hinter der grünen duften-
den Wand. Nach alle dem dürfen Sie jetzt nicht mehr
fragen, Sie finden nichts als ein viereckiges Bassin von
Baumstrünken umgeben. Alle die prächtigen Linden sind
vor wenigen Wochen abgehauen worden. Wer hat das
befohlen! rief ich empört. Die Kurfürstliche Hof-
kammer,
war die Antwort. Die dicken Bäume geben
schönes Holz und -- die Forellen im Brunnen
konnten den allzukühlen Schatten nicht ver-
tragen.
-- Nun, so wollt' ich, daß jeder Hof- Kam-
merrath, der zu diesem Raube an der schönen Natur ge-

sten Jahre, und hat, Trotz ihrer Jugend, mehrere gelehr-
te Sprachen verstanden, und zu Heidelberg Collegia gele-
sen. Auch von ihrem Manne, einem gewissen Gruͤnd-
ler,
ist in der Jnschrift nebenher die Rede. Sie wissen,
ich liebe die Frauenzimmer nicht, die so gelehrt sind, daß
sie ihre Maͤnner dadurch zu einem Nebenher machen. —
Wenn Sie, liebe Freundin, jemals nach Heidelberg kom-
men, so werden Sie vielleicht nach dem Wolfsbrunnen
fragen, der so beruͤhmt und so lieblich war, und an dem
auch unser guter einst Koͤnig gefruͤhstuͤckt haben soll. Ja, da-
mals woͤlbten sich noch dreihundertjaͤhrige Linden zu einem
Tempel uͤber den Brunnen zusammen, und ihre Zweige wa-
ren so dicht in einander verwachsen, daß man sich ihrer
wie des Fußbodens zum Gehen bedienen, daß man Ti-
sche und Stuͤhle darauf setzen, und in der gruͤnen Daͤm-
merung ein froͤhliches Wesen treiben konnte. Die frem-
den Damen (so erzaͤhlen die Nachbarn) saßen oben in den
Baͤumen mit Buͤchern oder Strickstruͤmpfen, oder ließen
wohl gar ein Klavier darauf stellen, die Herren lauschten
mit Floͤten in den dickbelaubten Aesten; unten in der kuͤh-
len Nacht wurde Kaffee und Thee gekocht; die Quelle mur-
melte heimlich und unsichtbar hinter der gruͤnen duften-
den Wand. Nach alle dem duͤrfen Sie jetzt nicht mehr
fragen, Sie finden nichts als ein viereckiges Bassin von
Baumstruͤnken umgeben. Alle die praͤchtigen Linden sind
vor wenigen Wochen abgehauen worden. Wer hat das
befohlen! rief ich empoͤrt. Die Kurfuͤrstliche Hof-
kammer,
war die Antwort. Die dicken Baͤume geben
schoͤnes Holz und — die Forellen im Brunnen
konnten den allzukuͤhlen Schatten nicht ver-
tragen.
— Nun, so wollt' ich, daß jeder Hof- Kam-
merrath, der zu diesem Raube an der schoͤnen Natur ge-

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[15/0019] sten Jahre, und hat, Trotz ihrer Jugend, mehrere gelehr- te Sprachen verstanden, und zu Heidelberg Collegia gele- sen. Auch von ihrem Manne, einem gewissen Gruͤnd- ler, ist in der Jnschrift nebenher die Rede. Sie wissen, ich liebe die Frauenzimmer nicht, die so gelehrt sind, daß sie ihre Maͤnner dadurch zu einem Nebenher machen. — Wenn Sie, liebe Freundin, jemals nach Heidelberg kom- men, so werden Sie vielleicht nach dem Wolfsbrunnen fragen, der so beruͤhmt und so lieblich war, und an dem auch unser guter einst Koͤnig gefruͤhstuͤckt haben soll. Ja, da- mals woͤlbten sich noch dreihundertjaͤhrige Linden zu einem Tempel uͤber den Brunnen zusammen, und ihre Zweige wa- ren so dicht in einander verwachsen, daß man sich ihrer wie des Fußbodens zum Gehen bedienen, daß man Ti- sche und Stuͤhle darauf setzen, und in der gruͤnen Daͤm- merung ein froͤhliches Wesen treiben konnte. Die frem- den Damen (so erzaͤhlen die Nachbarn) saßen oben in den Baͤumen mit Buͤchern oder Strickstruͤmpfen, oder ließen wohl gar ein Klavier darauf stellen, die Herren lauschten mit Floͤten in den dickbelaubten Aesten; unten in der kuͤh- len Nacht wurde Kaffee und Thee gekocht; die Quelle mur- melte heimlich und unsichtbar hinter der gruͤnen duften- den Wand. Nach alle dem duͤrfen Sie jetzt nicht mehr fragen, Sie finden nichts als ein viereckiges Bassin von Baumstruͤnken umgeben. Alle die praͤchtigen Linden sind vor wenigen Wochen abgehauen worden. Wer hat das befohlen! rief ich empoͤrt. Die Kurfuͤrstliche Hof- kammer, war die Antwort. Die dicken Baͤume geben schoͤnes Holz und — die Forellen im Brunnen konnten den allzukuͤhlen Schatten nicht ver- tragen. — Nun, so wollt' ich, daß jeder Hof- Kam- merrath, der zu diesem Raube an der schoͤnen Natur ge-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/19>, abgerufen am 21.11.2024.