Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.gieng, holte eine Menge Schlüssel, führte mich in einen Was ich sonst noch von dieser alten Stadt Jhnen zu gieng, holte eine Menge Schluͤssel, fuͤhrte mich in einen Was ich sonst noch von dieser alten Stadt Jhnen zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="23"/> gieng, holte eine Menge Schluͤssel, fuͤhrte mich in einen<lb/> der schmutzigsten Winkel der Stadt zu einem alten vierecki-<lb/> gen Thurme, mehrere abscheuliche Huͤhnertreppen hinauf,<lb/> bis auf die Platteforme, die eine schoͤne Aussicht gewaͤhr-<lb/> te. Aber, wo ist Berlichingens Kerker? — Er erbot sich,<lb/> mir <hi rendition="#g">in</hi> aufzuschließen: es saͤßen aber eben zwei Uebel-<lb/> thaͤter darin. — Wie? der Kerker wird noch gebraucht?<lb/> — Allerdings! — Wird nicht als ein interessantes Denk-<lb/> mal des Alterthums behandelt? — Ach nein, es fehlt an<lb/> Platz. Man hat ihn sogar abgetheilt, um noch mehr ar-<lb/> me Suͤnder hineinsperren zu koͤnnen. — So, nun habe<lb/> ich genug. Die Thuͤr des Kerkers betrachtete ich von aus-<lb/> sen; sie war im obersten Stockwerk des Thurms und sehr<lb/> niedrig. Goͤtz, der sich bekanntlich sehr ungern buͤckte,<lb/> muß beim Hineintreten sich gewaltig gebuͤckt haben. —<lb/> Unmuthig stieg ich wieder hinab. Wohl Schade, daß auch<lb/> Jahrhunderte nicht im Stande waren, dem Magistrat<lb/> von Heilbronn achtungsvollere Gesinnungen gegen Goͤtz von<lb/> Berlichingen einzufloͤßen!</p><lb/> <p>Was ich sonst noch von dieser alten Stadt Jhnen zu<lb/> sagen weiß, ist blutwenig. Jn einer Kirche finden Sie<lb/> die zwoͤlf Apostel — rathen Sie einmal als was? — als<lb/> Karyatiden! wahrhaftig, als Karyatiden! Sie tragen ganz<lb/> geduldig die Saͤulen des Gewoͤlbes, vielleicht als ein<lb/> Symbol der christlichen Gelassenheit. — An einem Hau-<lb/> se lesen Sie in großen Buchstaben: daß Carl der Fuͤnfte<lb/> sich im Monat December in einer <hi rendition="#g">Saͤnfte</hi> hineintragen<lb/> lassen (vermuthlich, weil er krank war), und daß er im<lb/> Januar zu <hi rendition="#g">Pferde</hi> wieder herausgeritten, (vermuthlich,<lb/> weil er gesund geworden.)</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [23/0027]
gieng, holte eine Menge Schluͤssel, fuͤhrte mich in einen
der schmutzigsten Winkel der Stadt zu einem alten vierecki-
gen Thurme, mehrere abscheuliche Huͤhnertreppen hinauf,
bis auf die Platteforme, die eine schoͤne Aussicht gewaͤhr-
te. Aber, wo ist Berlichingens Kerker? — Er erbot sich,
mir in aufzuschließen: es saͤßen aber eben zwei Uebel-
thaͤter darin. — Wie? der Kerker wird noch gebraucht?
— Allerdings! — Wird nicht als ein interessantes Denk-
mal des Alterthums behandelt? — Ach nein, es fehlt an
Platz. Man hat ihn sogar abgetheilt, um noch mehr ar-
me Suͤnder hineinsperren zu koͤnnen. — So, nun habe
ich genug. Die Thuͤr des Kerkers betrachtete ich von aus-
sen; sie war im obersten Stockwerk des Thurms und sehr
niedrig. Goͤtz, der sich bekanntlich sehr ungern buͤckte,
muß beim Hineintreten sich gewaltig gebuͤckt haben. —
Unmuthig stieg ich wieder hinab. Wohl Schade, daß auch
Jahrhunderte nicht im Stande waren, dem Magistrat
von Heilbronn achtungsvollere Gesinnungen gegen Goͤtz von
Berlichingen einzufloͤßen!
Was ich sonst noch von dieser alten Stadt Jhnen zu
sagen weiß, ist blutwenig. Jn einer Kirche finden Sie
die zwoͤlf Apostel — rathen Sie einmal als was? — als
Karyatiden! wahrhaftig, als Karyatiden! Sie tragen ganz
geduldig die Saͤulen des Gewoͤlbes, vielleicht als ein
Symbol der christlichen Gelassenheit. — An einem Hau-
se lesen Sie in großen Buchstaben: daß Carl der Fuͤnfte
sich im Monat December in einer Saͤnfte hineintragen
lassen (vermuthlich, weil er krank war), und daß er im
Januar zu Pferde wieder herausgeritten, (vermuthlich,
weil er gesund geworden.)
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