Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.Jch bitte mir Jhren Arm aus! -- Wozu? -- Um bei Jch bitte mir Jhren Arm aus! — Wozu? — Um bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" n="48"/> <p>Jch bitte mir Jhren Arm aus! — Wozu? — Um bei<lb/> dem schoͤnen Herbstwetter einen Spaziergang durch die<lb/><hi rendition="#g">Straßen von Paris</hi> zu machen. Er wird sie nicht<lb/> gereuen. Kein Fremder sollte einen solchen Spaziergang<lb/> versaͤumen, denn die Quays, Boulevards u. s. w. bieten<lb/> vom Morgen bis zum Abend das unterhaltendste Schau-<lb/> spiel dar. So oft Zeit und Witterung es mir erlaubten,<lb/> bin ich zu Fuß herum geschlendert, bin uͤberall stehen ge-<lb/> blieben, wo ein Haͤuflein sich sammelte, habe gesehen,<lb/> gehoͤrt, auch gegafft, wenn Sie wollen, mich treflich amu-<lb/> sirt, und nebenher auch nicht selten ein Koͤrnlein der Er-<lb/> fahrung in mein Gedaͤchtniß niedergelegt. Folgen Sie mir<lb/> getrost. — Sieh da, ein Gluͤcksrad von Glas. Wun-<lb/> dern Sie sich nicht. Die Extreme beruͤhren sich. Die auf-<lb/> geklaͤrteste Nation von Europa scheint zugleich die aber-<lb/> glaͤubigste. An allen Ecken und Enden der Stadt finden<lb/> Sie listige Menschen, die unter allerlei Formen, auf al-<lb/> lerlei Manier, die Voruͤbergehenden herbei locken, um ih-<lb/> nen untruͤglich zu verkuͤndigen, welche Nummern bei der<lb/> naͤchsten Ziehung aus den zahlreichen franzoͤsischen Lotto's<lb/> hervorgehen werden, und immer ist ein solcher Prophet<lb/> von einem dichten Kreise umgeben. Hier, dies schmutzige<lb/> Gluͤcksrad, es hat oben ein viereckiges Loch; der zerlump-<lb/> te Kerl, der da hinter steht, hat sich von einem Gaͤnse-<lb/> ruͤckenknochen ein Ding gemacht, welches die spielenden<lb/> Kinder in Deutschland einen <hi rendition="#g">Hippuff</hi> (Huͤpfe auf) zu<lb/> nennen pflegen; das Ding setzt er mit vielem Ernste auf<lb/> das Loch, ahmt, fast ohne die Lippen zu bewegen, die<lb/> Sprache des Pulcinells nach, und es klingt gerade so, als<lb/> ob ein kleiner Daͤmon in dem Rade saͤße, und die Vor-<lb/> beigehenden anriefe. Treten nun die Neugierigen hinzu,<lb/> so springt ploͤtzlich der Hippuff von dem Loche, und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0052]
Jch bitte mir Jhren Arm aus! — Wozu? — Um bei
dem schoͤnen Herbstwetter einen Spaziergang durch die
Straßen von Paris zu machen. Er wird sie nicht
gereuen. Kein Fremder sollte einen solchen Spaziergang
versaͤumen, denn die Quays, Boulevards u. s. w. bieten
vom Morgen bis zum Abend das unterhaltendste Schau-
spiel dar. So oft Zeit und Witterung es mir erlaubten,
bin ich zu Fuß herum geschlendert, bin uͤberall stehen ge-
blieben, wo ein Haͤuflein sich sammelte, habe gesehen,
gehoͤrt, auch gegafft, wenn Sie wollen, mich treflich amu-
sirt, und nebenher auch nicht selten ein Koͤrnlein der Er-
fahrung in mein Gedaͤchtniß niedergelegt. Folgen Sie mir
getrost. — Sieh da, ein Gluͤcksrad von Glas. Wun-
dern Sie sich nicht. Die Extreme beruͤhren sich. Die auf-
geklaͤrteste Nation von Europa scheint zugleich die aber-
glaͤubigste. An allen Ecken und Enden der Stadt finden
Sie listige Menschen, die unter allerlei Formen, auf al-
lerlei Manier, die Voruͤbergehenden herbei locken, um ih-
nen untruͤglich zu verkuͤndigen, welche Nummern bei der
naͤchsten Ziehung aus den zahlreichen franzoͤsischen Lotto's
hervorgehen werden, und immer ist ein solcher Prophet
von einem dichten Kreise umgeben. Hier, dies schmutzige
Gluͤcksrad, es hat oben ein viereckiges Loch; der zerlump-
te Kerl, der da hinter steht, hat sich von einem Gaͤnse-
ruͤckenknochen ein Ding gemacht, welches die spielenden
Kinder in Deutschland einen Hippuff (Huͤpfe auf) zu
nennen pflegen; das Ding setzt er mit vielem Ernste auf
das Loch, ahmt, fast ohne die Lippen zu bewegen, die
Sprache des Pulcinells nach, und es klingt gerade so, als
ob ein kleiner Daͤmon in dem Rade saͤße, und die Vor-
beigehenden anriefe. Treten nun die Neugierigen hinzu,
so springt ploͤtzlich der Hippuff von dem Loche, und die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |