Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.geistige Stimme ladet unter glänzende Versicherungen, geistige Stimme ladet unter glaͤnzende Versicherungen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="49"/> geistige Stimme ladet unter glaͤnzende Versicherungen,<lb/> die ohnehin schon zuckenden Haͤnde der Umstehenden ein,<lb/> die gewinnenden Nummern zu ziehen. Zwei Sous ist der<lb/> gewoͤhnliche Preis aller solcher unfehlbaren Weissagungen. —<lb/> Dort hat ein andrer eine große Tafel mit <hi rendition="#g">Buchstaben</hi><lb/> aufgestellt. Sagen Sie ihm nur den Anfangsbuchstaben<lb/> Jhres Namens, sogleich zieht er ihn aus der Tafel, und<lb/> in einem da hinter befindlichen Loche liegt alles, was Sie<lb/> zu wissen wuͤnschen. — Diese Art zu prophezeihen hat<lb/> aber ein Dritter, wie billig, zu einfach gefunden. Be-<lb/> trachten Sie einen Tisch, auf dem allerlei kleine, niedli-<lb/> che Figuren, durch ein Uhrwerk getrieben, herumschnur-<lb/> ren. Auf den ersten Blick sieht das gar nicht aus, wie<lb/> das Heiligthum eines Lottopropheten, bald aber werden<lb/> Sie gewahr, daß an der Mittelstange, die durch den Tisch<lb/> geht, uͤber den Puppen ein Thierkreis befestigt ist, an<lb/> dem die Monate zu lesen sind, und der sich auch mit her-<lb/> um dreht. Noch hoͤher hinauf erblicken Sie abermals ei-<lb/> nen Kreis, der die neunzig Zahlen traͤgt. Nun belieben<lb/> Sie nur mit Jhrem Finger eine Puppe zu bezeichnen, auf<lb/> deren Gabe der Weissagung Sie sich am meisten verlassen,<lb/> etwa hier diesen tuͤrkischen Kaiser, der den Scepter so ma-<lb/> jestaͤtisch in die Hoͤhe reckt; sogleich fangen saͤmmtliche Fi-<lb/> guren an zu laufen, der Thierkreis dreht sich, die Lotto-<lb/> nummern drehen sich gleichfalls und — Sie harren gedul-<lb/> dig. Jetzt ist das Uhrwerk abgelaufen, und der tuͤrkische<lb/> Kaiser steht und deutet mit seinem Scepter auf den Monat<lb/> August, grade uͤber diesem ist die Nummer 78 zu lesen, und<lb/> was ist also natuͤrlicher und gewisser, als daß Sie im Mo-<lb/> nat August diese Nummer besetzen, und große Summen<lb/> darauf gewinnen werden. Sie lachen daruͤber, daß die<lb/> Menschen sich so ernsthaft zu einem Kinderspiel hergeben? —<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0053]
geistige Stimme ladet unter glaͤnzende Versicherungen,
die ohnehin schon zuckenden Haͤnde der Umstehenden ein,
die gewinnenden Nummern zu ziehen. Zwei Sous ist der
gewoͤhnliche Preis aller solcher unfehlbaren Weissagungen. —
Dort hat ein andrer eine große Tafel mit Buchstaben
aufgestellt. Sagen Sie ihm nur den Anfangsbuchstaben
Jhres Namens, sogleich zieht er ihn aus der Tafel, und
in einem da hinter befindlichen Loche liegt alles, was Sie
zu wissen wuͤnschen. — Diese Art zu prophezeihen hat
aber ein Dritter, wie billig, zu einfach gefunden. Be-
trachten Sie einen Tisch, auf dem allerlei kleine, niedli-
che Figuren, durch ein Uhrwerk getrieben, herumschnur-
ren. Auf den ersten Blick sieht das gar nicht aus, wie
das Heiligthum eines Lottopropheten, bald aber werden
Sie gewahr, daß an der Mittelstange, die durch den Tisch
geht, uͤber den Puppen ein Thierkreis befestigt ist, an
dem die Monate zu lesen sind, und der sich auch mit her-
um dreht. Noch hoͤher hinauf erblicken Sie abermals ei-
nen Kreis, der die neunzig Zahlen traͤgt. Nun belieben
Sie nur mit Jhrem Finger eine Puppe zu bezeichnen, auf
deren Gabe der Weissagung Sie sich am meisten verlassen,
etwa hier diesen tuͤrkischen Kaiser, der den Scepter so ma-
jestaͤtisch in die Hoͤhe reckt; sogleich fangen saͤmmtliche Fi-
guren an zu laufen, der Thierkreis dreht sich, die Lotto-
nummern drehen sich gleichfalls und — Sie harren gedul-
dig. Jetzt ist das Uhrwerk abgelaufen, und der tuͤrkische
Kaiser steht und deutet mit seinem Scepter auf den Monat
August, grade uͤber diesem ist die Nummer 78 zu lesen, und
was ist also natuͤrlicher und gewisser, als daß Sie im Mo-
nat August diese Nummer besetzen, und große Summen
darauf gewinnen werden. Sie lachen daruͤber, daß die
Menschen sich so ernsthaft zu einem Kinderspiel hergeben? —
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