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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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die Laterne im Rachen trägt, Sie glauben, er stehe nur
still, weil der Herr dem er vorleuchtet, noch nicht hin-
ter ihm ist. Eine große Menge einzelner Vögel verzie-
ren den Hintergrund der Bude. Diese artige Kunst ge-
währt den Parisern noch den Vortheil, daß, wer einen
getreuen Hund, einen geliebten Vogel, oder sonst ein Thier
besaß an das er sich freundlich gewöhnt hatte, mit dem
Tode dieses Lieblings ihn doch nicht ganz verliert. Für
eine Kleinigkeit wird ihm die äußere Hülle, Leben-lügend
zurückgegeben. Wirklich sind die Preise dieser Kunstwerke
sehr gering. Das Ausstopfen eines kleinen Vogels z. B.
kostet nur drei Livres (18 Groschen) wenn man den Vo-
gel selbst liefert; sonst etwas mehr, nachdem der Vogel
selten ist, oder nicht. -- Dieser Schauplatz lebloser Le-
bendigkeit ist gewissermaßen noch jenem vorzuziehen, der
wirklich von lebendigen Creaturen wimmelt, aber freilich
durch die üble Ausdünstung zurückstößt. Wenn sie indes-
sen es über sich gewinnen können, einige Augenblicke in
der Bude zu verweilen, so werden Sie einen kleinen Begriff
von der Arche Noah wieder mit herausnehmen, die auch
schwerlich durch ihren Wohlgeruch berühmt geworden seyn
würde. Jn Käfigen ohne Zahl herbergen Papagoyen,
grau, grün und bunt, weiße Cacadus, prächtige indiani-
sche Raben; alle auf einmal singen nach ihrer Weise,
daß Jhnen die Ohren gellen. Glauben Sie indessen nicht,
daß trotz der Menge dieser Vögel, Sie einen derselben
wohlfeil kaufen könnten. O nein, unter acht Louis be-
kommen Sie keinen; es wäre denn jener kleine, sperlings-
artige Papagoy, der nicht spricht und nie sprechen lernt,
den überläßt man Jhnen allenfalls für drei Louis. Diese
buntgefiederten Ausländer nehmen, wie billig, den ober-
sten Rang in der Vogelbude ein. Jhnen folgen die Tau-

die Laterne im Rachen traͤgt, Sie glauben, er stehe nur
still, weil der Herr dem er vorleuchtet, noch nicht hin-
ter ihm ist. Eine große Menge einzelner Voͤgel verzie-
ren den Hintergrund der Bude. Diese artige Kunst ge-
waͤhrt den Parisern noch den Vortheil, daß, wer einen
getreuen Hund, einen geliebten Vogel, oder sonst ein Thier
besaß an das er sich freundlich gewoͤhnt hatte, mit dem
Tode dieses Lieblings ihn doch nicht ganz verliert. Fuͤr
eine Kleinigkeit wird ihm die aͤußere Huͤlle, Leben-luͤgend
zuruͤckgegeben. Wirklich sind die Preise dieser Kunstwerke
sehr gering. Das Ausstopfen eines kleinen Vogels z. B.
kostet nur drei Livres (18 Groschen) wenn man den Vo-
gel selbst liefert; sonst etwas mehr, nachdem der Vogel
selten ist, oder nicht. — Dieser Schauplatz lebloser Le-
bendigkeit ist gewissermaßen noch jenem vorzuziehen, der
wirklich von lebendigen Creaturen wimmelt, aber freilich
durch die uͤble Ausduͤnstung zuruͤckstoͤßt. Wenn sie indes-
sen es uͤber sich gewinnen koͤnnen, einige Augenblicke in
der Bude zu verweilen, so werden Sie einen kleinen Begriff
von der Arche Noah wieder mit herausnehmen, die auch
schwerlich durch ihren Wohlgeruch beruͤhmt geworden seyn
wuͤrde. Jn Kaͤfigen ohne Zahl herbergen Papagoyen,
grau, gruͤn und bunt, weiße Cacadus, praͤchtige indiani-
sche Raben; alle auf einmal singen nach ihrer Weise,
daß Jhnen die Ohren gellen. Glauben Sie indessen nicht,
daß trotz der Menge dieser Voͤgel, Sie einen derselben
wohlfeil kaufen koͤnnten. O nein, unter acht Louis be-
kommen Sie keinen; es waͤre denn jener kleine, sperlings-
artige Papagoy, der nicht spricht und nie sprechen lernt,
den uͤberlaͤßt man Jhnen allenfalls fuͤr drei Louis. Diese
buntgefiederten Auslaͤnder nehmen, wie billig, den ober-
sten Rang in der Vogelbude ein. Jhnen folgen die Tau-

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[65/0069] die Laterne im Rachen traͤgt, Sie glauben, er stehe nur still, weil der Herr dem er vorleuchtet, noch nicht hin- ter ihm ist. Eine große Menge einzelner Voͤgel verzie- ren den Hintergrund der Bude. Diese artige Kunst ge- waͤhrt den Parisern noch den Vortheil, daß, wer einen getreuen Hund, einen geliebten Vogel, oder sonst ein Thier besaß an das er sich freundlich gewoͤhnt hatte, mit dem Tode dieses Lieblings ihn doch nicht ganz verliert. Fuͤr eine Kleinigkeit wird ihm die aͤußere Huͤlle, Leben-luͤgend zuruͤckgegeben. Wirklich sind die Preise dieser Kunstwerke sehr gering. Das Ausstopfen eines kleinen Vogels z. B. kostet nur drei Livres (18 Groschen) wenn man den Vo- gel selbst liefert; sonst etwas mehr, nachdem der Vogel selten ist, oder nicht. — Dieser Schauplatz lebloser Le- bendigkeit ist gewissermaßen noch jenem vorzuziehen, der wirklich von lebendigen Creaturen wimmelt, aber freilich durch die uͤble Ausduͤnstung zuruͤckstoͤßt. Wenn sie indes- sen es uͤber sich gewinnen koͤnnen, einige Augenblicke in der Bude zu verweilen, so werden Sie einen kleinen Begriff von der Arche Noah wieder mit herausnehmen, die auch schwerlich durch ihren Wohlgeruch beruͤhmt geworden seyn wuͤrde. Jn Kaͤfigen ohne Zahl herbergen Papagoyen, grau, gruͤn und bunt, weiße Cacadus, praͤchtige indiani- sche Raben; alle auf einmal singen nach ihrer Weise, daß Jhnen die Ohren gellen. Glauben Sie indessen nicht, daß trotz der Menge dieser Voͤgel, Sie einen derselben wohlfeil kaufen koͤnnten. O nein, unter acht Louis be- kommen Sie keinen; es waͤre denn jener kleine, sperlings- artige Papagoy, der nicht spricht und nie sprechen lernt, den uͤberlaͤßt man Jhnen allenfalls fuͤr drei Louis. Diese buntgefiederten Auslaͤnder nehmen, wie billig, den ober- sten Rang in der Vogelbude ein. Jhnen folgen die Tau-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/69>, abgerufen am 18.12.2024.