Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.Flüchtige Reisebemerkungen als Einleitung. Man hat das Leben so oft mit einer Reise verglichen; Ach! und welch einen Alles überwiegenden Vorzug ge- So stößt man überall, im Kleinen wie im Großen, Fluͤchtige Reisebemerkungen als Einleitung. Man hat das Leben so oft mit einer Reise verglichen; Ach! und welch einen Alles uͤberwiegenden Vorzug ge- So stoͤßt man uͤberall, im Kleinen wie im Großen, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0007" n="[3]"/> <div n="1"> <head>Fluͤchtige Reisebemerkungen<lb/> als Einleitung.</head><lb/> <p>Man hat das Leben so oft mit einer Reise verglichen;<lb/> alle Gleichnisse hinken, auch dieses. Welch ein Un-<lb/> terschied zwischen <hi rendition="#g">Leben</hi> und <hi rendition="#g">Reisen!</hi> — Welche Vor-<lb/> zuͤge sind dem letztern eigen! — Der <hi rendition="#g">Reisende</hi> weiß<lb/> doch gewoͤhnlich, <hi rendition="#g">daß</hi> und <hi rendition="#g">wohin er reisen</hi> will; der<lb/> arme <hi rendition="#g">Lebende</hi> aber wird nicht gefragt, <hi rendition="#g">ob</hi> und <hi rendition="#g">war-<lb/> um</hi> er <hi rendition="#g">leben</hi> will. Koͤnnten diese Fragen, <hi rendition="#g">vor</hi> seinem<lb/> Eintritt in die Welt, ihm vorgelegt werden, wahrlich er<lb/> wuͤrde die erste oft verneinend beantworten; denn wer giebt<lb/> ihm genuͤgende Auskunft uͤber die letztere?</p><lb/> <p>Ach! und welch einen Alles uͤberwiegenden Vorzug ge-<lb/> nießt der <hi rendition="#g">Reisende</hi> schon dadurch, daß er das Bittere<lb/> der Reise, <hi rendition="#g">den Abschied von seinen Lieben,</hi> im An-<lb/> fang uͤbersteht, und das <hi rendition="#g">Wiedersehen</hi> am <hi rendition="#g">Ende</hi> ihn be-<lb/> lohnt, indessen der <hi rendition="#g">Mensch</hi> umgekehrt mit jedem Schritt<lb/> zum <hi rendition="#g">Ende,</hi> dem <hi rendition="#g">Abschied von seinen Lieben</hi> ent-<lb/> gegen geht, und das <hi rendition="#g">Wiedersehn</hi> ihn nur im Traum-<lb/> gewande der Hoffnung begluͤckt. Also <hi rendition="#g">wiederfinden</hi><lb/> am Ziel der <hi rendition="#g">Reise; verlassen</hi> am Ziel des Lebens! —</p><lb/> <p>So stoͤßt man uͤberall, im Kleinen wie im Großen,<lb/> auf maͤchtige Unterschiede zwischen Leben und Reisen. Die<lb/> wirthlichste Herberge, den dickbelaubtesten Baum darf der<lb/> Reisende suchen, wenn boͤses Wetter ihn uͤberfaͤllt; nicht<lb/> so der Pilger auf der Wallfahrt des Lebens. Er muß sich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0007]
Fluͤchtige Reisebemerkungen
als Einleitung.
Man hat das Leben so oft mit einer Reise verglichen;
alle Gleichnisse hinken, auch dieses. Welch ein Un-
terschied zwischen Leben und Reisen! — Welche Vor-
zuͤge sind dem letztern eigen! — Der Reisende weiß
doch gewoͤhnlich, daß und wohin er reisen will; der
arme Lebende aber wird nicht gefragt, ob und war-
um er leben will. Koͤnnten diese Fragen, vor seinem
Eintritt in die Welt, ihm vorgelegt werden, wahrlich er
wuͤrde die erste oft verneinend beantworten; denn wer giebt
ihm genuͤgende Auskunft uͤber die letztere?
Ach! und welch einen Alles uͤberwiegenden Vorzug ge-
nießt der Reisende schon dadurch, daß er das Bittere
der Reise, den Abschied von seinen Lieben, im An-
fang uͤbersteht, und das Wiedersehen am Ende ihn be-
lohnt, indessen der Mensch umgekehrt mit jedem Schritt
zum Ende, dem Abschied von seinen Lieben ent-
gegen geht, und das Wiedersehn ihn nur im Traum-
gewande der Hoffnung begluͤckt. Also wiederfinden
am Ziel der Reise; verlassen am Ziel des Lebens! —
So stoͤßt man uͤberall, im Kleinen wie im Großen,
auf maͤchtige Unterschiede zwischen Leben und Reisen. Die
wirthlichste Herberge, den dickbelaubtesten Baum darf der
Reisende suchen, wenn boͤses Wetter ihn uͤberfaͤllt; nicht
so der Pilger auf der Wallfahrt des Lebens. Er muß sich
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