spiel mit ansehen, wie die platten zur Landung in Eng- land bestimmten Böte auf der Seine manövriren. Frei- lich will es mit dem Rudern der Soldaten noch nicht recht fort, und wenn nicht der erhabenstehende Trommelschlä- ger den Tact angiebt, so gleicht das Boot, mit seinen vielen Rudern zu beiden Seiten, zuweilen einem Wagen, der über eine lockere Knüppelbrücke fährt, wo die Knüppel einer um den andern sich heben und fallen. Aber ein we- nig Uebung, und es wird schon gehen, wenn nur das offe- ne Meer eben so gutmüthig ist als die Seine. --
Ueberall ist dieser Fluß durch Thätigkeit und Fleiß be- lebt. Hier treibt er Mühlen um den Einwohnern Nah- rung zu bereiten, oben führt er Kohlenschiffe herbei um sie zu wärmen; weiter unten wird das Wasser aus seiner Mitte an das Ufer geleitet, und dort durch Leinewand in Fässer gepumpt, um den Durstigen ein reines Getränk zu liefern. Auch diese gehäufte Kornsäcke haben seine Wel- len hergetragen, auch jene Weinfässer liefert er ungewässert in die Keller der Wiedertäufer. Hier sehen Sie ein bun- tes Gemisch von Käufern und Verkäufern. Nehmen Sie sich in Acht, daß Sie nicht mit Jhrem weißen Gewande an jene schwarze Köhler herstreifen. Kommen Sie auch nicht den muntern und rüstigen Aubergnaten zu na- he, die sich zum Spas so derb boxen, daß unser Eins im Ernst davon sterben könnte, und die dabei ein Patois sprechen, von dem wir wenigstens keine Sylbe verstehn. -- Retten Se sich aus dem Getümmel auf diesen freien Platz -- ach! es ist der Platz Lagreve, auf dem vormals nur der Verbrecher büßte, der aber während der Schreckens- zeit das Blut so mancher Edlen fließen sah. Hier ist die Stelle, auf welcher die Guillotine lange permanent war, dort an jener Ecke die Laterne, an deren Arm man Fou-
spiel mit ansehen, wie die platten zur Landung in Eng- land bestimmten Boͤte auf der Seine manoͤvriren. Frei- lich will es mit dem Rudern der Soldaten noch nicht recht fort, und wenn nicht der erhabenstehende Trommelschlaͤ- ger den Tact angiebt, so gleicht das Boot, mit seinen vielen Rudern zu beiden Seiten, zuweilen einem Wagen, der uͤber eine lockere Knuͤppelbruͤcke faͤhrt, wo die Knuͤppel einer um den andern sich heben und fallen. Aber ein we- nig Uebung, und es wird schon gehen, wenn nur das offe- ne Meer eben so gutmuͤthig ist als die Seine. —
Ueberall ist dieser Fluß durch Thaͤtigkeit und Fleiß be- lebt. Hier treibt er Muͤhlen um den Einwohnern Nah- rung zu bereiten, oben fuͤhrt er Kohlenschiffe herbei um sie zu waͤrmen; weiter unten wird das Wasser aus seiner Mitte an das Ufer geleitet, und dort durch Leinewand in Faͤsser gepumpt, um den Durstigen ein reines Getraͤnk zu liefern. Auch diese gehaͤufte Kornsaͤcke haben seine Wel- len hergetragen, auch jene Weinfaͤsser liefert er ungewaͤssert in die Keller der Wiedertaͤufer. Hier sehen Sie ein bun- tes Gemisch von Kaͤufern und Verkaͤufern. Nehmen Sie sich in Acht, daß Sie nicht mit Jhrem weißen Gewande an jene schwarze Koͤhler herstreifen. Kommen Sie auch nicht den muntern und ruͤstigen Aubergnaten zu na- he, die sich zum Spas so derb boxen, daß unser Eins im Ernst davon sterben koͤnnte, und die dabei ein Patois sprechen, von dem wir wenigstens keine Sylbe verstehn. — Retten Se sich aus dem Getuͤmmel auf diesen freien Platz — ach! es ist der Platz Lagreve, auf dem vormals nur der Verbrecher buͤßte, der aber waͤhrend der Schreckens- zeit das Blut so mancher Edlen fließen sah. Hier ist die Stelle, auf welcher die Guillotine lange permanent war, dort an jener Ecke die Laterne, an deren Arm man Fou-
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spiel mit ansehen, wie die platten zur Landung in Eng-
land bestimmten Boͤte auf der Seine manoͤvriren. Frei-
lich will es mit dem Rudern der Soldaten noch nicht recht
fort, und wenn nicht der erhabenstehende Trommelschlaͤ-
ger den Tact angiebt, so gleicht das Boot, mit seinen
vielen Rudern zu beiden Seiten, zuweilen einem Wagen,
der uͤber eine lockere Knuͤppelbruͤcke faͤhrt, wo die Knuͤppel
einer um den andern sich heben und fallen. Aber ein we-
nig Uebung, und es wird schon gehen, wenn nur das offe-
ne Meer eben so gutmuͤthig ist als die Seine. —
Ueberall ist dieser Fluß durch Thaͤtigkeit und Fleiß be-
lebt. Hier treibt er Muͤhlen um den Einwohnern Nah-
rung zu bereiten, oben fuͤhrt er Kohlenschiffe herbei um sie
zu waͤrmen; weiter unten wird das Wasser aus seiner
Mitte an das Ufer geleitet, und dort durch Leinewand in
Faͤsser gepumpt, um den Durstigen ein reines Getraͤnk zu
liefern. Auch diese gehaͤufte Kornsaͤcke haben seine Wel-
len hergetragen, auch jene Weinfaͤsser liefert er ungewaͤssert
in die Keller der Wiedertaͤufer. Hier sehen Sie ein bun-
tes Gemisch von Kaͤufern und Verkaͤufern. Nehmen Sie
sich in Acht, daß Sie nicht mit Jhrem weißen Gewande
an jene schwarze Koͤhler herstreifen. Kommen Sie auch
nicht den muntern und ruͤstigen Aubergnaten zu na-
he, die sich zum Spas so derb boxen, daß unser Eins im
Ernst davon sterben koͤnnte, und die dabei ein Patois
sprechen, von dem wir wenigstens keine Sylbe verstehn. —
Retten Se sich aus dem Getuͤmmel auf diesen freien Platz
— ach! es ist der Platz Lagreve, auf dem vormals nur
der Verbrecher buͤßte, der aber waͤhrend der Schreckens-
zeit das Blut so mancher Edlen fließen sah. Hier ist die
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dort an jener Ecke die Laterne, an deren Arm man Fou-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/73>, abgerufen am 16.02.2025.
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