Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Das Kabinet der Antiken. Die Zeit, deren Arme sich ins Unendliche dehnen, um Das Kabinet der Antiken. Die Zeit, deren Arme sich ins Unendliche dehnen, um <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0010" n="10"/> <div n="1"> <head>Das Kabinet der Antiken.</head><lb/> <p>Die Zeit, deren Arme sich ins Unendliche dehnen, um<lb/> Alles zu umspannen, und, uͤber das Meer der Vergessen-<lb/> heit hoch hinrauschend, Alles hinabzuwerfen, laͤßt selten<lb/> hie und da am Ufer dieses Meeres ein Staͤubchen aus<lb/> dem Arme schluͤpfen, das der Mensch gierig auffaͤngt und<lb/> heilig bewahrt, als Erinnerung an Das, was in den Wel-<lb/> len begraben liegt. Das Beste und Schoͤnste, was von<lb/> entwichenen Jahrtausenden uns uͤbrig blieb, bewahrt das<lb/> herrliche, mit der Nationalbibliothek verbundene Kabinet<lb/> der Antiken zu Paris. Noch ist leider kein Verzeichniß<lb/> davon zu haben, aber der wackere zuvorkommende Jn-<lb/> spektor des Kabinets, der beruͤhmte <hi rendition="#g">Millin,</hi> ersetzt die-<lb/> sen Mangel dem Fremden vollkommen, und bei seiner un-<lb/> ermuͤdeten Hoͤflichkeit und Regsamkeit wird man nie ge-<lb/> wahr, daß er selbst seine Zeit zum kostbarsten Opfer<lb/> bringt. — Vormals standen die gelehrten Antiquare in<lb/> dem Rufe der Pedanterie, sie mogten, außer ihrem Fache,<lb/> von Nichts wissen und mit Nichts zu thun haben, am we-<lb/> nigsten paßten sie in muntere Gesellschaften; die Dichter<lb/> hingegen schwatzten uͤber Alles, lachten gern, und waren<lb/> die Seele froher Geselligkeit. Heut zu Tage hat sich, wie<lb/> Alles, auch dieß geaͤndert. Drei der gelehrtesten Anti-<lb/> quare, die ich persoͤnlich zu kennen so gluͤcklich bin, <hi rendition="#g">Mil-<lb/> lin, Boͤttiger</hi> und <hi rendition="#g">Koͤhler,</hi> sind zugleich die hu-<lb/> mansten Maͤnner, die nicht allein keine Gesellschaft ver-<lb/> derben, sondern wohl im Stande sind, eine verdorbene<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
Das Kabinet der Antiken.
Die Zeit, deren Arme sich ins Unendliche dehnen, um
Alles zu umspannen, und, uͤber das Meer der Vergessen-
heit hoch hinrauschend, Alles hinabzuwerfen, laͤßt selten
hie und da am Ufer dieses Meeres ein Staͤubchen aus
dem Arme schluͤpfen, das der Mensch gierig auffaͤngt und
heilig bewahrt, als Erinnerung an Das, was in den Wel-
len begraben liegt. Das Beste und Schoͤnste, was von
entwichenen Jahrtausenden uns uͤbrig blieb, bewahrt das
herrliche, mit der Nationalbibliothek verbundene Kabinet
der Antiken zu Paris. Noch ist leider kein Verzeichniß
davon zu haben, aber der wackere zuvorkommende Jn-
spektor des Kabinets, der beruͤhmte Millin, ersetzt die-
sen Mangel dem Fremden vollkommen, und bei seiner un-
ermuͤdeten Hoͤflichkeit und Regsamkeit wird man nie ge-
wahr, daß er selbst seine Zeit zum kostbarsten Opfer
bringt. — Vormals standen die gelehrten Antiquare in
dem Rufe der Pedanterie, sie mogten, außer ihrem Fache,
von Nichts wissen und mit Nichts zu thun haben, am we-
nigsten paßten sie in muntere Gesellschaften; die Dichter
hingegen schwatzten uͤber Alles, lachten gern, und waren
die Seele froher Geselligkeit. Heut zu Tage hat sich, wie
Alles, auch dieß geaͤndert. Drei der gelehrtesten Anti-
quare, die ich persoͤnlich zu kennen so gluͤcklich bin, Mil-
lin, Boͤttiger und Koͤhler, sind zugleich die hu-
mansten Maͤnner, die nicht allein keine Gesellschaft ver-
derben, sondern wohl im Stande sind, eine verdorbene
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