Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Namen unter Rousseau's Büste gekritzelt finden, mich ei- Ein wenig durchfrohren traten wir in die Küche, Schon manchmal hat die Frage sich mir aufgedrängt: Wir flohen bald, wie der Mensch zu thun pflegt, Namen unter Rousseau's Buͤste gekritzelt finden, mich ei- Ein wenig durchfrohren traten wir in die Kuͤche, Schon manchmal hat die Frage sich mir aufgedraͤngt: Wir flohen bald, wie der Mensch zu thun pflegt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="9"/> Namen unter Rousseau's Buͤste gekritzelt finden, mich ei-<lb/> ner laͤcherlichen Eitelkeit beschuldigen moͤchten, erwaͤhne<lb/> ich, daß nicht <hi rendition="#g">mir,</hi> sondern der schoͤnen Hand meiner<lb/> muthwilligen Begleiterinn, diesen Suͤnde zugerechnet wer-<lb/> den muß.</p><lb/> <p>Ein wenig durchfrohren traten wir in die Kuͤche,<lb/> setzten uns vor den Kamin, und hoͤrten die einfach ruͤh-<lb/> renden Klagen des guten huͤbschen Maͤdchens mit an, dem<lb/> man vor wenig Tagen seinen Bruder von der Seite ge-<lb/> nommen, und als Soldat zu einer fernen Bestimmung<lb/> versandt hatte. Nur zwei Soͤhne besaß die alte Mutter;<lb/> der aͤltere war schon laͤngst hinaus, ich glaube an die<lb/> spanische Graͤnze, und sie hatte Nichts wieder von ihm<lb/> gehoͤrt. Den juͤngern, jetzt den einzigen, hoffte sie zu<lb/> behalten, weil er ihr Stuͤckchen Feld baute und sie er-<lb/> naͤhrte — aber vergebens! er mußte fort. Von der<lb/> Graͤnze der naͤchsten Provinz schrieb er noch einmal ein<lb/> klaͤgliches Lebewohl, und nun — meinte die Schwester<lb/> mit feuchten Augen — nun werden wir wohl auch Nichts<lb/> mehr von ihm zu hoͤren bekommen.</p><lb/> <p>Schon manchmal hat die Frage sich mir aufgedraͤngt:<lb/> wenn Rousseau zu den Zeiten der Revolution und nach-<lb/> her gelebt haͤtte, was wuͤrde er gesagt haben? — Die<lb/> Einsiedeley im Thal Montmorency haͤtte ihn nicht vor<lb/> traurigen Eindruͤcken geschuͤtzt.</p><lb/> <p>Wir flohen bald, wie der Mensch zu thun pflegt,<lb/> den Anblick eines Kummers, dem wir nicht abhelfen<lb/> konnten. Auch wurde es spaͤt, wir rollten nach Paris<lb/> zuruͤck. — Eine heitere Wehmuth bezeichnete den Rest<lb/> dieses schoͤnen Tages.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [9/0009]
Namen unter Rousseau's Buͤste gekritzelt finden, mich ei-
ner laͤcherlichen Eitelkeit beschuldigen moͤchten, erwaͤhne
ich, daß nicht mir, sondern der schoͤnen Hand meiner
muthwilligen Begleiterinn, diesen Suͤnde zugerechnet wer-
den muß.
Ein wenig durchfrohren traten wir in die Kuͤche,
setzten uns vor den Kamin, und hoͤrten die einfach ruͤh-
renden Klagen des guten huͤbschen Maͤdchens mit an, dem
man vor wenig Tagen seinen Bruder von der Seite ge-
nommen, und als Soldat zu einer fernen Bestimmung
versandt hatte. Nur zwei Soͤhne besaß die alte Mutter;
der aͤltere war schon laͤngst hinaus, ich glaube an die
spanische Graͤnze, und sie hatte Nichts wieder von ihm
gehoͤrt. Den juͤngern, jetzt den einzigen, hoffte sie zu
behalten, weil er ihr Stuͤckchen Feld baute und sie er-
naͤhrte — aber vergebens! er mußte fort. Von der
Graͤnze der naͤchsten Provinz schrieb er noch einmal ein
klaͤgliches Lebewohl, und nun — meinte die Schwester
mit feuchten Augen — nun werden wir wohl auch Nichts
mehr von ihm zu hoͤren bekommen.
Schon manchmal hat die Frage sich mir aufgedraͤngt:
wenn Rousseau zu den Zeiten der Revolution und nach-
her gelebt haͤtte, was wuͤrde er gesagt haben? — Die
Einsiedeley im Thal Montmorency haͤtte ihn nicht vor
traurigen Eindruͤcken geschuͤtzt.
Wir flohen bald, wie der Mensch zu thun pflegt,
den Anblick eines Kummers, dem wir nicht abhelfen
konnten. Auch wurde es spaͤt, wir rollten nach Paris
zuruͤck. — Eine heitere Wehmuth bezeichnete den Rest
dieses schoͤnen Tages.
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