Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.das thut mir fast leid: denn unmöglich kann ein Kupfer- Eine heilige Familie von Raphael, eines das thut mir fast leid: denn unmoͤglich kann ein Kupfer- Eine heilige Familie von Raphael, eines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="111"/> das thut mir fast leid: denn unmoͤglich kann ein Kupfer-<lb/> stich diese in die Farben gehauchte Seele nachbilden.</p><lb/> <p>Eine <hi rendition="#g">heilige Familie</hi> von <hi rendition="#g">Raphael,</hi> eines<lb/> seiner fruͤhern Bilder, ist auch eine schoͤne Bluͤthe der Ein-<lb/> bildungskraft, und <hi rendition="#g">Davids Belisar</hi> eine reife Frucht.<lb/> Es sind da mehrere kostbare Gemaͤlde aus der italieni-<lb/> schen Schule, die den Kenner entzuͤcken; aber auch die<lb/> Neuern hat Lucian nicht verschmaͤht, und die Nachwelt<lb/> wird es ihm Dank wissen: denn sie stehen den aͤltern oft<lb/> in Nichts nach, als in den Jahren; sie erreichen ihre<lb/> Vorgaͤnger in der <hi rendition="#g">Kunst,</hi> und uͤbertreffen sie in poeti-<lb/> scher Behandlung. — Da sitzt unter Andern eine alte<lb/> Frau, eine sogenannte <hi rendition="#g">Rentenierinn,</hi> das heißt, ei-<lb/> ne vormals wohlhabende Frau vom Stande, welche durch<lb/> die Staatsbanqueroute bis zum Betteln heruntergebracht<lb/> worden ist; dabey scheint sie blind, doch ist sie noch an-<lb/> staͤndig gekleidet, ihre Zuͤge verrathen nichts Gemeines;<lb/> sie sitzt, auf ihren Stab gelehnt, vor einem Hause; vor<lb/> ihr steht ein herrlicher Knabe, dessen Kleidung auch noch<lb/> Spuren besserer Zeiten traͤgt; er ist vermuthlich ihr En-<lb/> kel. Mit einem kummervollen Gesichte und nassen Au-<lb/> gen haͤlt er bettelnd seinen Hut den Voruͤbergehenden hin.<lb/> Der Hut ist leer, und an dem Hause, an welches die Al-<lb/> te ihren Ruͤcken lehnt, liest man unter mehreren Anzei-<lb/> gen von Baͤllen, Lotterien, Konzerten, auch eine ausge-<lb/> bothene Belohnung von 25 Louis fuͤr einen verlorneu<lb/> Hund. Dieses Bild, welches herrlich gemalt ist, ent-<lb/> haͤlt eine blutige Satyre auf die franzoͤsische Revolution.<lb/> — Sehr artig fand ich auch einen Knaben, der beym<lb/> Lesen eingeschlafen ist, und ein Maͤdchen, das aus einer<lb/> Schaale Milch trinken will, von einem Kinde aber zu-<lb/> ruͤckgehalten wird, daß es nicht zu Viel trinke. Der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0111]
das thut mir fast leid: denn unmoͤglich kann ein Kupfer-
stich diese in die Farben gehauchte Seele nachbilden.
Eine heilige Familie von Raphael, eines
seiner fruͤhern Bilder, ist auch eine schoͤne Bluͤthe der Ein-
bildungskraft, und Davids Belisar eine reife Frucht.
Es sind da mehrere kostbare Gemaͤlde aus der italieni-
schen Schule, die den Kenner entzuͤcken; aber auch die
Neuern hat Lucian nicht verschmaͤht, und die Nachwelt
wird es ihm Dank wissen: denn sie stehen den aͤltern oft
in Nichts nach, als in den Jahren; sie erreichen ihre
Vorgaͤnger in der Kunst, und uͤbertreffen sie in poeti-
scher Behandlung. — Da sitzt unter Andern eine alte
Frau, eine sogenannte Rentenierinn, das heißt, ei-
ne vormals wohlhabende Frau vom Stande, welche durch
die Staatsbanqueroute bis zum Betteln heruntergebracht
worden ist; dabey scheint sie blind, doch ist sie noch an-
staͤndig gekleidet, ihre Zuͤge verrathen nichts Gemeines;
sie sitzt, auf ihren Stab gelehnt, vor einem Hause; vor
ihr steht ein herrlicher Knabe, dessen Kleidung auch noch
Spuren besserer Zeiten traͤgt; er ist vermuthlich ihr En-
kel. Mit einem kummervollen Gesichte und nassen Au-
gen haͤlt er bettelnd seinen Hut den Voruͤbergehenden hin.
Der Hut ist leer, und an dem Hause, an welches die Al-
te ihren Ruͤcken lehnt, liest man unter mehreren Anzei-
gen von Baͤllen, Lotterien, Konzerten, auch eine ausge-
bothene Belohnung von 25 Louis fuͤr einen verlorneu
Hund. Dieses Bild, welches herrlich gemalt ist, ent-
haͤlt eine blutige Satyre auf die franzoͤsische Revolution.
— Sehr artig fand ich auch einen Knaben, der beym
Lesen eingeschlafen ist, und ein Maͤdchen, das aus einer
Schaale Milch trinken will, von einem Kinde aber zu-
ruͤckgehalten wird, daß es nicht zu Viel trinke. Der
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