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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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Philinte von Moliere. Auch eine schöne Rolle von
Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbän-
der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche
Kostum allgemein beobachtete, so hätte ich Nichts dage-
gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke a la
Grecque erscheinen, so ist diese Mischung lächerlich und
widerlich.

Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer
ganzen königlichen Schönheit. Das Tygerfell und der
Köcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer
Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak-
teurs würden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung
nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber
ihr Spiel war sehr mittelmäßig. Jch kann hier einen
Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen übergehen.
Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich plötz-
lich im Parterre eine Pfeife hören. Das hatte sie
nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fühlte auch
lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige
geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus.
Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es
wieder stille geworden, so ertönte sein Jnstrument von
Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das
ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fürch-
terlich: a la porte! (zur Thür hinaus!) Da nun aber
der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer
auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre,
von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden-
heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der
Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich
abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Bühne,
und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß

Philinte von Moliere. Auch eine schoͤne Rolle von
Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbaͤn-
der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche
Kostum allgemein beobachtete, so haͤtte ich Nichts dage-
gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke à la
Grecque erscheinen, so ist diese Mischung laͤcherlich und
widerlich.

Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer
ganzen koͤniglichen Schoͤnheit. Das Tygerfell und der
Koͤcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer
Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak-
teurs wuͤrden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung
nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber
ihr Spiel war sehr mittelmaͤßig. Jch kann hier einen
Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen uͤbergehen.
Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich ploͤtz-
lich im Parterre eine Pfeife hoͤren. Das hatte sie
nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fuͤhlte auch
lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige
geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus.
Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es
wieder stille geworden, so ertoͤnte sein Jnstrument von
Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das
ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fuͤrch-
terlich: à la porte! (zur Thuͤr hinaus!) Da nun aber
der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer
auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre,
von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden-
heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der
Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich
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[127/0127] Philinte von Moliere. Auch eine schoͤne Rolle von Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbaͤn- der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche Kostum allgemein beobachtete, so haͤtte ich Nichts dage- gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke à la Grecque erscheinen, so ist diese Mischung laͤcherlich und widerlich. Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer ganzen koͤniglichen Schoͤnheit. Das Tygerfell und der Koͤcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak- teurs wuͤrden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber ihr Spiel war sehr mittelmaͤßig. Jch kann hier einen Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen uͤbergehen. Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich ploͤtz- lich im Parterre eine Pfeife hoͤren. Das hatte sie nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fuͤhlte auch lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus. Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es wieder stille geworden, so ertoͤnte sein Jnstrument von Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fuͤrch- terlich: à la porte! (zur Thuͤr hinaus!) Da nun aber der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre, von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden- heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Buͤhne, und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/127>, abgerufen am 27.11.2024.