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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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die Säulen zitterten. -- Während dieser ganzen Szene,
die wohl fünf Minuten dauern mochte, litt die arme
George unbeschreiblich. Sie stand mit niedergeschlagenen
Augen, gesenktem Haupte und gefaltenen Händen, und
das Blut in ihren Wangen überglühte die Schminke.
Sie war wirklich rührend schön.

L'Epreuve nouvelle von Marivaux ist ein unbedeu-
tendes Stück, wurde aber mit einem so vortrefflichen
Ensemble gegeben, daß es entzückte. Besonders war
Mamsell Mars wieder unaussprechlich liebenswürdig. Sie
ist ein Liebling des Publikums, und doch so bescheiden.
"Jch habe keine Debüts gehabt," sagte sie mir, "je me
suis glisse au theater francais mit kleinen unbedeuten-
den Rollen, und das hat jetzt den Vortheil für mich,
daß ich keine Reputation zu souteniren habe." -- Sie
ist dabei ein so sittsames Mädchen, steht in gutem Rufe,
verschmäht alle Anträge, und bleibt ihren ersten Verbin-
dungen unwandelbar getreu.

Cinna. Nach einer langen Krankheit trat Monvel zum
Erstenmal wieder auf. Er ist ein sehr braver Künstler,
doch griff die Rolle des Kaisers ihn heute noch stark an.
Schade, daß die Jahre sein Verdienst nicht respektiren.
Der erste Konsul war heute gegenwärtig, er soll Cinna
nie versäumen. Man ist neugierig, zu sehen, ob er nicht
in einer ähnlichen Lage auch sagen wird: Soyons amis,
Cinna! Mamsell George war, wie gewöhnlich, sehr schön,
und nicht vielmehr. Den Cinna spielt sonst Talma, und
man vergöttert ihn in dieser Rolle, Heute ließ er sich
von Lafond doubliren. -- Jch muß doch im Vorbeige-
hen bemerken, daß die französischen Schauspieler seit der
Revolution eine sonderbare Veränderung mit der Aus-
sprache
vorgenommen haben; sie sagen nämlich nicht

die Saͤulen zitterten. — Waͤhrend dieser ganzen Szene,
die wohl fuͤnf Minuten dauern mochte, litt die arme
George unbeschreiblich. Sie stand mit niedergeschlagenen
Augen, gesenktem Haupte und gefaltenen Haͤnden, und
das Blut in ihren Wangen uͤbergluͤhte die Schminke.
Sie war wirklich ruͤhrend schoͤn.

L'Epreuve nouvelle von Marivaux ist ein unbedeu-
tendes Stuͤck, wurde aber mit einem so vortrefflichen
Ensemble gegeben, daß es entzuͤckte. Besonders war
Mamsell Mars wieder unaussprechlich liebenswuͤrdig. Sie
ist ein Liebling des Publikums, und doch so bescheiden.
„Jch habe keine Debuͤts gehabt,“ sagte sie mir, „je me
suis glissé au théater français mit kleinen unbedeuten-
den Rollen, und das hat jetzt den Vortheil fuͤr mich,
daß ich keine Reputation zu souteniren habe.“ — Sie
ist dabei ein so sittsames Maͤdchen, steht in gutem Rufe,
verschmaͤht alle Antraͤge, und bleibt ihren ersten Verbin-
dungen unwandelbar getreu.

Cinna. Nach einer langen Krankheit trat Monvel zum
Erstenmal wieder auf. Er ist ein sehr braver Kuͤnstler,
doch griff die Rolle des Kaisers ihn heute noch stark an.
Schade, daß die Jahre sein Verdienst nicht respektiren.
Der erste Konsul war heute gegenwaͤrtig, er soll Cinna
nie versaͤumen. Man ist neugierig, zu sehen, ob er nicht
in einer aͤhnlichen Lage auch sagen wird: Soyons amis,
Cinna! Mamsell George war, wie gewoͤhnlich, sehr schoͤn,
und nicht vielmehr. Den Cinna spielt sonst Talma, und
man vergoͤttert ihn in dieser Rolle, Heute ließ er sich
von Lafond doubliren. — Jch muß doch im Vorbeige-
hen bemerken, daß die franzoͤsischen Schauspieler seit der
Revolution eine sonderbare Veraͤnderung mit der Aus-
sprache
vorgenommen haben; sie sagen naͤmlich nicht

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[128/0128] die Saͤulen zitterten. — Waͤhrend dieser ganzen Szene, die wohl fuͤnf Minuten dauern mochte, litt die arme George unbeschreiblich. Sie stand mit niedergeschlagenen Augen, gesenktem Haupte und gefaltenen Haͤnden, und das Blut in ihren Wangen uͤbergluͤhte die Schminke. Sie war wirklich ruͤhrend schoͤn. L'Epreuve nouvelle von Marivaux ist ein unbedeu- tendes Stuͤck, wurde aber mit einem so vortrefflichen Ensemble gegeben, daß es entzuͤckte. Besonders war Mamsell Mars wieder unaussprechlich liebenswuͤrdig. Sie ist ein Liebling des Publikums, und doch so bescheiden. „Jch habe keine Debuͤts gehabt,“ sagte sie mir, „je me suis glissé au théater français mit kleinen unbedeuten- den Rollen, und das hat jetzt den Vortheil fuͤr mich, daß ich keine Reputation zu souteniren habe.“ — Sie ist dabei ein so sittsames Maͤdchen, steht in gutem Rufe, verschmaͤht alle Antraͤge, und bleibt ihren ersten Verbin- dungen unwandelbar getreu. Cinna. Nach einer langen Krankheit trat Monvel zum Erstenmal wieder auf. Er ist ein sehr braver Kuͤnstler, doch griff die Rolle des Kaisers ihn heute noch stark an. Schade, daß die Jahre sein Verdienst nicht respektiren. Der erste Konsul war heute gegenwaͤrtig, er soll Cinna nie versaͤumen. Man ist neugierig, zu sehen, ob er nicht in einer aͤhnlichen Lage auch sagen wird: Soyons amis, Cinna! Mamsell George war, wie gewoͤhnlich, sehr schoͤn, und nicht vielmehr. Den Cinna spielt sonst Talma, und man vergoͤttert ihn in dieser Rolle, Heute ließ er sich von Lafond doubliren. — Jch muß doch im Vorbeige- hen bemerken, daß die franzoͤsischen Schauspieler seit der Revolution eine sonderbare Veraͤnderung mit der Aus- sprache vorgenommen haben; sie sagen naͤmlich nicht

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/128>, abgerufen am 23.11.2024.