Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

säus viele Ballette machte, die nachher vom Balletmei-
ster kunstreich ausgeführt wurden.

Saül, ein sogenanntes Pasticcio, das heißt, eine
Zusammensetzung von guten Musikstücken mehrerer Mei-
ster, machte eine vortreffliche Wirkung; besonders war
ein Chor von Händel darinn, das mich bis zu Thränen
gerührt hat. Aber diese Chöre muß man auch hören,
sie sind einzig. Abermals hatte ich Gelegenheit, die
Sorgfalt für das Zusammenpassen alles Leblosen und Le-
bendigen auf der Bühne zu bewundern. Wie schön hier
das Aufmarschiren der Truppen sich ausnimmt, das bei
uns immer an eine Heerde Gänse erinnert! Allerliebst
war der Tanz in Davids Triumphzug, wo die Kinder
tanzend Rosen streuten. -- Das Ballet, le noces de
Gamache, ist ein albernes Ding; aber Don Quixote
spielte sehr gut, und die Rosinante und Sancho Pansa's
Eselinn waren lebendige Thiere, die den Parisern große
Freude machten. -- Die Caravane von Cairo
von Gretry, hat mir ein wenig Langeweile gemacht.
Hingegen hat mich le devin du village von Rousseau
sehr interessirt. Auch das Publikum schien heute sonder-
bar bewegt, und ließ, was in der großen Oper sonst nie
geschieht, ein Lied wiederholen. Madame Branchü
ehrte das Andenken Rousseau's, indem sie mit derjeni-
gen Einfachheit sang, die er selbst gefordert hat; der Te-
norist hingegen ließ sich Schnörkel zu Schulden kom-
men, die fast immer, hier aber besonders unverzeihlich
sind. -- Semiramis, von einem jungen Komponi-
sten, der ein Zögling des Conservatoire des musique
ist, und der dieser Anstalt Ehre macht. Für das Außer-
wesentliche war wieder herrlich gesorgt. Der Donner-
schlag, der des Ninus Grab zerschmetterte, war wahr-

saͤus viele Ballette machte, die nachher vom Balletmei-
ster kunstreich ausgefuͤhrt wurden.

Sauͤl, ein sogenanntes Pasticcio, das heißt, eine
Zusammensetzung von guten Musikstuͤcken mehrerer Mei-
ster, machte eine vortreffliche Wirkung; besonders war
ein Chor von Haͤndel darinn, das mich bis zu Thraͤnen
geruͤhrt hat. Aber diese Choͤre muß man auch hoͤren,
sie sind einzig. Abermals hatte ich Gelegenheit, die
Sorgfalt fuͤr das Zusammenpassen alles Leblosen und Le-
bendigen auf der Buͤhne zu bewundern. Wie schoͤn hier
das Aufmarschiren der Truppen sich ausnimmt, das bei
uns immer an eine Heerde Gaͤnse erinnert! Allerliebst
war der Tanz in Davids Triumphzug, wo die Kinder
tanzend Rosen streuten. — Das Ballet, le noces de
Gamache, ist ein albernes Ding; aber Don Quixote
spielte sehr gut, und die Rosinante und Sancho Pansa's
Eselinn waren lebendige Thiere, die den Parisern große
Freude machten. — Die Caravane von Cairo
von Gretry, hat mir ein wenig Langeweile gemacht.
Hingegen hat mich le devin du village von Rousseau
sehr interessirt. Auch das Publikum schien heute sonder-
bar bewegt, und ließ, was in der großen Oper sonst nie
geschieht, ein Lied wiederholen. Madame Branchuͤ
ehrte das Andenken Rousseau's, indem sie mit derjeni-
gen Einfachheit sang, die er selbst gefordert hat; der Te-
norist hingegen ließ sich Schnoͤrkel zu Schulden kom-
men, die fast immer, hier aber besonders unverzeihlich
sind. — Semiramis, von einem jungen Komponi-
sten, der ein Zoͤgling des Conservatoire des musique
ist, und der dieser Anstalt Ehre macht. Fuͤr das Außer-
wesentliche war wieder herrlich gesorgt. Der Donner-
schlag, der des Ninus Grab zerschmetterte, war wahr-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0134" n="134"/>
sa&#x0364;us</hi> viele Ballette machte, die nachher vom Balletmei-<lb/>
ster kunstreich ausgefu&#x0364;hrt wurden.</p><lb/>
        <p>Sau&#x0364;l, ein sogenanntes Pasticcio, das heißt, eine<lb/>
Zusammensetzung von guten Musikstu&#x0364;cken mehrerer Mei-<lb/>
ster, machte eine vortreffliche Wirkung; besonders war<lb/>
ein Chor von <hi rendition="#g">Ha&#x0364;ndel</hi> darinn, das mich bis zu Thra&#x0364;nen<lb/>
geru&#x0364;hrt hat. Aber <hi rendition="#g">diese</hi> Cho&#x0364;re muß man auch ho&#x0364;ren,<lb/>
sie sind einzig. Abermals hatte ich Gelegenheit, die<lb/>
Sorgfalt fu&#x0364;r das Zusammenpassen alles Leblosen und Le-<lb/>
bendigen auf der Bu&#x0364;hne zu bewundern. Wie scho&#x0364;n hier<lb/>
das Aufmarschiren der Truppen sich ausnimmt, das bei<lb/>
uns immer an eine Heerde Ga&#x0364;nse erinnert! Allerliebst<lb/>
war der Tanz in Davids Triumphzug, wo die Kinder<lb/>
tanzend Rosen streuten. &#x2014; Das Ballet, le noces de<lb/>
Gamache, ist ein albernes Ding; aber <hi rendition="#g">Don Quixote</hi><lb/>
spielte sehr gut, und die Rosinante und Sancho Pansa's<lb/>
Eselinn waren lebendige Thiere, die den Parisern große<lb/>
Freude machten. &#x2014; Die <hi rendition="#g">Caravane von Cairo</hi><lb/>
von <hi rendition="#g">Gretry,</hi> hat mir ein wenig Langeweile gemacht.<lb/>
Hingegen hat mich le devin du village von Rousseau<lb/>
sehr interessirt. Auch das Publikum schien heute sonder-<lb/>
bar bewegt, und ließ, was in der großen Oper sonst nie<lb/>
geschieht, ein Lied wiederholen. Madame <hi rendition="#g">Branchu&#x0364;</hi><lb/>
ehrte das Andenken Rousseau's, indem sie mit derjeni-<lb/>
gen Einfachheit sang, die er selbst gefordert hat; der Te-<lb/>
norist hingegen ließ sich Schno&#x0364;rkel zu Schulden kom-<lb/>
men, die fast immer, hier aber besonders unverzeihlich<lb/>
sind. &#x2014; <hi rendition="#g">Semiramis,</hi> von einem jungen Komponi-<lb/>
sten, der ein Zo&#x0364;gling des Conservatoire des musique<lb/>
ist, und der dieser Anstalt Ehre macht. Fu&#x0364;r das Außer-<lb/>
wesentliche war wieder herrlich gesorgt. Der Donner-<lb/>
schlag, der des Ninus Grab zerschmetterte, war wahr-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0134] saͤus viele Ballette machte, die nachher vom Balletmei- ster kunstreich ausgefuͤhrt wurden. Sauͤl, ein sogenanntes Pasticcio, das heißt, eine Zusammensetzung von guten Musikstuͤcken mehrerer Mei- ster, machte eine vortreffliche Wirkung; besonders war ein Chor von Haͤndel darinn, das mich bis zu Thraͤnen geruͤhrt hat. Aber diese Choͤre muß man auch hoͤren, sie sind einzig. Abermals hatte ich Gelegenheit, die Sorgfalt fuͤr das Zusammenpassen alles Leblosen und Le- bendigen auf der Buͤhne zu bewundern. Wie schoͤn hier das Aufmarschiren der Truppen sich ausnimmt, das bei uns immer an eine Heerde Gaͤnse erinnert! Allerliebst war der Tanz in Davids Triumphzug, wo die Kinder tanzend Rosen streuten. — Das Ballet, le noces de Gamache, ist ein albernes Ding; aber Don Quixote spielte sehr gut, und die Rosinante und Sancho Pansa's Eselinn waren lebendige Thiere, die den Parisern große Freude machten. — Die Caravane von Cairo von Gretry, hat mir ein wenig Langeweile gemacht. Hingegen hat mich le devin du village von Rousseau sehr interessirt. Auch das Publikum schien heute sonder- bar bewegt, und ließ, was in der großen Oper sonst nie geschieht, ein Lied wiederholen. Madame Branchuͤ ehrte das Andenken Rousseau's, indem sie mit derjeni- gen Einfachheit sang, die er selbst gefordert hat; der Te- norist hingegen ließ sich Schnoͤrkel zu Schulden kom- men, die fast immer, hier aber besonders unverzeihlich sind. — Semiramis, von einem jungen Komponi- sten, der ein Zoͤgling des Conservatoire des musique ist, und der dieser Anstalt Ehre macht. Fuͤr das Außer- wesentliche war wieder herrlich gesorgt. Der Donner- schlag, der des Ninus Grab zerschmetterte, war wahr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/134
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/134>, abgerufen am 15.05.2024.