glücklich zur großen Oper umgestaltet, und wenn Mehül, der sie komponiren wird, sie eben so reich mit den Schä- tzen seiner Phantasie ausstattet, als diesen Adrian, so kann die Wirkung nicht fehlen.
Anakreon von Cherubini ist ein langweiliges Produkt, das allenfalls den Stoff zu einem Operettchen, nicht aber zu einer großen Oper enthält. Wäre diese nicht durch allerlei Nebenwerk so prächtig aufgeputzt, es wäre kaum der Mühe werth einmal hinzugehen. -- Das Urtheil des Paris, ein großes Ballet von Gerdel, ist schlecht erfunden, und eben so langweilig in seiner Art, wie der Anakreon. Der erste Akt gehört nicht zum Ganzen, denn er besteht bloß aus einem Schäferspiel, wo Paris sich mit einer Menge Mädchen recht artig neckt, und am Ende einen Löwen erlegt, der in die Heerde gefallen ist. -- Als ich nach Berlin zu- rück kam, freute ich mich, das schon in Paris gefällte Urtheil auffallend bestättigt zu finden. Denn als man auch hier den Paris gab, machte man ad libitum, den ersten Akt zum zweiten, und den zweiten zum ersten, welches wohl der sicherste Beweis ist, daß der erste aus einem angeflickten hors d'oeuvre besteht. -- Wenn werden die Balletmeister anfangen, (im Fall sie nicht selbst Dichter sind,) sich bloß auf die Ausführung einzuschränken, nicht aber mit der Erfindung sich zu be- fassen? -- die letztere sollte stets einem guten Dichter überlassen bleiben, denn ein guter Plan zu einem Ballet ist eben so schwer zu entwerfen, als der zu einem Schau- spiele, und ist im Grunde dasselbe. Weniger ist viel- leicht bekannt, daß, als die Musen einst in Weimar sich niederließen, weil Eine ihrer Schwestern da regierte, (es sind nun über 30 Jahre) damals der selige Mu-
gluͤcklich zur großen Oper umgestaltet, und wenn Mehuͤl, der sie komponiren wird, sie eben so reich mit den Schaͤ- tzen seiner Phantasie ausstattet, als diesen Adrian, so kann die Wirkung nicht fehlen.
Anakreon von Cherubini ist ein langweiliges Produkt, das allenfalls den Stoff zu einem Operettchen, nicht aber zu einer großen Oper enthaͤlt. Waͤre diese nicht durch allerlei Nebenwerk so praͤchtig aufgeputzt, es waͤre kaum der Muͤhe werth einmal hinzugehen. — Das Urtheil des Paris, ein großes Ballet von Gerdel, ist schlecht erfunden, und eben so langweilig in seiner Art, wie der Anakreon. Der erste Akt gehoͤrt nicht zum Ganzen, denn er besteht bloß aus einem Schaͤferspiel, wo Paris sich mit einer Menge Maͤdchen recht artig neckt, und am Ende einen Loͤwen erlegt, der in die Heerde gefallen ist. — Als ich nach Berlin zu- ruͤck kam, freute ich mich, das schon in Paris gefaͤllte Urtheil auffallend bestaͤttigt zu finden. Denn als man auch hier den Paris gab, machte man ad libitum, den ersten Akt zum zweiten, und den zweiten zum ersten, welches wohl der sicherste Beweis ist, daß der erste aus einem angeflickten hors d'oeuvre besteht. — Wenn werden die Balletmeister anfangen, (im Fall sie nicht selbst Dichter sind,) sich bloß auf die Ausfuͤhrung einzuschraͤnken, nicht aber mit der Erfindung sich zu be- fassen? — die letztere sollte stets einem guten Dichter uͤberlassen bleiben, denn ein guter Plan zu einem Ballet ist eben so schwer zu entwerfen, als der zu einem Schau- spiele, und ist im Grunde dasselbe. Weniger ist viel- leicht bekannt, daß, als die Musen einst in Weimar sich niederließen, weil Eine ihrer Schwestern da regierte, (es sind nun uͤber 30 Jahre) damals der selige Mu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0133"n="133"/>
gluͤcklich zur großen Oper umgestaltet, und wenn Mehuͤl,<lb/>
der sie komponiren wird, sie eben so reich mit den Schaͤ-<lb/>
tzen seiner Phantasie ausstattet, als diesen Adrian, so<lb/>
kann die Wirkung nicht fehlen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Anakreon</hi> von <hirendition="#g">Cherubini</hi> ist ein langweiliges<lb/>
Produkt, das allenfalls den Stoff zu einem Operettchen,<lb/>
nicht aber zu einer großen Oper enthaͤlt. Waͤre diese<lb/>
nicht durch allerlei Nebenwerk so praͤchtig aufgeputzt, es<lb/>
waͤre kaum der Muͤhe werth <hirendition="#g">einmal</hi> hinzugehen. —<lb/>
Das <hirendition="#g">Urtheil</hi> des <hirendition="#g">Paris,</hi> ein großes Ballet von<lb/><hirendition="#g">Gerdel,</hi> ist schlecht erfunden, und eben so langweilig<lb/>
in seiner Art, wie der Anakreon. Der erste Akt gehoͤrt<lb/>
nicht zum Ganzen, denn er besteht bloß aus einem<lb/>
Schaͤferspiel, wo Paris sich mit einer Menge Maͤdchen<lb/>
recht artig neckt, und am Ende einen Loͤwen erlegt, der<lb/>
in die Heerde gefallen ist. — Als ich nach Berlin zu-<lb/>
ruͤck kam, freute ich mich, das schon in Paris gefaͤllte<lb/>
Urtheil auffallend bestaͤttigt zu finden. Denn als man<lb/>
auch hier den Paris gab, machte man ad libitum, den<lb/>
ersten Akt zum zweiten, und den zweiten zum ersten,<lb/>
welches wohl der sicherste Beweis ist, daß der erste aus<lb/>
einem angeflickten hors d'oeuvre besteht. — Wenn<lb/>
werden die Balletmeister anfangen, (im Fall sie nicht<lb/>
selbst Dichter sind,) sich bloß auf die <hirendition="#g">Ausfuͤhrung</hi><lb/>
einzuschraͤnken, nicht aber mit der Erfindung sich zu be-<lb/>
fassen? — die letztere sollte stets einem guten Dichter<lb/>
uͤberlassen bleiben, denn ein guter Plan zu einem Ballet<lb/>
ist eben so schwer zu entwerfen, als der zu einem Schau-<lb/>
spiele, und ist im Grunde dasselbe. Weniger ist viel-<lb/>
leicht bekannt, daß, als die Musen einst in <hirendition="#g">Weimar</hi><lb/>
sich niederließen, weil Eine ihrer Schwestern da regierte,<lb/>
(es sind nun uͤber 30 Jahre) damals der selige <hirendition="#g">Mu-<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[133/0133]
gluͤcklich zur großen Oper umgestaltet, und wenn Mehuͤl,
der sie komponiren wird, sie eben so reich mit den Schaͤ-
tzen seiner Phantasie ausstattet, als diesen Adrian, so
kann die Wirkung nicht fehlen.
Anakreon von Cherubini ist ein langweiliges
Produkt, das allenfalls den Stoff zu einem Operettchen,
nicht aber zu einer großen Oper enthaͤlt. Waͤre diese
nicht durch allerlei Nebenwerk so praͤchtig aufgeputzt, es
waͤre kaum der Muͤhe werth einmal hinzugehen. —
Das Urtheil des Paris, ein großes Ballet von
Gerdel, ist schlecht erfunden, und eben so langweilig
in seiner Art, wie der Anakreon. Der erste Akt gehoͤrt
nicht zum Ganzen, denn er besteht bloß aus einem
Schaͤferspiel, wo Paris sich mit einer Menge Maͤdchen
recht artig neckt, und am Ende einen Loͤwen erlegt, der
in die Heerde gefallen ist. — Als ich nach Berlin zu-
ruͤck kam, freute ich mich, das schon in Paris gefaͤllte
Urtheil auffallend bestaͤttigt zu finden. Denn als man
auch hier den Paris gab, machte man ad libitum, den
ersten Akt zum zweiten, und den zweiten zum ersten,
welches wohl der sicherste Beweis ist, daß der erste aus
einem angeflickten hors d'oeuvre besteht. — Wenn
werden die Balletmeister anfangen, (im Fall sie nicht
selbst Dichter sind,) sich bloß auf die Ausfuͤhrung
einzuschraͤnken, nicht aber mit der Erfindung sich zu be-
fassen? — die letztere sollte stets einem guten Dichter
uͤberlassen bleiben, denn ein guter Plan zu einem Ballet
ist eben so schwer zu entwerfen, als der zu einem Schau-
spiele, und ist im Grunde dasselbe. Weniger ist viel-
leicht bekannt, daß, als die Musen einst in Weimar
sich niederließen, weil Eine ihrer Schwestern da regierte,
(es sind nun uͤber 30 Jahre) damals der selige Mu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/133>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.