Oder man ruft auch wohl: a la porte! -- Den Rü- cken darf man in den Logen dem Publikum auch nicht zukehren, sonst heißt es gleich: Ne tournez pas le dos, c'est vilain! -- Eine Parodie des Agamemnon machte, während meines Aufenthalts, auf dieser Bühne viel Glück. Die Fehler des Stücks waren mit Witz ge- rügt, und mehrere Couplets sehr artig. Der Harlekin, Laporte, machte Talma's Spiel sehr gut nach. Als ich die Rosse sah, war auch gerade Mamsell Düchesnois gegenwärtig, und sah sich selbst als Elytemnestra paro- diren, machte aber gute, lachende Miene zum bösen Spiele.
Die genannten Theater sind die vornehmsten in Pa- ris, diejenigen, zu welchen die schöne Welt ausschließ- lich wallfahrtet. Jch kann nicht umhin, dankbar zu er- wähnen, daß sie sämmtlich gewetteifert haben, mir münd- lich und schriftlich auf die schmeichelhafteste Weise den freien Eintritt in ihre Säle und zu ihren Bühnen anzu- tragen, und obwohl bei einem kurzen Aufenthalte eine sol- che Freiheit gerade als ersparte Ausgabe nicht in Betrach- tung kommt, so ist sie doch ein Beweis von Achtung, der mir um so auffallender war, da ich kurz vorher in einigen Städten meines Vaterlandes, um meine eigne Stücke zu sehen, hatte bezahlen müssen.
7) Das Theatre Montansier im Palais royal führt bekanntlich nur Possen auf, und Brünet ist aller- dings ein trefflicher Possenreißer, den man schwerlich oh- ne Lachen sehen wird. Besonders als Jocrisse, ein Ka- rakter, der dem italiänischen Pierrot auf ein Haar gleicht, ein tölpischer Mensch, der Alles verderbt, indem er alles gut machen will. Jocrissen's Verzweiflung ist auch unter uns schon bekannt. Es giebt aber noch eine
Oder man ruft auch wohl: à la porte! — Den Ruͤ- cken darf man in den Logen dem Publikum auch nicht zukehren, sonst heißt es gleich: Ne tournez pas le dos, c'est vilain! — Eine Parodie des Agamemnon machte, waͤhrend meines Aufenthalts, auf dieser Buͤhne viel Gluͤck. Die Fehler des Stuͤcks waren mit Witz ge- ruͤgt, und mehrere Couplets sehr artig. Der Harlekin, Laporte, machte Talma's Spiel sehr gut nach. Als ich die Rosse sah, war auch gerade Mamsell Duͤchesnois gegenwaͤrtig, und sah sich selbst als Elytemnestra paro- diren, machte aber gute, lachende Miene zum boͤsen Spiele.
Die genannten Theater sind die vornehmsten in Pa- ris, diejenigen, zu welchen die schoͤne Welt ausschließ- lich wallfahrtet. Jch kann nicht umhin, dankbar zu er- waͤhnen, daß sie saͤmmtlich gewetteifert haben, mir muͤnd- lich und schriftlich auf die schmeichelhafteste Weise den freien Eintritt in ihre Saͤle und zu ihren Buͤhnen anzu- tragen, und obwohl bei einem kurzen Aufenthalte eine sol- che Freiheit gerade als ersparte Ausgabe nicht in Betrach- tung kommt, so ist sie doch ein Beweis von Achtung, der mir um so auffallender war, da ich kurz vorher in einigen Staͤdten meines Vaterlandes, um meine eigne Stuͤcke zu sehen, hatte bezahlen muͤssen.
7) Das Theatre Montansier im Palais royal fuͤhrt bekanntlich nur Possen auf, und Bruͤnet ist aller- dings ein trefflicher Possenreißer, den man schwerlich oh- ne Lachen sehen wird. Besonders als Jocrisse, ein Ka- rakter, der dem italiaͤnischen Pierrot auf ein Haar gleicht, ein toͤlpischer Mensch, der Alles verderbt, indem er alles gut machen will. Jocrissen's Verzweiflung ist auch unter uns schon bekannt. Es giebt aber noch eine
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Oder man ruft auch wohl: à la porte! — Den Ruͤ-
cken darf man in den Logen dem Publikum auch nicht
zukehren, sonst heißt es gleich: Ne tournez pas le dos,
c'est vilain! — Eine Parodie des Agamemnon
machte, waͤhrend meines Aufenthalts, auf dieser Buͤhne
viel Gluͤck. Die Fehler des Stuͤcks waren mit Witz ge-
ruͤgt, und mehrere Couplets sehr artig. Der Harlekin,
Laporte, machte Talma's Spiel sehr gut nach. Als ich
die Rosse sah, war auch gerade Mamsell Duͤchesnois
gegenwaͤrtig, und sah sich selbst als Elytemnestra paro-
diren, machte aber gute, lachende Miene zum boͤsen
Spiele.
Die genannten Theater sind die vornehmsten in Pa-
ris, diejenigen, zu welchen die schoͤne Welt ausschließ-
lich wallfahrtet. Jch kann nicht umhin, dankbar zu er-
waͤhnen, daß sie saͤmmtlich gewetteifert haben, mir muͤnd-
lich und schriftlich auf die schmeichelhafteste Weise den
freien Eintritt in ihre Saͤle und zu ihren Buͤhnen anzu-
tragen, und obwohl bei einem kurzen Aufenthalte eine sol-
che Freiheit gerade als ersparte Ausgabe nicht in Betrach-
tung kommt, so ist sie doch ein Beweis von Achtung,
der mir um so auffallender war, da ich kurz vorher in
einigen Staͤdten meines Vaterlandes, um meine eigne
Stuͤcke zu sehen, hatte bezahlen muͤssen.
7) Das Theatre Montansier im Palais royal fuͤhrt
bekanntlich nur Possen auf, und Bruͤnet ist aller-
dings ein trefflicher Possenreißer, den man schwerlich oh-
ne Lachen sehen wird. Besonders als Jocrisse, ein Ka-
rakter, der dem italiaͤnischen Pierrot auf ein Haar gleicht,
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gut machen will. Jocrissen's Verzweiflung ist
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/141>, abgerufen am 17.02.2025.
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