Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.reiten sie, und Einige schwimmen sogar. Kurz, die Seit der Revolution scheint die Einbildungskraft der reiten sie, und Einige schwimmen sogar. Kurz, die Seit der Revolution scheint die Einbildungskraft der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="153"/><hi rendition="#g">reiten</hi> sie, und Einige <hi rendition="#g">schwimmen</hi> sogar. Kurz, die<lb/> rohen Maͤnner haben das zarte Geschlecht zu sich herun-<lb/> tergezogen. Jch meyne aber, unsere schoͤne Muͤtter und<lb/> Großmuͤtter hatten gar nicht Unrecht in diesem Punkte<lb/> auf <hi rendition="#g">Ziererei</hi> zu halten, denn Goͤtter und Frauenzim-<lb/> mer muͤssen, um sich den Respekt zu erhalten, keine sinn-<lb/> liche Beduͤrfnisse sich abmerken lassen. Die Geliebte<lb/> denkt man sich immer als ein geistiges Wesen, und es<lb/> thut ordentlich weh, wenn man sie mit <hi rendition="#g">großem</hi> Appe-<lb/> tit essen sieht.</p><lb/> <p>Seit der Revolution scheint die Einbildungskraft der<lb/> Maler eine duͤstere Farbe angenommen zu haben. <hi rendition="#g">Gue-<lb/> rin</hi>'s Marcus Sextus, <hi rendition="#g">Davids</hi> Brutus, <hi rendition="#g">Gerards</hi><lb/> Belisar u. s. w. haben das schon bewiesen. Einst sah<lb/> ich auch bei dem Dichter <hi rendition="#g">Arnault</hi> eine herrliche große<lb/> Zeichnung, die einen neuen Beleg dazu liefert. Aus der<lb/> stuͤrmischen See ragt eine Reihe von Klippen hervor, kein<lb/> Land in der Ferne. Auf eine der Klippen hat sich ein<lb/> Mann aus dem Schiffbruch gerettet, vor ihm liegen sein<lb/> Weib und sein Kind, beide <hi rendition="#g">todt.</hi> Fuͤr ihn selbst zeigt<lb/> sich weit und breit weder Rettung noch Hilfe. Er ist<lb/> nackt und bloß, doch das fuͤhlt er in diesem graͤßlichen<lb/> Augenblicke nicht. Er kniet mit starrem Auge vor Weib<lb/> und Kind, und hat die eine Hand auf die Frau gelegt,<lb/> um zu fuͤhlen, ob noch Leben in ihr sey. Der Blick der<lb/> Verzweiflung sagt <hi rendition="#g">nein!</hi> — Jch moͤchte die Zeichnung<lb/> nicht in meinem Wohnzimmer haͤngen haben, sie erregt<lb/> Grausen und Wehmuth. — Abermals ein Beweis, daß<lb/> die franzoͤsischen Maler gute <hi rendition="#g">Dichter</hi> sind; unsere teut-<lb/> sche Propylaͤisten sind bloße <hi rendition="#g">Kuͤnstler.</hi></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [153/0153]
reiten sie, und Einige schwimmen sogar. Kurz, die
rohen Maͤnner haben das zarte Geschlecht zu sich herun-
tergezogen. Jch meyne aber, unsere schoͤne Muͤtter und
Großmuͤtter hatten gar nicht Unrecht in diesem Punkte
auf Ziererei zu halten, denn Goͤtter und Frauenzim-
mer muͤssen, um sich den Respekt zu erhalten, keine sinn-
liche Beduͤrfnisse sich abmerken lassen. Die Geliebte
denkt man sich immer als ein geistiges Wesen, und es
thut ordentlich weh, wenn man sie mit großem Appe-
tit essen sieht.
Seit der Revolution scheint die Einbildungskraft der
Maler eine duͤstere Farbe angenommen zu haben. Gue-
rin's Marcus Sextus, Davids Brutus, Gerards
Belisar u. s. w. haben das schon bewiesen. Einst sah
ich auch bei dem Dichter Arnault eine herrliche große
Zeichnung, die einen neuen Beleg dazu liefert. Aus der
stuͤrmischen See ragt eine Reihe von Klippen hervor, kein
Land in der Ferne. Auf eine der Klippen hat sich ein
Mann aus dem Schiffbruch gerettet, vor ihm liegen sein
Weib und sein Kind, beide todt. Fuͤr ihn selbst zeigt
sich weit und breit weder Rettung noch Hilfe. Er ist
nackt und bloß, doch das fuͤhlt er in diesem graͤßlichen
Augenblicke nicht. Er kniet mit starrem Auge vor Weib
und Kind, und hat die eine Hand auf die Frau gelegt,
um zu fuͤhlen, ob noch Leben in ihr sey. Der Blick der
Verzweiflung sagt nein! — Jch moͤchte die Zeichnung
nicht in meinem Wohnzimmer haͤngen haben, sie erregt
Grausen und Wehmuth. — Abermals ein Beweis, daß
die franzoͤsischen Maler gute Dichter sind; unsere teut-
sche Propylaͤisten sind bloße Kuͤnstler.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |