Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.gung, die aus seinem nassen Auge spricht: "Jch bin ge- Unter manchen andern Vorzügen, die selbst Feinde Der Verfasser eines Schauspiels oder der Komponist gung, die aus seinem nassen Auge spricht: „Jch bin ge- Unter manchen andern Vorzuͤgen, die selbst Feinde Der Verfasser eines Schauspiels oder der Komponist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="161"/> gung, die aus seinem nassen Auge spricht: „Jch bin ge-<lb/> „wiß, daß bei der Stelle in Ludwigs Testament, wo er<lb/> „von ames sensibles spricht, er auch an mich gedacht<lb/> „hat.“ — Jch beneide den braven Mann um dieses<lb/> schoͤne Bewußtseyn.</p><lb/> <p>Unter manchen andern Vorzuͤgen, die selbst Feinde<lb/> den Franzosen nicht absprechen koͤnnen, ist einer der schoͤn-<lb/> sten der freigebige Enthusiasmus, mit dem sie Genie<lb/> und Kunst aufmuntern und belohnen. Musik, Malerei,<lb/> dramatische Dichtkunst und Schauspielkunst sind hier nicht,<lb/> wie an den meisten Orten Teutschlands, wandernde Pil-<lb/> ger, die blos geduldet werden, und allenfalls froh seyn<lb/> moͤgen, wenn man sie nicht hindert, ihr Stuͤckchen Brod<lb/> muͤhselig zu gewinnen; sie werden geehrt, geliebt, ge-<lb/> schaͤtzt, man hat es der <hi rendition="#g">Muͤhe werth</hi> gehalten, <hi rendition="#g">Ge-<lb/> setze</hi> ihrentwegen zu machen; kein <hi rendition="#g">Nachdrucker-<lb/> Raubgesindel</hi> darf sich an den Fruͤchten des Genies<lb/> vergreifen. Jeder aͤrntet da, wo er gesaͤet hat, und zwar,<lb/> wenn die Aussaat anders gut war, so darf er sicher seyn,<lb/> daß der Boden ihm reichlich tragen werde. Bei uns ist<lb/> es umgekehrt; je besser die Aussaat, je schneller sammeln<lb/> sich die Raubvoͤgel auf allen Baͤumen umher, wie auf<lb/> Robinson Crusoe's Jnsel, und kaum hat der Saͤemann<lb/> den Ruͤcken gekehrt, so lagert sich die verzehrende Wolke.</p><lb/> <p>Der Verfasser eines Schauspiels oder der Komponist<lb/> einer Oper werden in Frankreich folgendermaßen behan-<lb/> delt. Jede Einnahme wird in drei Theile getheilt, und<lb/> von einem <hi rendition="#g">Drittel</hi> erhalten sie das <hi rendition="#g">Siebentel.</hi> Das<lb/> scheint wenig, aber — sie erhalten dieses Siebentel nicht<lb/><hi rendition="#g">einmal,</hi> sondern so lange sie leben, und ihre Erben<lb/> noch <hi rendition="#g">zehn Jahre nach ihrem Tode;</hi> sie empfan-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0161]
gung, die aus seinem nassen Auge spricht: „Jch bin ge-
„wiß, daß bei der Stelle in Ludwigs Testament, wo er
„von ames sensibles spricht, er auch an mich gedacht
„hat.“ — Jch beneide den braven Mann um dieses
schoͤne Bewußtseyn.
Unter manchen andern Vorzuͤgen, die selbst Feinde
den Franzosen nicht absprechen koͤnnen, ist einer der schoͤn-
sten der freigebige Enthusiasmus, mit dem sie Genie
und Kunst aufmuntern und belohnen. Musik, Malerei,
dramatische Dichtkunst und Schauspielkunst sind hier nicht,
wie an den meisten Orten Teutschlands, wandernde Pil-
ger, die blos geduldet werden, und allenfalls froh seyn
moͤgen, wenn man sie nicht hindert, ihr Stuͤckchen Brod
muͤhselig zu gewinnen; sie werden geehrt, geliebt, ge-
schaͤtzt, man hat es der Muͤhe werth gehalten, Ge-
setze ihrentwegen zu machen; kein Nachdrucker-
Raubgesindel darf sich an den Fruͤchten des Genies
vergreifen. Jeder aͤrntet da, wo er gesaͤet hat, und zwar,
wenn die Aussaat anders gut war, so darf er sicher seyn,
daß der Boden ihm reichlich tragen werde. Bei uns ist
es umgekehrt; je besser die Aussaat, je schneller sammeln
sich die Raubvoͤgel auf allen Baͤumen umher, wie auf
Robinson Crusoe's Jnsel, und kaum hat der Saͤemann
den Ruͤcken gekehrt, so lagert sich die verzehrende Wolke.
Der Verfasser eines Schauspiels oder der Komponist
einer Oper werden in Frankreich folgendermaßen behan-
delt. Jede Einnahme wird in drei Theile getheilt, und
von einem Drittel erhalten sie das Siebentel. Das
scheint wenig, aber — sie erhalten dieses Siebentel nicht
einmal, sondern so lange sie leben, und ihre Erben
noch zehn Jahre nach ihrem Tode; sie empfan-
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