Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.kel, Literatur und schönen Künsten ins Tageslicht hin- Der freie Ton an öffentlichen Orten, wo alle Klas- kel, Literatur und schoͤnen Kuͤnsten ins Tageslicht hin- Der freie Ton an oͤffentlichen Orten, wo alle Klas- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="177"/> kel, Literatur und schoͤnen Kuͤnsten ins Tageslicht hin-<lb/> ein, macht durch einen Calembourg einen wuͤrdigen Ge-<lb/> lehrten laͤcherlich, unterbricht das interessanteste Gespraͤch<lb/> von soliden Dingen durch alberne Kleinigkeiten, <hi rendition="#g">mysti-<lb/> fizirt,</hi> wenn es darauf ankommt, seinen eigenen Va-<lb/> ter, ruͤhmt sich, das neueste Stuͤck ausgepfiffen zu haben,<lb/> und was dergleichen modische Heldenthaten mehr sind. —<lb/> Vom <hi rendition="#g">Walzen</hi> giebt er, sich selbst zuerst belachend, eine<lb/> Definition: „Es ist ein vertrauter Tanz,“ sagt er, „der<lb/> „die Amalgamation beider Taͤnzer erfodert, und dahin<lb/> „fließt wie Oel auf einem glatten Marmor.“ — Er-<lb/> blickt er beim Souper einen jener Aepfelkuchen, den die<lb/> Franzosen <hi rendition="#g">Charlotte</hi> nennen, so bemerkt er sehr wi-<lb/> tzig: „Jch moͤchte wohl der <hi rendition="#g">Werther</hi> dieser <hi rendition="#g">Charlotte</hi><lb/> seyn.“ — Es giebt Menschen, die sich uͤber einen solchen<lb/> aufgeblasenen Jungen aͤrgern koͤnnen, ich selbst aͤrgerte<lb/> mich vormals, doch schon seit langer Zeit hab' ich ein<lb/> treffliches Mittel dagegen: ich denke mir naͤmlich, wel-<lb/> che Rolle dieser Mensch nach 10 oder 15 Jahren spielen<lb/> wird? Und dann tritt jedesmal Mitleid an die Stelle<lb/> des Aergers.</p><lb/> <p>Der freie Ton an oͤffentlichen Orten, wo alle Klas-<lb/> sen gemischt sind, lockt natuͤrlich eine Menge junger Leute<lb/> dahin, die sich gar keinen Zwang auflegen moͤgen, und<lb/> die finden hier ihre <hi rendition="#g">Schule der Hoͤflichkeit.</hi> Ma-<lb/> dame <hi rendition="#g">Recamier</hi> kam einst nach <hi rendition="#g">Fraskati</hi> und be-<lb/> zahlte bei dieser Gelegenheit das Vergnuͤgen schoͤn zu<lb/> seyn ziemlich theuer. Man litt mit ihr, wenn man sah,<lb/> wie sie in der Menge herum schwamm, sich hin und<lb/> her wandte, dem Erdruͤcken zu entrennen suchte. Man<lb/> stieg auf die Stuͤhle, um sie zu sehen, die Haͤlse verlaͤn-<lb/> gerten sich, die Letztern draͤngten die Vordern, und ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0177]
kel, Literatur und schoͤnen Kuͤnsten ins Tageslicht hin-
ein, macht durch einen Calembourg einen wuͤrdigen Ge-
lehrten laͤcherlich, unterbricht das interessanteste Gespraͤch
von soliden Dingen durch alberne Kleinigkeiten, mysti-
fizirt, wenn es darauf ankommt, seinen eigenen Va-
ter, ruͤhmt sich, das neueste Stuͤck ausgepfiffen zu haben,
und was dergleichen modische Heldenthaten mehr sind. —
Vom Walzen giebt er, sich selbst zuerst belachend, eine
Definition: „Es ist ein vertrauter Tanz,“ sagt er, „der
„die Amalgamation beider Taͤnzer erfodert, und dahin
„fließt wie Oel auf einem glatten Marmor.“ — Er-
blickt er beim Souper einen jener Aepfelkuchen, den die
Franzosen Charlotte nennen, so bemerkt er sehr wi-
tzig: „Jch moͤchte wohl der Werther dieser Charlotte
seyn.“ — Es giebt Menschen, die sich uͤber einen solchen
aufgeblasenen Jungen aͤrgern koͤnnen, ich selbst aͤrgerte
mich vormals, doch schon seit langer Zeit hab' ich ein
treffliches Mittel dagegen: ich denke mir naͤmlich, wel-
che Rolle dieser Mensch nach 10 oder 15 Jahren spielen
wird? Und dann tritt jedesmal Mitleid an die Stelle
des Aergers.
Der freie Ton an oͤffentlichen Orten, wo alle Klas-
sen gemischt sind, lockt natuͤrlich eine Menge junger Leute
dahin, die sich gar keinen Zwang auflegen moͤgen, und
die finden hier ihre Schule der Hoͤflichkeit. Ma-
dame Recamier kam einst nach Fraskati und be-
zahlte bei dieser Gelegenheit das Vergnuͤgen schoͤn zu
seyn ziemlich theuer. Man litt mit ihr, wenn man sah,
wie sie in der Menge herum schwamm, sich hin und
her wandte, dem Erdruͤcken zu entrennen suchte. Man
stieg auf die Stuͤhle, um sie zu sehen, die Haͤlse verlaͤn-
gerten sich, die Letztern draͤngten die Vordern, und ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |