Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Sache aufgeben, es reue sie, sie wollten Nichts weiter
darmit zu thun haben. "Warum," so apostrophirten sie
den Angeber sehr feierlich, "warum sagtet ihr diesen
"nicht, was ihr vorhattet? Traten diese auch bei, so
"so mußten die Uebrigen von selbst auseinander gehn,
"und vierzehn Hausväter wären nicht in dieses
unabsehbare Elend gestürzt worden."

Duclos stotterte und wußte Nichts zu erwiedern.
Ein allgemeines Gemurmel des Unwillens unter dem
Volke antwortete statt seiner.

Der erste Delinquent war ein kecker Patron, er
läugnete Alles frisch weg trotz der bündigsten Beweise.
Seine immer wiederholte und einzige Antwort war: Jch
weis von allem Dem Nichts. Der zweite machte es beina-
he eben so. Der Richter verstand aber das Fragen sehr
gut, und verwickelte die Läugner oft in ihre eigene Aus-
sagen. -- Der Dritte erzählte die ganze Geschichte sehr
aufrichtig, und wurde einigemal von seinen Thränen un-
terbrochen. Nachdem er die Erzählung vollendet hatte,
fügte er die rührenden Worte hinzu: "Zu meiner Ent-
"schuldigung weis ich weiter Nichts zu sagen, als: Jch
"kam aus St. Domingo, hatte Alles verloren, Niemand
"wollte mir helfen, und meine Kinder hungerten." --
Der Mensch war gewiß mehr Unglücklicher als Böse-
wicht. -- Die Meisten wurden verdammt, mit ei-
nem F. auf der Schulter gebrandmarket zu werden und
sechs Jahre Ketten zu tragen. Ob, wenn diese sechs
Jahre um sind, der Monsieur Duclos nicht noch die Fol-
gen seiner Angeberei spüren wird, steht zu erwarten. Die
Delinquenten schienen sehr erbittert gegen ihn und das
Volk nicht minder. Es war sehr merklich, daß es, vor
dem Richterstuhle des Gewissens, ihn für strafbarer hielt,
als Jene.

Sache aufgeben, es reue sie, sie wollten Nichts weiter
darmit zu thun haben. „Warum,“ so apostrophirten sie
den Angeber sehr feierlich, „warum sagtet ihr diesen
„nicht, was ihr vorhattet? Traten diese auch bei, so
„so mußten die Uebrigen von selbst auseinander gehn,
„und vierzehn Hausvaͤter waͤren nicht in dieses
unabsehbare Elend gestuͤrzt worden.“

Duclos stotterte und wußte Nichts zu erwiedern.
Ein allgemeines Gemurmel des Unwillens unter dem
Volke antwortete statt seiner.

Der erste Delinquent war ein kecker Patron, er
laͤugnete Alles frisch weg trotz der buͤndigsten Beweise.
Seine immer wiederholte und einzige Antwort war: Jch
weis von allem Dem Nichts. Der zweite machte es beina-
he eben so. Der Richter verstand aber das Fragen sehr
gut, und verwickelte die Laͤugner oft in ihre eigene Aus-
sagen. — Der Dritte erzaͤhlte die ganze Geschichte sehr
aufrichtig, und wurde einigemal von seinen Thraͤnen un-
terbrochen. Nachdem er die Erzaͤhlung vollendet hatte,
fuͤgte er die ruͤhrenden Worte hinzu: „Zu meiner Ent-
„schuldigung weis ich weiter Nichts zu sagen, als: Jch
„kam aus St. Domingo, hatte Alles verloren, Niemand
„wollte mir helfen, und meine Kinder hungerten.“ —
Der Mensch war gewiß mehr Ungluͤcklicher als Boͤse-
wicht. — Die Meisten wurden verdammt, mit ei-
nem F. auf der Schulter gebrandmarket zu werden und
sechs Jahre Ketten zu tragen. Ob, wenn diese sechs
Jahre um sind, der Monsieur Duclos nicht noch die Fol-
gen seiner Angeberei spuͤren wird, steht zu erwarten. Die
Delinquenten schienen sehr erbittert gegen ihn und das
Volk nicht minder. Es war sehr merklich, daß es, vor
dem Richterstuhle des Gewissens, ihn fuͤr strafbarer hielt,
als Jene.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="27"/>
Sache aufgeben, es reue sie, sie wollten Nichts weiter<lb/>
darmit zu thun haben. &#x201E;Warum,&#x201C; so apostrophirten sie<lb/>
den Angeber sehr feierlich, &#x201E;warum sagtet ihr <hi rendition="#g">diesen</hi><lb/>
&#x201E;nicht, was ihr vorhattet? Traten diese auch bei, so<lb/>
&#x201E;so mußten die Uebrigen von selbst auseinander gehn,<lb/>
&#x201E;und <hi rendition="#g">vierzehn Hausva&#x0364;ter</hi> wa&#x0364;ren nicht in dieses<lb/>
unabsehbare Elend gestu&#x0364;rzt worden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Duclos stotterte und wußte Nichts zu erwiedern.<lb/>
Ein allgemeines Gemurmel des Unwillens unter dem<lb/>
Volke antwortete statt seiner.</p><lb/>
        <p>Der erste Delinquent war ein kecker Patron, er<lb/>
la&#x0364;ugnete Alles frisch weg trotz der bu&#x0364;ndigsten Beweise.<lb/>
Seine immer wiederholte und einzige Antwort war: Jch<lb/>
weis von allem Dem Nichts. Der zweite machte es beina-<lb/>
he eben so. Der Richter verstand aber das Fragen sehr<lb/>
gut, und verwickelte die La&#x0364;ugner oft in ihre eigene Aus-<lb/>
sagen. &#x2014; Der Dritte erza&#x0364;hlte die ganze Geschichte sehr<lb/>
aufrichtig, und wurde einigemal von seinen Thra&#x0364;nen un-<lb/>
terbrochen. Nachdem er die Erza&#x0364;hlung vollendet hatte,<lb/>
fu&#x0364;gte er die ru&#x0364;hrenden Worte hinzu: &#x201E;Zu meiner Ent-<lb/>
&#x201E;schuldigung weis ich weiter Nichts zu sagen, als: Jch<lb/>
&#x201E;kam aus St. Domingo, hatte Alles verloren, Niemand<lb/>
&#x201E;wollte mir helfen, und meine Kinder hungerten.&#x201C; &#x2014;<lb/>
Der Mensch war gewiß mehr Unglu&#x0364;cklicher als Bo&#x0364;se-<lb/>
wicht. &#x2014; Die Meisten wurden verdammt, mit ei-<lb/>
nem F. auf der Schulter gebrandmarket zu werden und<lb/>
sechs Jahre Ketten zu tragen. Ob, wenn diese sechs<lb/>
Jahre um sind, der Monsieur Duclos nicht noch die Fol-<lb/>
gen seiner Angeberei spu&#x0364;ren wird, steht zu erwarten. Die<lb/>
Delinquenten schienen sehr erbittert gegen ihn und das<lb/>
Volk nicht minder. Es war sehr merklich, daß es, vor<lb/>
dem Richterstuhle des Gewissens, ihn fu&#x0364;r strafbarer hielt,<lb/>
als Jene.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0027] Sache aufgeben, es reue sie, sie wollten Nichts weiter darmit zu thun haben. „Warum,“ so apostrophirten sie den Angeber sehr feierlich, „warum sagtet ihr diesen „nicht, was ihr vorhattet? Traten diese auch bei, so „so mußten die Uebrigen von selbst auseinander gehn, „und vierzehn Hausvaͤter waͤren nicht in dieses unabsehbare Elend gestuͤrzt worden.“ Duclos stotterte und wußte Nichts zu erwiedern. Ein allgemeines Gemurmel des Unwillens unter dem Volke antwortete statt seiner. Der erste Delinquent war ein kecker Patron, er laͤugnete Alles frisch weg trotz der buͤndigsten Beweise. Seine immer wiederholte und einzige Antwort war: Jch weis von allem Dem Nichts. Der zweite machte es beina- he eben so. Der Richter verstand aber das Fragen sehr gut, und verwickelte die Laͤugner oft in ihre eigene Aus- sagen. — Der Dritte erzaͤhlte die ganze Geschichte sehr aufrichtig, und wurde einigemal von seinen Thraͤnen un- terbrochen. Nachdem er die Erzaͤhlung vollendet hatte, fuͤgte er die ruͤhrenden Worte hinzu: „Zu meiner Ent- „schuldigung weis ich weiter Nichts zu sagen, als: Jch „kam aus St. Domingo, hatte Alles verloren, Niemand „wollte mir helfen, und meine Kinder hungerten.“ — Der Mensch war gewiß mehr Ungluͤcklicher als Boͤse- wicht. — Die Meisten wurden verdammt, mit ei- nem F. auf der Schulter gebrandmarket zu werden und sechs Jahre Ketten zu tragen. Ob, wenn diese sechs Jahre um sind, der Monsieur Duclos nicht noch die Fol- gen seiner Angeberei spuͤren wird, steht zu erwarten. Die Delinquenten schienen sehr erbittert gegen ihn und das Volk nicht minder. Es war sehr merklich, daß es, vor dem Richterstuhle des Gewissens, ihn fuͤr strafbarer hielt, als Jene.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/27
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/27>, abgerufen am 23.11.2024.