Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Der Arzt. Seitdem man nicht mehr Ader läßt, Der Küster. Das ist es eben, was auch mich Der Arzt. Meine Schuld ist es nicht. Von Der Jude. Uns geht es am schlimmsten. Jeder- Der Autor. Und ich, meine Herren! liege ich Der Arzt. Seitdem man nicht mehr Ader laͤßt, Der Kuͤster. Das ist es eben, was auch mich Der Arzt. Meine Schuld ist es nicht. Von Der Jude. Uns geht es am schlimmsten. Jeder- Der Autor. Und ich, meine Herren! liege ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0031" n="31"/> <p><hi rendition="#g">Der Arzt.</hi> Seitdem man nicht mehr Ader laͤßt,<lb/> und nicht mehr soviel Tisane zu trinken giebt, ist unsre<lb/> Kunst verloren. Die Vapeurs und Nervenkrankheiten<lb/> sind ganz aus der Mode, keine huͤbsche Frau will auch<lb/> nur ein paarmal woͤchentlich in Ohnmacht fallen, um in-<lb/> teressant zu erscheinen. Jm Gegentheil sie laufen mir<lb/> Nichts dir Nichts halbnackend herum, und bekommen<lb/> hoͤchstens eine langweilige Schwindsucht.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Kuͤster.</hi> Das ist es eben, was auch mich<lb/> in Verzweiflung bringt. Jch hatte das Begraben in<lb/> meinem Kirchspiele gepachtet, und rechnete wenigstens<lb/> auf zehn Todte woͤchentlich. Jch bin ruinirt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Arzt. Meine</hi> Schuld ist es nicht. Von<lb/> meinen Kranken stirbt immer richtig die Haͤlfte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Jude.</hi> Uns geht es am schlimmsten. Jeder-<lb/> mann will heut zu Tage <hi rendition="#g">Jude</hi> seyn. An jedem Hause<lb/> liest man: Bureau de prêt, mont de piété, u. s. w.<lb/> Der Name <hi rendition="#g">Jude</hi> wird ganz vergessen. Man geht,<lb/> wenn man Geld braucht, zum Ersten, Besten, Christ<lb/> oder Jude, und wird von Einem wie vom Andern bedient.<lb/> Ueberdieß hat man den Termin der Volljaͤhrigkeit leider<lb/> abgekuͤrzt, und die jungen Leute haben gar zu viele Mit-<lb/> tel sich selbst zu helfen. Unter dem ancien regime hat-<lb/> ten wir vier Jahre laͤnger zu <hi rendition="#g">arbeiten,</hi> und das wa-<lb/> ren gerade die rechten Aerntejahre.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Autor.</hi> Und ich, meine Herren! liege <hi rendition="#g">ich</hi><lb/> denn auf Rosen? Meinen Sie, dem Schriftsteller fließe<lb/> Milch und Honig? Seit 20 Jahren schreibe ich; und<lb/> sehen Sie, wie mein Rock aussieht. Alles hab' ich ver-<lb/> sucht, Nichts ist gelungen. Jch hatte meinen Glaͤubi-<lb/> gern ein herrliches Schauspiel verpfaͤndet; eh bien! es<lb/> ist ausgepfiffen worden, denn man hat keinen Geschmack<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0031]
Der Arzt. Seitdem man nicht mehr Ader laͤßt,
und nicht mehr soviel Tisane zu trinken giebt, ist unsre
Kunst verloren. Die Vapeurs und Nervenkrankheiten
sind ganz aus der Mode, keine huͤbsche Frau will auch
nur ein paarmal woͤchentlich in Ohnmacht fallen, um in-
teressant zu erscheinen. Jm Gegentheil sie laufen mir
Nichts dir Nichts halbnackend herum, und bekommen
hoͤchstens eine langweilige Schwindsucht.
Der Kuͤster. Das ist es eben, was auch mich
in Verzweiflung bringt. Jch hatte das Begraben in
meinem Kirchspiele gepachtet, und rechnete wenigstens
auf zehn Todte woͤchentlich. Jch bin ruinirt.
Der Arzt. Meine Schuld ist es nicht. Von
meinen Kranken stirbt immer richtig die Haͤlfte.
Der Jude. Uns geht es am schlimmsten. Jeder-
mann will heut zu Tage Jude seyn. An jedem Hause
liest man: Bureau de prêt, mont de piété, u. s. w.
Der Name Jude wird ganz vergessen. Man geht,
wenn man Geld braucht, zum Ersten, Besten, Christ
oder Jude, und wird von Einem wie vom Andern bedient.
Ueberdieß hat man den Termin der Volljaͤhrigkeit leider
abgekuͤrzt, und die jungen Leute haben gar zu viele Mit-
tel sich selbst zu helfen. Unter dem ancien regime hat-
ten wir vier Jahre laͤnger zu arbeiten, und das wa-
ren gerade die rechten Aerntejahre.
Der Autor. Und ich, meine Herren! liege ich
denn auf Rosen? Meinen Sie, dem Schriftsteller fließe
Milch und Honig? Seit 20 Jahren schreibe ich; und
sehen Sie, wie mein Rock aussieht. Alles hab' ich ver-
sucht, Nichts ist gelungen. Jch hatte meinen Glaͤubi-
gern ein herrliches Schauspiel verpfaͤndet; eh bien! es
ist ausgepfiffen worden, denn man hat keinen Geschmack
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