Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.nes Abends, den ich mit ihm bei der eben so geistreichen Man begreift leicht, daß dieses treffliche Mittel, nes Abends, den ich mit ihm bei der eben so geistreichen Man begreift leicht, daß dieses treffliche Mittel, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="38"/> nes Abends, den ich mit ihm bei der eben so geistreichen<lb/> als liebenswuͤrdigen russischen Fuͤrstinn Dolgorucki zuge-<lb/> bracht habe. Er war gern in dem Hause — und wer<lb/> waͤre da nicht gern? — Denn die aufmerksame Wirthinn<lb/> kannte schon seine kleine Wuͤnsche und Beduͤrfnisse, und<lb/> kam allen zuvor; selbst fuͤr fromage à la Crême, den<lb/> er gern ißt, war gesorgt. Dagegen unterhielt er uns<lb/> mit den schoͤnsten und feurigsten Bruchstuͤcken seiner un-<lb/> gedruckten Werke, und so oft Einer der Mitgaͤste ihn an<lb/> dieß oder jenes vormals Gehoͤrte erinnerte, war er gleich<lb/> so gefaͤllig, es zu wiederholen. Schade nur, daß er so<lb/> außerordentlich <hi rendition="#g">schnell</hi> spricht, daß selbst Franzosen<lb/> Muͤhe haben, ihm zu folgen, fuͤr Auslaͤnder aber noth-<lb/> wendig Vieles verloren geht.</p><lb/> <p>Man begreift leicht, daß dieses treffliche Mittel,<lb/> eine Gesellschaft zu unterhalten, nur in der Macht Der-<lb/> jenigen steht, welche <hi rendition="#g">Delille</hi> mit seinem Wohlwollen<lb/> beehrt. Hierzu kommt noch, daß es nicht einmal immer<lb/> von ihm selbst abhaͤngt, ob er kommen will oder nicht,<lb/> denn er wird, wie alle Dichter, von seiner Frau beherrscht.<lb/> Ohne diese <hi rendition="#g">mit</hi> einzuladen, ist kein Besuch von ihm zu<lb/> hoffen. Da nun Madame <hi rendition="#g">Delille singt</hi> und ihr Ge-<lb/> sang ihren Gemahl entzuͤckt, so muß auch dafuͤr gesorgt<lb/> werden, daß ein Jnstrument bereit stehe, sie zu akkom-<lb/> pagniren. Waͤhrend ihr Gatte im Deklamiren eine Pau-<lb/> se macht, ist es der Hoͤflichkeit gemaͤß, Madame <hi rendition="#g">De-<lb/> lille</hi> zu ersuchen, eine Probe ihrer Kunst abzulegen; sie<lb/> weigert sich ein wenig, giebt aber nach, und dann sitzt<lb/> der Abbé <hi rendition="#g">Delille</hi> neben ihr am Klavier, hingerissen<lb/> von der Schoͤnheit ihres Gesanges. Dagegen ist sie auf<lb/> das Zaͤrtlichste fuͤr seine schwache Gesundheit besorgt, und<lb/> giebt nicht zu, daß er zu viel Fromage à la Crême esse.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
nes Abends, den ich mit ihm bei der eben so geistreichen
als liebenswuͤrdigen russischen Fuͤrstinn Dolgorucki zuge-
bracht habe. Er war gern in dem Hause — und wer
waͤre da nicht gern? — Denn die aufmerksame Wirthinn
kannte schon seine kleine Wuͤnsche und Beduͤrfnisse, und
kam allen zuvor; selbst fuͤr fromage à la Crême, den
er gern ißt, war gesorgt. Dagegen unterhielt er uns
mit den schoͤnsten und feurigsten Bruchstuͤcken seiner un-
gedruckten Werke, und so oft Einer der Mitgaͤste ihn an
dieß oder jenes vormals Gehoͤrte erinnerte, war er gleich
so gefaͤllig, es zu wiederholen. Schade nur, daß er so
außerordentlich schnell spricht, daß selbst Franzosen
Muͤhe haben, ihm zu folgen, fuͤr Auslaͤnder aber noth-
wendig Vieles verloren geht.
Man begreift leicht, daß dieses treffliche Mittel,
eine Gesellschaft zu unterhalten, nur in der Macht Der-
jenigen steht, welche Delille mit seinem Wohlwollen
beehrt. Hierzu kommt noch, daß es nicht einmal immer
von ihm selbst abhaͤngt, ob er kommen will oder nicht,
denn er wird, wie alle Dichter, von seiner Frau beherrscht.
Ohne diese mit einzuladen, ist kein Besuch von ihm zu
hoffen. Da nun Madame Delille singt und ihr Ge-
sang ihren Gemahl entzuͤckt, so muß auch dafuͤr gesorgt
werden, daß ein Jnstrument bereit stehe, sie zu akkom-
pagniren. Waͤhrend ihr Gatte im Deklamiren eine Pau-
se macht, ist es der Hoͤflichkeit gemaͤß, Madame De-
lille zu ersuchen, eine Probe ihrer Kunst abzulegen; sie
weigert sich ein wenig, giebt aber nach, und dann sitzt
der Abbé Delille neben ihr am Klavier, hingerissen
von der Schoͤnheit ihres Gesanges. Dagegen ist sie auf
das Zaͤrtlichste fuͤr seine schwache Gesundheit besorgt, und
giebt nicht zu, daß er zu viel Fromage à la Crême esse.
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