Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.dungskraft hat es hervorgezaubert! -- Die Weiber rol- Wenn die deutschen Künstler konsequent sind, so Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine dungskraft hat es hervorgezaubert! — Die Weiber rol- Wenn die deutschen Kuͤnstler konsequent sind, so Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="44"/> dungskraft hat es hervorgezaubert! — Die Weiber rol-<lb/> len ihre Kinder zwischen die Streitenden — da hat sich<lb/> ein zartes Weib um die Kniee des Sabiners geschmiegt —<lb/> kann der rauhe Mann ihr widerstehen? — Ha! ein Bild<lb/> voll schmerzlichen Lebens; und dennoch hat das Genie<lb/> des Meisters ein Mittel gefunden, einen Kontrast von<lb/> heiterer Ruhe anzubringen — wie? wird man schwerlich<lb/> errathen, und es ist doch so natuͤrlich. Zwischen den<lb/> Fuͤßen des Roͤmers liegt Eines der hingeworfenen Kinder,<lb/> welches eben seine erste Zaͤhne zu machen scheint, und<lb/> deßhalb ganz unbefangen mit dem Finger im Munde<lb/> spielt. Dieß zarte spielende Kind unter dem wuthschnau-<lb/> benden Helden macht großen Effekt.</p><lb/> <p>Wenn die <hi rendition="#g">deutschen</hi> Kuͤnstler konsequent sind, so<lb/> duͤrfen sie das Bild freilich nicht loben, denn es sind<lb/> wahrhaftig noch mehr Kinder darauf, als in meinen Hus-<lb/> siten vor Naumburg vorkommen. Da nun dieses Stuͤck,<lb/> besonders der Kinder wegen, so gruͤndlich bespoͤttelt wor-<lb/> den, so hoffe ich, werde es dem wackern David nicht bes-<lb/> ser ergehen, denn er und ich haben ganz aus der Acht<lb/> gelassen, daß bei Darstellung einer Geschichte, in welcher<lb/> Kinder die Haupttriebfeder der Handlung sind, durchaus<lb/> keine Kinder sich zeigen muͤssen.</p><lb/> <p>Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine<lb/> Kleinigkeit beim Eintritt, und kannzugleich eine Bro-<lb/> schuͤre kaufen, in welcher David dieses Verfahren mit<lb/> dem Beispiel der Alten entschuldigt, und behauptet, daß<lb/> ihm vorzuͤglich daran gelegen sey, die Urtheile des Pub-<lb/> likums auf diese Weise wie Apelles zu sammeln; da mag<lb/> er dann auch wohl auf manchen Schuster stoßen. — Nach<lb/> andern Nachrichten soll es ihm nebenher gar nicht gleich-<lb/> giltig seyn, auf diese Weise bereits 60000 Livres einge-<lb/> nommen zu haben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [44/0044]
dungskraft hat es hervorgezaubert! — Die Weiber rol-
len ihre Kinder zwischen die Streitenden — da hat sich
ein zartes Weib um die Kniee des Sabiners geschmiegt —
kann der rauhe Mann ihr widerstehen? — Ha! ein Bild
voll schmerzlichen Lebens; und dennoch hat das Genie
des Meisters ein Mittel gefunden, einen Kontrast von
heiterer Ruhe anzubringen — wie? wird man schwerlich
errathen, und es ist doch so natuͤrlich. Zwischen den
Fuͤßen des Roͤmers liegt Eines der hingeworfenen Kinder,
welches eben seine erste Zaͤhne zu machen scheint, und
deßhalb ganz unbefangen mit dem Finger im Munde
spielt. Dieß zarte spielende Kind unter dem wuthschnau-
benden Helden macht großen Effekt.
Wenn die deutschen Kuͤnstler konsequent sind, so
duͤrfen sie das Bild freilich nicht loben, denn es sind
wahrhaftig noch mehr Kinder darauf, als in meinen Hus-
siten vor Naumburg vorkommen. Da nun dieses Stuͤck,
besonders der Kinder wegen, so gruͤndlich bespoͤttelt wor-
den, so hoffe ich, werde es dem wackern David nicht bes-
ser ergehen, denn er und ich haben ganz aus der Acht
gelassen, daß bei Darstellung einer Geschichte, in welcher
Kinder die Haupttriebfeder der Handlung sind, durchaus
keine Kinder sich zeigen muͤssen.
Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine
Kleinigkeit beim Eintritt, und kannzugleich eine Bro-
schuͤre kaufen, in welcher David dieses Verfahren mit
dem Beispiel der Alten entschuldigt, und behauptet, daß
ihm vorzuͤglich daran gelegen sey, die Urtheile des Pub-
likums auf diese Weise wie Apelles zu sammeln; da mag
er dann auch wohl auf manchen Schuster stoßen. — Nach
andern Nachrichten soll es ihm nebenher gar nicht gleich-
giltig seyn, auf diese Weise bereits 60000 Livres einge-
nommen zu haben.
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