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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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Recamiers noch nicht vollendetes Portrait in Lebens-
größe, einer Venus gleich, unter einem dünnen Schleyer
ruhend, ist ein sehr liebliches Gemälde.

Drouais.

Leider hat der Tod diesen jungen hoffnungsvollen
Künstler hingerafft. Er starb zu Rom an einem hitzigen
Fieber, im 25sten Jahre, eben als er Riesenschritte zur
Vollkommenheit that. Er war der einzige Sohn einer
wohlhabenden Frau in Paris, der Nichts von ihm übrig
geblieben, als sein Marius, dargestellt in dem Augen-
blicke, da der Cimbrier zu ihm hereintritt, um ihn zu er-
morden; ein treffliches Bild, welches er der geliebten Mut-
ter aus Rom schickte, und welches, so Viel man auch
schon dafür geboten, um keinen Preis ihr feil ist. Aber
sie läßt es gern jeden Kunstliebhaber sehen, sie empfängt
die Fremden, die diesen Wunsch ihr äußern, mit vieler
Höflichkeit, und findet selbst einen Genuß darinn, den
hier noch lebenden Geist ihres einzigen Kindes bewundert
zu sehen. Wenn man das Bild lobt, so treten ihr gleich
die Thränen in die Augen. -- Die Gestalt des Marius
ist wirklich ausnehmend schön, aber unrichtig scheint mir
die Jdee, daß der Cimbrier, weil er seinen Blick nicht
ertragen kann, den Mantel vor die Augen hält. So
drückt kein mordlustiger Cimbrier seine Ehrfurcht vor ei-
nem großen Manne aus.

Recamiers noch nicht vollendetes Portrait in Lebens-
groͤße, einer Venus gleich, unter einem duͤnnen Schleyer
ruhend, ist ein sehr liebliches Gemaͤlde.

Drouais.

Leider hat der Tod diesen jungen hoffnungsvollen
Kuͤnstler hingerafft. Er starb zu Rom an einem hitzigen
Fieber, im 25sten Jahre, eben als er Riesenschritte zur
Vollkommenheit that. Er war der einzige Sohn einer
wohlhabenden Frau in Paris, der Nichts von ihm uͤbrig
geblieben, als sein Marius, dargestellt in dem Augen-
blicke, da der Cimbrier zu ihm hereintritt, um ihn zu er-
morden; ein treffliches Bild, welches er der geliebten Mut-
ter aus Rom schickte, und welches, so Viel man auch
schon dafuͤr geboten, um keinen Preis ihr feil ist. Aber
sie laͤßt es gern jeden Kunstliebhaber sehen, sie empfaͤngt
die Fremden, die diesen Wunsch ihr aͤußern, mit vieler
Hoͤflichkeit, und findet selbst einen Genuß darinn, den
hier noch lebenden Geist ihres einzigen Kindes bewundert
zu sehen. Wenn man das Bild lobt, so treten ihr gleich
die Thraͤnen in die Augen. — Die Gestalt des Marius
ist wirklich ausnehmend schoͤn, aber unrichtig scheint mir
die Jdee, daß der Cimbrier, weil er seinen Blick nicht
ertragen kann, den Mantel vor die Augen haͤlt. So
druͤckt kein mordlustiger Cimbrier seine Ehrfurcht vor ei-
nem großen Manne aus.

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[47/0047] Recamiers noch nicht vollendetes Portrait in Lebens- groͤße, einer Venus gleich, unter einem duͤnnen Schleyer ruhend, ist ein sehr liebliches Gemaͤlde. Drouais. Leider hat der Tod diesen jungen hoffnungsvollen Kuͤnstler hingerafft. Er starb zu Rom an einem hitzigen Fieber, im 25sten Jahre, eben als er Riesenschritte zur Vollkommenheit that. Er war der einzige Sohn einer wohlhabenden Frau in Paris, der Nichts von ihm uͤbrig geblieben, als sein Marius, dargestellt in dem Augen- blicke, da der Cimbrier zu ihm hereintritt, um ihn zu er- morden; ein treffliches Bild, welches er der geliebten Mut- ter aus Rom schickte, und welches, so Viel man auch schon dafuͤr geboten, um keinen Preis ihr feil ist. Aber sie laͤßt es gern jeden Kunstliebhaber sehen, sie empfaͤngt die Fremden, die diesen Wunsch ihr aͤußern, mit vieler Hoͤflichkeit, und findet selbst einen Genuß darinn, den hier noch lebenden Geist ihres einzigen Kindes bewundert zu sehen. Wenn man das Bild lobt, so treten ihr gleich die Thraͤnen in die Augen. — Die Gestalt des Marius ist wirklich ausnehmend schoͤn, aber unrichtig scheint mir die Jdee, daß der Cimbrier, weil er seinen Blick nicht ertragen kann, den Mantel vor die Augen haͤlt. So druͤckt kein mordlustiger Cimbrier seine Ehrfurcht vor ei- nem großen Manne aus.

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/47>, abgerufen am 21.11.2024.