Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichthum und Rang sollten seine Wahl bestimmen;
er wollte ein Herz, von der Natur, einen Geist,
durch Erziehung gebildet. Von beyden gaben Sie
ihm Proben. Ihre geheime Wohlthätigkeit blieb
unverborgen, und Ihr Verstand -- ich ehre diese
bescheidene Schaamröthe -- genug, mein Bru-
der ist ein Kenner in diesem Punkt. -- Hier haben
Sie mein Creditiv. Entscheiden Sie, ob ich be-
rechtigt bin, um Ihr Zutrauen zu bitten. Ent-
decken Sie sich mir! Sie wagen nichts. Schütten
Sie Ihren Kummer in den verschwiegenen Busen
einer Schwester aus!
Eulal. Ach! ich fühl' es: das höchste Opfer,
welches wahre Reue zu bringen vermag, ist frey-
williger Verzicht auf die Hochachtung einer schö-
nen Seele. Ich will dieses Opfer bringen -- und
hab' ich dann genug gebüßt?
(stockend) Hörten Sie
nie -- verzeihen Sie mir! -- hörten Sie nie --
o, es ist sehr schwer, eine Täuschung zu zerstöh-
ren, welcher allein ich bis jetzt ihre Güte verdankte.
-- Aber es muß seyn; -- Pfuy Eulalia! Ziemt
Stolz dir? -- Hörten Sie nie von einer gewissen
Baronesse Meinau reden?

Gräfin.
Reichthum und Rang ſollten ſeine Wahl beſtimmen;
er wollte ein Herz, von der Natur, einen Geiſt,
durch Erziehung gebildet. Von beyden gaben Sie
ihm Proben. Ihre geheime Wohlthaͤtigkeit blieb
unverborgen, und Ihr Verſtand — ich ehre dieſe
beſcheidene Schaamroͤthe — genug, mein Bru-
der iſt ein Kenner in dieſem Punkt. — Hier haben
Sie mein Creditiv. Entſcheiden Sie, ob ich be-
rechtigt bin, um Ihr Zutrauen zu bitten. Ent-
decken Sie ſich mir! Sie wagen nichts. Schuͤtten
Sie Ihren Kummer in den verſchwiegenen Buſen
einer Schweſter aus!
Eulal. Ach! ich fuͤhl’ es: das hoͤchſte Opfer,
welches wahre Reue zu bringen vermag, iſt frey-
williger Verzicht auf die Hochachtung einer ſchoͤ-
nen Seele. Ich will dieſes Opfer bringen — und
hab’ ich dann genug gebuͤßt?
(ſtockend) Hoͤrten Sie
nie — verzeihen Sie mir! — hoͤrten Sie nie —
o, es iſt ſehr ſchwer, eine Taͤuſchung zu zerſtoͤh-
ren, welcher allein ich bis jetzt ihre Guͤte verdankte.
— Aber es muß ſeyn; — Pfuy Eulalia! Ziemt
Stolz dir? — Hoͤrten Sie nie von einer gewiſſen
Baroneſſe Meinau reden?

Graͤfin.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#GRAFIN">
              <p><pb facs="#f0104" n="96"/>
Reichthum und Rang &#x017F;ollten &#x017F;eine Wahl be&#x017F;timmen;<lb/>
er wollte ein Herz, von der Natur, einen Gei&#x017F;t,<lb/>
durch Erziehung gebildet. Von beyden gaben <hi rendition="#g">Sie</hi><lb/>
ihm Proben. Ihre geheime Wohltha&#x0364;tigkeit blieb<lb/>
unverborgen, und Ihr Ver&#x017F;tand &#x2014; ich ehre die&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;cheidene Schaamro&#x0364;the &#x2014; genug, mein Bru-<lb/>
der i&#x017F;t ein Kenner in die&#x017F;em Punkt. &#x2014; Hier haben<lb/>
Sie mein Creditiv. Ent&#x017F;cheiden Sie, ob ich be-<lb/>
rechtigt bin, um Ihr Zutrauen zu bitten. Ent-<lb/>
decken Sie &#x017F;ich mir! Sie wagen nichts. Schu&#x0364;tten<lb/>
Sie Ihren Kummer in den ver&#x017F;chwiegenen Bu&#x017F;en<lb/>
einer Schwe&#x017F;ter aus!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#EUL">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker>
              <p>Ach! ich fu&#x0364;hl&#x2019; es: das ho&#x0364;ch&#x017F;te Opfer,<lb/>
welches wahre Reue zu bringen vermag, i&#x017F;t frey-<lb/>
williger Verzicht auf die Hochachtung einer &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Seele. Ich will die&#x017F;es Opfer bringen &#x2014; und<lb/>
hab&#x2019; ich dann genug gebu&#x0364;ßt?</p>
              <stage>(&#x017F;tockend)</stage>
              <p>Ho&#x0364;rten Sie<lb/>
nie &#x2014; verzeihen Sie mir! &#x2014; ho&#x0364;rten Sie nie &#x2014;<lb/>
o, es i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;chwer, eine Ta&#x0364;u&#x017F;chung zu zer&#x017F;to&#x0364;h-<lb/>
ren, welcher allein ich bis jetzt ihre Gu&#x0364;te verdankte.<lb/>
&#x2014; Aber es muß &#x017F;eyn; &#x2014; Pfuy Eulalia! Ziemt<lb/>
Stolz dir? &#x2014; Ho&#x0364;rten Sie nie von einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Barone&#x017F;&#x017F;e Meinau reden?</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Gra&#x0364;fin.</hi> </fw>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0104] Reichthum und Rang ſollten ſeine Wahl beſtimmen; er wollte ein Herz, von der Natur, einen Geiſt, durch Erziehung gebildet. Von beyden gaben Sie ihm Proben. Ihre geheime Wohlthaͤtigkeit blieb unverborgen, und Ihr Verſtand — ich ehre dieſe beſcheidene Schaamroͤthe — genug, mein Bru- der iſt ein Kenner in dieſem Punkt. — Hier haben Sie mein Creditiv. Entſcheiden Sie, ob ich be- rechtigt bin, um Ihr Zutrauen zu bitten. Ent- decken Sie ſich mir! Sie wagen nichts. Schuͤtten Sie Ihren Kummer in den verſchwiegenen Buſen einer Schweſter aus! Eulal. Ach! ich fuͤhl’ es: das hoͤchſte Opfer, welches wahre Reue zu bringen vermag, iſt frey- williger Verzicht auf die Hochachtung einer ſchoͤ- nen Seele. Ich will dieſes Opfer bringen — und hab’ ich dann genug gebuͤßt? (ſtockend) Hoͤrten Sie nie — verzeihen Sie mir! — hoͤrten Sie nie — o, es iſt ſehr ſchwer, eine Taͤuſchung zu zerſtoͤh- ren, welcher allein ich bis jetzt ihre Guͤte verdankte. — Aber es muß ſeyn; — Pfuy Eulalia! Ziemt Stolz dir? — Hoͤrten Sie nie von einer gewiſſen Baroneſſe Meinau reden? Graͤfin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/104
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/104>, abgerufen am 22.11.2024.