Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Gräfin. Am benachbarten Hofe? Mich dünkt, ich hörte von einer solchen Creatur. Sie soll einen sehr braven Mann höchst elend gemacht haben. Eulal. O Gott! -- Ja, einen sehr braven Mann. Gräfin. Sie lief mit einem Landstreicher davon. Eulal. Ja, das that sie. -- -- (Sie stürzt außer sich zu den Füßen der Gräfin.) Verstoßen Sie mich nicht! -- Nur ein Plätzchen, auf welchem ich sterben kann! -- Gräfin. Um Gottes willen! Sie sind -- Eulal. Ich bin diese Creatur. Gräfin. (sich unwillig wegwendend) Ha! (Sie geht ei- nige Schritte, ihr Herz zieht sie zurück.) -- Aber sie ist un- glücklich -- sie büßt streng -- weg mit dem Kopfe, der immer bereit ist, ein Verdammungsurtheil zu sprechen! -- (Sie blickt wehmüthig nach ihr.) Ach! sie ist so unglücklich! -- Stehn Sie auf! ich bitte Sie, stehn Sie auf! Mein Mann und mein Bruder sind nicht weit. Diese Scene leidet keine Zeugen. Ich gelobe Ihnen Verschwiegenheit. (Sie hebt sie auf.) Eulal. Ach mein Gewissen! mein Gewissen! das wird nie schweigen. (Mit beyden Händen die Hand der Gräfin ergreifend.) Verstoßen Sie mich nicht! Gräfin. Nein, ich verstoße Sie nicht. Ihr Betra- gen in den letzten drey Jahren, Ihr stiller Kummer, G
Graͤfin. Am benachbarten Hofe? Mich duͤnkt, ich hoͤrte von einer ſolchen Creatur. Sie ſoll einen ſehr braven Mann hoͤchſt elend gemacht haben. Eulal. O Gott! — Ja, einen ſehr braven Mann. Graͤfin. Sie lief mit einem Landſtreicher davon. Eulal. Ja, das that ſie. — — (Sie ſtürzt außer ſich zu den Füßen der Gräfin.) Verſtoßen Sie mich nicht! — Nur ein Plaͤtzchen, auf welchem ich ſterben kann! — Graͤfin. Um Gottes willen! Sie ſind — Eulal. Ich bin dieſe Creatur. Graͤfin. (ſich unwillig wegwendend) Ha! (Sie geht ei- nige Schritte, ihr Herz zieht ſie zurück.) — Aber ſie iſt un- gluͤcklich — ſie buͤßt ſtreng — weg mit dem Kopfe, der immer bereit iſt, ein Verdammungsurtheil zu ſprechen! — (Sie blickt wehmüthig nach ihr.) Ach! ſie iſt ſo ungluͤcklich! — Stehn Sie auf! ich bitte Sie, ſtehn Sie auf! Mein Mann und mein Bruder ſind nicht weit. Dieſe Scene leidet keine Zeugen. Ich gelobe Ihnen Verſchwiegenheit. (Sie hebt ſie auf.) Eulal. Ach mein Gewiſſen! mein Gewiſſen! das wird nie ſchweigen. (Mit beyden Händen die Hand der Gräfin ergreifend.) Verſtoßen Sie mich nicht! Graͤfin. Nein, ich verſtoße Sie nicht. Ihr Betra- gen in den letzten drey Jahren, Ihr ſtiller Kummer, G
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Graͤfin. Am benachbarten Hofe? Mich duͤnkt,
ich hoͤrte von einer ſolchen Creatur. Sie ſoll einen
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Eulal. O Gott! — Ja, einen ſehr braven Mann.
Graͤfin. Sie lief mit einem Landſtreicher davon.
Eulal. Ja, das that ſie. — — (Sie ſtürzt außer
ſich zu den Füßen der Gräfin.) Verſtoßen Sie mich nicht!
— Nur ein Plaͤtzchen, auf welchem ich ſterben kann! —
Graͤfin. Um Gottes willen! Sie ſind —
Eulal. Ich bin dieſe Creatur.
Graͤfin. (ſich unwillig wegwendend) Ha! (Sie geht ei-
nige Schritte, ihr Herz zieht ſie zurück.) — Aber ſie iſt un-
gluͤcklich — ſie buͤßt ſtreng — weg mit dem Kopfe,
der immer bereit iſt, ein Verdammungsurtheil zu
ſprechen! — (Sie blickt wehmüthig nach ihr.) Ach! ſie iſt
ſo ungluͤcklich! — Stehn Sie auf! ich bitte Sie,
ſtehn Sie auf! Mein Mann und mein Bruder ſind
nicht weit. Dieſe Scene leidet keine Zeugen. Ich
gelobe Ihnen Verſchwiegenheit. (Sie hebt ſie auf.)
Eulal. Ach mein Gewiſſen! mein Gewiſſen! das
wird nie ſchweigen. (Mit beyden Händen die Hand der
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Graͤfin. Nein, ich verſtoße Sie nicht. Ihr Betra-
gen in den letzten drey Jahren, Ihr ſtiller Kummer,
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/105>, abgerufen am 16.07.2024. |