Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Eulal. Das ist die Sprache meines Kopfes in Stunden, wo Sehnsucht und Liebe den Sieg über die Reue davon tragen. -- Nein, meine Jugend entschuldigt mich nicht. (den Blick gen Himmel) Alter, ehrwürdiger Vater! Das hieße dich anklagen! Du hattest mir Grundsätze der Ehre und Tugend ins Herz gepflanzt. Du hattest mich gewarnt vor dem Gift der Schmeicheley und Verführung. -- Gräfin. Was vermag Erziehung gegen einen Lovelace? Eulal. Ach! Sie stoßen da auf eine Unbegreif- lichkeit in meiner Geschichte. Nein, er war kein Lovelace, dieser Mensch, in jeder Rücksicht tief, tief unter meinem Gemahl. Nur daß dieser nicht mehr tändelte, nicht mehr jeder meiner Launen und Grillen schmeichelte, mir neue Equipagen, Li- vreen und Schmuck versagte, wenn der Aufwand unsre Kräfte überstieg. Alles das bot mir des Ver- führers Schlangenzunge, und ich war Kind genug, mich an den bunten Bildern zu ergötzen; war ver- blendet genug, Kinder, Vater und Gemahl zu ver- lassen, um einem Nichtswürdigen zu folgen, der -- doch genug! er steht nun vor Gott, wo meine ge- Eulal. Das iſt die Sprache meines Kopfes in Stunden, wo Sehnſucht und Liebe den Sieg uͤber die Reue davon tragen. — Nein, meine Jugend entſchuldigt mich nicht. (den Blick gen Himmel) Alter, ehrwuͤrdiger Vater! Das hieße dich anklagen! Du hatteſt mir Grundſaͤtze der Ehre und Tugend ins Herz gepflanzt. Du hatteſt mich gewarnt vor dem Gift der Schmeicheley und Verfuͤhrung. — Graͤfin. Was vermag Erziehung gegen einen Lovelace? Eulal. Ach! Sie ſtoßen da auf eine Unbegreif- lichkeit in meiner Geſchichte. Nein, er war kein Lovelace, dieſer Menſch, in jeder Ruͤckſicht tief, tief unter meinem Gemahl. Nur daß dieſer nicht mehr taͤndelte, nicht mehr jeder meiner Launen und Grillen ſchmeichelte, mir neue Equipagen, Li- vreen und Schmuck verſagte, wenn der Aufwand unſre Kraͤfte uͤberſtieg. Alles das bot mir des Ver- fuͤhrers Schlangenzunge, und ich war Kind genug, mich an den bunten Bildern zu ergoͤtzen; war ver- blendet genug, Kinder, Vater und Gemahl zu ver- laſſen, um einem Nichtswuͤrdigen zu folgen, der — doch genug! er ſteht nun vor Gott, wo meine ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0108" n="100"/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Das iſt die Sprache meines Kopfes in<lb/> Stunden, wo Sehnſucht und Liebe den Sieg uͤber<lb/> die Reue davon tragen. — Nein, meine Jugend<lb/> entſchuldigt mich nicht.</p> <stage>(den Blick gen Himmel)</stage> <p>Alter,<lb/> ehrwuͤrdiger Vater! Das hieße dich anklagen! Du<lb/> hatteſt mir Grundſaͤtze der Ehre und Tugend ins<lb/> Herz gepflanzt. Du hatteſt mich gewarnt vor dem<lb/> Gift der Schmeicheley und Verfuͤhrung. —</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAFIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Graͤfin.</hi> </speaker> <p>Was vermag Erziehung gegen einen<lb/> Lovelace?</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Ach! Sie ſtoßen da auf eine Unbegreif-<lb/> lichkeit in meiner Geſchichte. Nein, er war kein<lb/> Lovelace, dieſer Menſch, in jeder Ruͤckſicht tief,<lb/> tief unter meinem Gemahl. Nur daß dieſer nicht<lb/> mehr taͤndelte, nicht mehr jeder meiner Launen<lb/> und Grillen ſchmeichelte, mir neue Equipagen, Li-<lb/> vreen und Schmuck verſagte, wenn der Aufwand<lb/> unſre Kraͤfte uͤberſtieg. Alles das bot mir des Ver-<lb/> fuͤhrers Schlangenzunge, und ich war Kind genug,<lb/> mich an den bunten Bildern zu ergoͤtzen; war ver-<lb/> blendet genug, Kinder, Vater und Gemahl zu ver-<lb/> laſſen, um einem Nichtswuͤrdigen zu folgen, der<lb/> — doch genug! er ſteht nun vor Gott, wo meine ge-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0108]
Eulal. Das iſt die Sprache meines Kopfes in
Stunden, wo Sehnſucht und Liebe den Sieg uͤber
die Reue davon tragen. — Nein, meine Jugend
entſchuldigt mich nicht. (den Blick gen Himmel) Alter,
ehrwuͤrdiger Vater! Das hieße dich anklagen! Du
hatteſt mir Grundſaͤtze der Ehre und Tugend ins
Herz gepflanzt. Du hatteſt mich gewarnt vor dem
Gift der Schmeicheley und Verfuͤhrung. —
Graͤfin. Was vermag Erziehung gegen einen
Lovelace?
Eulal. Ach! Sie ſtoßen da auf eine Unbegreif-
lichkeit in meiner Geſchichte. Nein, er war kein
Lovelace, dieſer Menſch, in jeder Ruͤckſicht tief,
tief unter meinem Gemahl. Nur daß dieſer nicht
mehr taͤndelte, nicht mehr jeder meiner Launen
und Grillen ſchmeichelte, mir neue Equipagen, Li-
vreen und Schmuck verſagte, wenn der Aufwand
unſre Kraͤfte uͤberſtieg. Alles das bot mir des Ver-
fuͤhrers Schlangenzunge, und ich war Kind genug,
mich an den bunten Bildern zu ergoͤtzen; war ver-
blendet genug, Kinder, Vater und Gemahl zu ver-
laſſen, um einem Nichtswuͤrdigen zu folgen, der
— doch genug! er ſteht nun vor Gott, wo meine ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/108 |
Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/108>, abgerufen am 17.07.2024. |