Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Unbek. (bitter) Mein Blick las in aller Her- zen? Ha! ha! ha! Major. O Gott! lieber hätt' ich gewünscht, dich nie lachen zu hören, als in diesem Tone. -- Freund, was ist dir widerfahren? Unbek. Alltägliche Dinge -- der Welt Lauf -- Begebenheiten, wie man sie auf allen Straßen hört. -- Horst! wenn ich dich nicht hassen soll, so verschone mich mit Fragen; und wenn ich dich lie- ben soll, so verlaß mich! Major. Pfuy, wie das Schicksal einen Men- schen verhunzen kann! Ich bitte dich, wecke die schlummernden Ideen von Freuden der Vergangen- heit, daß dein Herz wieder warm werde, und fühle, daß ein Freund ihm nahe ist. Erinnere dich unserer froh durchlebten Tage im Elsaß, nicht jener tollen Schwärmereyen im lärmenden Gewühl unse- rer Kriegskameraden; nein, jener heitern sanften Stunden, wo wir uns von allem, was uns umgab, losrissen, wo wir einsam wandelten, Arm in Arm, auf den Wällen von Strasburg, oder am Ufer des Rheins, wo die Schönheiten der Natur unsere Herzen öfneten, und sie für Wohlwollen und Freund- schaft empfänglich machten. In jenen seligen Au- Unbek. (bitter) Mein Blick las in aller Her- zen? Ha! ha! ha! Major. O Gott! lieber haͤtt’ ich gewuͤnſcht, dich nie lachen zu hoͤren, als in dieſem Tone. — Freund, was iſt dir widerfahren? Unbek. Alltaͤgliche Dinge — der Welt Lauf — Begebenheiten, wie man ſie auf allen Straßen hoͤrt. — Horſt! wenn ich dich nicht haſſen ſoll, ſo verſchone mich mit Fragen; und wenn ich dich lie- ben ſoll, ſo verlaß mich! Major. Pfuy, wie das Schickſal einen Men- ſchen verhunzen kann! Ich bitte dich, wecke die ſchlummernden Ideen von Freuden der Vergangen- heit, daß dein Herz wieder warm werde, und fuͤhle, daß ein Freund ihm nahe iſt. Erinnere dich unſerer froh durchlebten Tage im Elſaß, nicht jener tollen Schwaͤrmereyen im laͤrmenden Gewuͤhl unſe- rer Kriegskameraden; nein, jener heitern ſanften Stunden, wo wir uns von allem, was uns umgab, losriſſen, wo wir einſam wandelten, Arm in Arm, auf den Waͤllen von Strasburg, oder am Ufer des Rheins, wo die Schoͤnheiten der Natur unſere Herzen oͤfneten, und ſie fuͤr Wohlwollen und Freund- ſchaft empfaͤnglich machten. In jenen ſeligen Au- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0118" n="110"/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <stage>(bitter)</stage> <p>Mein Blick las in aller Her-<lb/> zen? Ha! ha! ha!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>O Gott! lieber haͤtt’ ich gewuͤnſcht,<lb/> dich nie lachen zu hoͤren, als in dieſem Tone. —<lb/> Freund, was iſt dir widerfahren?</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Alltaͤgliche Dinge — der Welt Lauf —<lb/> Begebenheiten, wie man ſie auf allen Straßen<lb/> hoͤrt. — Horſt! wenn ich dich nicht haſſen ſoll, ſo<lb/> verſchone mich mit Fragen; und wenn ich dich lie-<lb/> ben ſoll, ſo verlaß mich!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Pfuy, wie das Schickſal einen Men-<lb/> ſchen verhunzen kann! Ich bitte dich, wecke die<lb/> ſchlummernden Ideen von Freuden der Vergangen-<lb/> heit, daß dein Herz wieder warm werde, und<lb/> fuͤhle, daß ein Freund ihm nahe iſt. Erinnere dich<lb/> unſerer froh durchlebten Tage im Elſaß, nicht jener<lb/> tollen Schwaͤrmereyen im laͤrmenden Gewuͤhl unſe-<lb/> rer Kriegskameraden; nein, jener heitern ſanften<lb/> Stunden, wo wir uns von allem, was uns umgab,<lb/> losriſſen, wo wir einſam wandelten, Arm in Arm,<lb/> auf den Waͤllen von Strasburg, oder am Ufer des<lb/> Rheins, wo die Schoͤnheiten der Natur unſere<lb/> Herzen oͤfneten, und ſie fuͤr Wohlwollen und Freund-<lb/> ſchaft empfaͤnglich machten. In jenen ſeligen Au-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
Unbek. (bitter) Mein Blick las in aller Her-
zen? Ha! ha! ha!
Major. O Gott! lieber haͤtt’ ich gewuͤnſcht,
dich nie lachen zu hoͤren, als in dieſem Tone. —
Freund, was iſt dir widerfahren?
Unbek. Alltaͤgliche Dinge — der Welt Lauf —
Begebenheiten, wie man ſie auf allen Straßen
hoͤrt. — Horſt! wenn ich dich nicht haſſen ſoll, ſo
verſchone mich mit Fragen; und wenn ich dich lie-
ben ſoll, ſo verlaß mich!
Major. Pfuy, wie das Schickſal einen Men-
ſchen verhunzen kann! Ich bitte dich, wecke die
ſchlummernden Ideen von Freuden der Vergangen-
heit, daß dein Herz wieder warm werde, und
fuͤhle, daß ein Freund ihm nahe iſt. Erinnere dich
unſerer froh durchlebten Tage im Elſaß, nicht jener
tollen Schwaͤrmereyen im laͤrmenden Gewuͤhl unſe-
rer Kriegskameraden; nein, jener heitern ſanften
Stunden, wo wir uns von allem, was uns umgab,
losriſſen, wo wir einſam wandelten, Arm in Arm,
auf den Waͤllen von Strasburg, oder am Ufer des
Rheins, wo die Schoͤnheiten der Natur unſere
Herzen oͤfneten, und ſie fuͤr Wohlwollen und Freund-
ſchaft empfaͤnglich machten. In jenen ſeligen Au-
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/118>, abgerufen am 17.07.2024. |