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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Major. (lächelnd) Madam Müller wird ihn doch
wohl nicht ausgetrunken haben?
Bitterm. Sie selbst nun wohl eben nicht; denn
sie trinkt keinen Wein. Aber wenn ein Kranker im
Dorfe ist, der sich doch wohl mit einem Schluck
Branntewein behelfen könnte, da schickt sie flugs
eine Flasche von dem köstlichen Sechsundzwanzi-
ger hin. Ich habe ihr verschiedentlich und wieder-
hohlentlich Vorstellungen darüber gemacht; aber
sie antwortet mir immer ganz schnippisch: "ich will
es schon verantworten."
Major. Ich auch, lieber Herr Bittermann.
Bitterm. In Gottes Namen! Mich geht es
nichts an. Ich habe dem Keller zwanzig Jahre
lang vorgestanden; von mir haben die Armen nicht
einen Tropfen bekommen. -- Und wenn sie auf der
einen Seite verschwendet, da knausert sie wieder
auf der andern zur unrechten Zeit. Als ich im ver-
gangenen Herbst einen Brief aus Ungarn erhielt,
in welchem man mir die Einnahme von Novi durch
den Feldmarschall Laudon meldete, da wollt' ich,
als ein Mitglied des heiligen römischen Reichs,
meine Freude an den Tag legen. Ich bat den
Herrn Pfarrer und den Herrn Gerichtshalter zu
Major. (lächelnd) Madam Muͤller wird ihn doch
wohl nicht ausgetrunken haben?
Bitterm. Sie ſelbſt nun wohl eben nicht; denn
ſie trinkt keinen Wein. Aber wenn ein Kranker im
Dorfe iſt, der ſich doch wohl mit einem Schluck
Branntewein behelfen koͤnnte, da ſchickt ſie flugs
eine Flaſche von dem koͤſtlichen Sechsundzwanzi-
ger hin. Ich habe ihr verſchiedentlich und wieder-
hohlentlich Vorſtellungen daruͤber gemacht; aber
ſie antwortet mir immer ganz ſchnippiſch: „ich will
es ſchon verantworten.“
Major. Ich auch, lieber Herr Bittermann.
Bitterm. In Gottes Namen! Mich geht es
nichts an. Ich habe dem Keller zwanzig Jahre
lang vorgeſtanden; von mir haben die Armen nicht
einen Tropfen bekommen. — Und wenn ſie auf der
einen Seite verſchwendet, da knauſert ſie wieder
auf der andern zur unrechten Zeit. Als ich im ver-
gangenen Herbſt einen Brief aus Ungarn erhielt,
in welchem man mir die Einnahme von Novi durch
den Feldmarſchall Laudon meldete, da wollt’ ich,
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[130/0138] Major. (lächelnd) Madam Muͤller wird ihn doch wohl nicht ausgetrunken haben? Bitterm. Sie ſelbſt nun wohl eben nicht; denn ſie trinkt keinen Wein. Aber wenn ein Kranker im Dorfe iſt, der ſich doch wohl mit einem Schluck Branntewein behelfen koͤnnte, da ſchickt ſie flugs eine Flaſche von dem koͤſtlichen Sechsundzwanzi- ger hin. Ich habe ihr verſchiedentlich und wieder- hohlentlich Vorſtellungen daruͤber gemacht; aber ſie antwortet mir immer ganz ſchnippiſch: „ich will es ſchon verantworten.“ Major. Ich auch, lieber Herr Bittermann. Bitterm. In Gottes Namen! Mich geht es nichts an. Ich habe dem Keller zwanzig Jahre lang vorgeſtanden; von mir haben die Armen nicht einen Tropfen bekommen. — Und wenn ſie auf der einen Seite verſchwendet, da knauſert ſie wieder auf der andern zur unrechten Zeit. Als ich im ver- gangenen Herbſt einen Brief aus Ungarn erhielt, in welchem man mir die Einnahme von Novi durch den Feldmarſchall Laudon meldete, da wollt’ ich, als ein Mitglied des heiligen roͤmiſchen Reichs, meine Freude an den Tag legen. Ich bat den Herrn Pfarrer und den Herrn Gerichtshalter zu

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/138>, abgerufen am 24.11.2024.