Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Der Major. Sie haben unsern alten Fürsten ge- kannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt deren nur gerade so viel, als nöthig war, um die Wache vor seinem Schlosse und an den Thoren zu besetzen. Daran that er auch, nach meiner Mei- nung, sehr wohl; denn sein Land vermag für Ernst zu wenig, und ein paar tausend Mann sind für Spas zu viel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der Alte starb, und der junge Fürst vertauschte seine höl- zernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun an ein Exerciren und Marschiren den lieben langen Tag. Früh um vier Uhr saß der Fürst schon zu Pferde. Das stand meinem Schwager, dem Herrn General, nicht an. Er hatte sich immer im Lehn- sessel die Rapports bringen lassen, war höchstens in jeder Woche einmal auf der Parade erschienen, und nun sollt' er dem Kinderspiel seine Bequemlich- keit aufopfern: -- flugs nahm er seinen Abschied. Bitterm. Ey! ey! Peter. Ey! ey! Bitterm. Wunderlich, aber vortreflich; beson- ders in Rücksicht auf meine Wenigkeit. Nun wird der alte Bittermann erst recht zu leben anfangen. Peter. Und der junge Peter auch. Der Major. Sie haben unſern alten Fuͤrſten ge- kannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt deren nur gerade ſo viel, als noͤthig war, um die Wache vor ſeinem Schloſſe und an den Thoren zu beſetzen. Daran that er auch, nach meiner Mei- nung, ſehr wohl; denn ſein Land vermag fuͤr Ernſt zu wenig, und ein paar tauſend Mann ſind fuͤr Spas zu viel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der Alte ſtarb, und der junge Fuͤrſt vertauſchte ſeine hoͤl- zernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun an ein Exerciren und Marſchiren den lieben langen Tag. Fruͤh um vier Uhr ſaß der Fuͤrſt ſchon zu Pferde. Das ſtand meinem Schwager, dem Herrn General, nicht an. Er hatte ſich immer im Lehn- ſeſſel die Rapports bringen laſſen, war hoͤchſtens in jeder Woche einmal auf der Parade erſchienen, und nun ſollt’ er dem Kinderſpiel ſeine Bequemlich- keit aufopfern: — flugs nahm er ſeinen Abſchied. Bitterm. Ey! ey! Peter. Ey! ey! Bitterm. Wunderlich, aber vortreflich; beſon- ders in Ruͤckſicht auf meine Wenigkeit. Nun wird der alte Bittermann erſt recht zu leben anfangen. Peter. Und der junge Peter auch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0046" n="38"/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Sie haben unſern alten Fuͤrſten ge-<lb/> kannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt<lb/> deren nur gerade ſo viel, als noͤthig war, um die<lb/> Wache vor ſeinem Schloſſe und an den Thoren zu<lb/> beſetzen. Daran that er auch, nach meiner Mei-<lb/> nung, ſehr wohl; denn ſein Land vermag fuͤr Ernſt<lb/> zu wenig, und ein paar tauſend Mann ſind fuͤr<lb/> Spas zu viel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der<lb/> Alte ſtarb, und der junge Fuͤrſt vertauſchte ſeine hoͤl-<lb/> zernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun<lb/> an ein Exerciren und Marſchiren den lieben langen<lb/> Tag. Fruͤh um vier Uhr ſaß der Fuͤrſt ſchon zu<lb/> Pferde. Das ſtand meinem Schwager, dem Herrn<lb/> General, nicht an. Er hatte ſich immer im Lehn-<lb/> ſeſſel die Rapports bringen laſſen, war hoͤchſtens<lb/> in jeder Woche einmal auf der Parade erſchienen,<lb/> und nun ſollt’ er dem Kinderſpiel ſeine Bequemlich-<lb/> keit aufopfern: — flugs nahm er ſeinen Abſchied.</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Ey! ey!</p> </sp><lb/> <sp who="#PET"> <speaker> <hi rendition="#fr">Peter.</hi> </speaker> <p>Ey! ey!</p> </sp><lb/> <sp who="#BITTER"> <speaker> <hi rendition="#fr">Bitterm.</hi> </speaker> <p>Wunderlich, aber vortreflich; beſon-<lb/> ders in Ruͤckſicht auf meine Wenigkeit. Nun wird<lb/> der alte Bittermann erſt recht zu leben anfangen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PET"> <speaker> <hi rendition="#fr">Peter.</hi> </speaker> <p>Und der junge Peter auch.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0046]
Der Major. Sie haben unſern alten Fuͤrſten ge-
kannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt
deren nur gerade ſo viel, als noͤthig war, um die
Wache vor ſeinem Schloſſe und an den Thoren zu
beſetzen. Daran that er auch, nach meiner Mei-
nung, ſehr wohl; denn ſein Land vermag fuͤr Ernſt
zu wenig, und ein paar tauſend Mann ſind fuͤr
Spas zu viel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der
Alte ſtarb, und der junge Fuͤrſt vertauſchte ſeine hoͤl-
zernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun
an ein Exerciren und Marſchiren den lieben langen
Tag. Fruͤh um vier Uhr ſaß der Fuͤrſt ſchon zu
Pferde. Das ſtand meinem Schwager, dem Herrn
General, nicht an. Er hatte ſich immer im Lehn-
ſeſſel die Rapports bringen laſſen, war hoͤchſtens
in jeder Woche einmal auf der Parade erſchienen,
und nun ſollt’ er dem Kinderſpiel ſeine Bequemlich-
keit aufopfern: — flugs nahm er ſeinen Abſchied.
Bitterm. Ey! ey!
Peter. Ey! ey!
Bitterm. Wunderlich, aber vortreflich; beſon-
ders in Ruͤckſicht auf meine Wenigkeit. Nun wird
der alte Bittermann erſt recht zu leben anfangen.
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