Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Eulal. Sie sagen mir da eine Schmeicheley auf Kosten meines Geschlechts. Der Major. Ist die Einsamkeit schon lange im Besitz einer so liebenswürdigen Vertheidigerin? Eulal. Ich wohne hier seit drey Jahren. Der Major. Und nie ein leiser Wunsch nach Stadt und Menschengewühl? Eulal. Nie, Herr Major. Der Major. Das zeugt entweder von einer sehr rohen oder von einer sehr ausgebildeten Seele. Ihr erster Blick läßt keinen Zweifel übrig, zu wel- cher Classe man sie rechnen darf. Eulal. (mit einem Seufzer) Es giebt vielleicht noch einen dritten Fall. Der Major. Wirklich, Madam -- ohne ih- rem Geschlechte zu nahe treten zu wollen -- Die Weiber schienen mir immer weniger für die Ein- samkeit geschaffen, als die Männer. Wir haben tausenderley Beschäftigungen, tausenderley Zer- streuungen, welche Ihnen mangeln. Eulal. Darf ich fragen: welche? Der Major. Wir reiten, wir jagen, wir spie- len, wir lesen, wir schreiben Briefe, wir schrift- stellern wohl gar ein wenig -- Eulal. Sie ſagen mir da eine Schmeicheley auf Koſten meines Geſchlechts. Der Major. Iſt die Einſamkeit ſchon lange im Beſitz einer ſo liebenswuͤrdigen Vertheidigerin? Eulal. Ich wohne hier ſeit drey Jahren. Der Major. Und nie ein leiſer Wunſch nach Stadt und Menſchengewuͤhl? Eulal. Nie, Herr Major. Der Major. Das zeugt entweder von einer ſehr rohen oder von einer ſehr ausgebildeten Seele. Ihr erſter Blick laͤßt keinen Zweifel uͤbrig, zu wel- cher Claſſe man ſie rechnen darf. Eulal. (mit einem Seufzer) Es giebt vielleicht noch einen dritten Fall. Der Major. Wirklich, Madam — ohne ih- rem Geſchlechte zu nahe treten zu wollen — Die Weiber ſchienen mir immer weniger fuͤr die Ein- ſamkeit geſchaffen, als die Maͤnner. Wir haben tauſenderley Beſchaͤftigungen, tauſenderley Zer- ſtreuungen, welche Ihnen mangeln. Eulal. Darf ich fragen: welche? Der Major. Wir reiten, wir jagen, wir ſpie- len, wir leſen, wir ſchreiben Briefe, wir ſchrift- ſtellern wohl gar ein wenig — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0051" n="43"/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Sie ſagen mir da eine Schmeicheley auf<lb/> Koſten meines Geſchlechts.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Iſt die Einſamkeit ſchon lange im<lb/> Beſitz einer ſo liebenswuͤrdigen Vertheidigerin?</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Ich wohne hier ſeit drey Jahren.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Und nie ein leiſer Wunſch nach<lb/> Stadt und Menſchengewuͤhl?</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Nie, Herr Major.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Das zeugt entweder von einer<lb/> ſehr rohen oder von einer ſehr ausgebildeten Seele.<lb/> Ihr erſter Blick laͤßt keinen Zweifel uͤbrig, zu wel-<lb/> cher Claſſe man ſie rechnen darf.</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <stage>(mit einem Seufzer)</stage> <p>Es giebt vielleicht<lb/> noch einen dritten Fall.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Wirklich, Madam — ohne ih-<lb/> rem Geſchlechte zu nahe treten zu wollen — Die<lb/> Weiber ſchienen mir immer weniger fuͤr die Ein-<lb/> ſamkeit geſchaffen, als die Maͤnner. Wir haben<lb/> tauſenderley Beſchaͤftigungen, tauſenderley Zer-<lb/> ſtreuungen, welche Ihnen mangeln.</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Darf ich fragen: welche?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Wir reiten, wir jagen, wir ſpie-<lb/> len, wir leſen, wir ſchreiben Briefe, wir ſchrift-<lb/> ſtellern wohl gar ein wenig —</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0051]
Eulal. Sie ſagen mir da eine Schmeicheley auf
Koſten meines Geſchlechts.
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Beſitz einer ſo liebenswuͤrdigen Vertheidigerin?
Eulal. Ich wohne hier ſeit drey Jahren.
Der Major. Und nie ein leiſer Wunſch nach
Stadt und Menſchengewuͤhl?
Eulal. Nie, Herr Major.
Der Major. Das zeugt entweder von einer
ſehr rohen oder von einer ſehr ausgebildeten Seele.
Ihr erſter Blick laͤßt keinen Zweifel uͤbrig, zu wel-
cher Claſſe man ſie rechnen darf.
Eulal. (mit einem Seufzer) Es giebt vielleicht
noch einen dritten Fall.
Der Major. Wirklich, Madam — ohne ih-
rem Geſchlechte zu nahe treten zu wollen — Die
Weiber ſchienen mir immer weniger fuͤr die Ein-
ſamkeit geſchaffen, als die Maͤnner. Wir haben
tauſenderley Beſchaͤftigungen, tauſenderley Zer-
ſtreuungen, welche Ihnen mangeln.
Eulal. Darf ich fragen: welche?
Der Major. Wir reiten, wir jagen, wir ſpie-
len, wir leſen, wir ſchreiben Briefe, wir ſchrift-
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/51>, abgerufen am 16.02.2025. |