Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
ein Mensch, dem man das Leben gerettet hat, ei-
nen zum Essen bitten läßt, das find' ich sehr na-
türlich.
Unbek. Aber man soll mich nicht zum Essen bitten.
Franz. Seyn Sie ruhig! Man wird es schwer-
lich zum zweiten Male versuchen.
Unbek. Die Schranzen! Sie bilden sich ein,
der wichtigste Dienst sey vergolten, wenn man ein-
mal das Glück haben darf, mit Ihnen zu speisen.
Franz. Recht, Herr! Lieber Kartoffeln zu
Hause, wo man nicht jeden Bissen mit Schmeiche-
leyen verzollen muß, wo man nicht gezwungen ist,
über frostige Späschen zu lachen, oder den ehrli-
chen Namen eines Dritten zu zerreißen.
Unbek. Wir wollen fort.
Franz. Aber Geduld, gnädiger Herr! Vielleicht
zerstreut sich das Menschengewühl wieder. Die
kommen allzumal aus der Residenz, werden's im
Schatten der einfachen Natur bald satt kriegen,
finden hier weder Karten noch Hanswürste, wenn
sie nicht selbst welche mitgebracht haben. Denn
heut zu Tage hat jeder Narr seinen Hanswurst bey
der Hand. Geben Sie Acht, Herr, das sind die
Drohnen aus dem Bienenstocke des Hofes; die sind
ein Menſch, dem man das Leben gerettet hat, ei-
nen zum Eſſen bitten laͤßt, das find’ ich ſehr na-
tuͤrlich.
Unbek. Aber man ſoll mich nicht zum Eſſen bitten.
Franz. Seyn Sie ruhig! Man wird es ſchwer-
lich zum zweiten Male verſuchen.
Unbek. Die Schranzen! Sie bilden ſich ein,
der wichtigſte Dienſt ſey vergolten, wenn man ein-
mal das Gluͤck haben darf, mit Ihnen zu ſpeiſen.
Franz. Recht, Herr! Lieber Kartoffeln zu
Hauſe, wo man nicht jeden Biſſen mit Schmeiche-
leyen verzollen muß, wo man nicht gezwungen iſt,
uͤber froſtige Spaͤschen zu lachen, oder den ehrli-
chen Namen eines Dritten zu zerreißen.
Unbek. Wir wollen fort.
Franz. Aber Geduld, gnaͤdiger Herr! Vielleicht
zerſtreut ſich das Menſchengewuͤhl wieder. Die
kommen allzumal aus der Reſidenz, werden’s im
Schatten der einfachen Natur bald ſatt kriegen,
finden hier weder Karten noch Hanswuͤrſte, wenn
ſie nicht ſelbſt welche mitgebracht haben. Denn
heut zu Tage hat jeder Narr ſeinen Hanswurſt bey
der Hand. Geben Sie Acht, Herr, das ſind die
Drohnen aus dem Bienenſtocke des Hofes; die ſind
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#FRA">
              <p><pb facs="#f0086" n="78"/>
ein Men&#x017F;ch, dem man das Leben gerettet hat, ei-<lb/>
nen zum E&#x017F;&#x017F;en bitten la&#x0364;ßt, das find&#x2019; ich &#x017F;ehr na-<lb/>
tu&#x0364;rlich.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#UNBE">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker>
              <p>Aber man &#x017F;oll mich nicht zum E&#x017F;&#x017F;en bitten.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#FRA">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker>
              <p>Seyn Sie ruhig! Man wird es &#x017F;chwer-<lb/>
lich zum zweiten Male ver&#x017F;uchen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#UNBE">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker>
              <p>Die Schranzen! Sie bilden &#x017F;ich ein,<lb/>
der wichtig&#x017F;te Dien&#x017F;t &#x017F;ey vergolten, wenn man ein-<lb/>
mal das Glu&#x0364;ck haben darf, mit Ihnen zu &#x017F;pei&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#FRA">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker>
              <p>Recht, Herr! Lieber Kartoffeln zu<lb/>
Hau&#x017F;e, wo man nicht jeden Bi&#x017F;&#x017F;en mit Schmeiche-<lb/>
leyen verzollen muß, wo man nicht gezwungen i&#x017F;t,<lb/>
u&#x0364;ber fro&#x017F;tige Spa&#x0364;schen zu lachen, oder den ehrli-<lb/>
chen Namen eines Dritten zu zerreißen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#UNBE">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker>
              <p>Wir wollen fort.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#FRA">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker>
              <p>Aber Geduld, gna&#x0364;diger Herr! Vielleicht<lb/>
zer&#x017F;treut &#x017F;ich das Men&#x017F;chengewu&#x0364;hl wieder. Die<lb/>
kommen allzumal aus der Re&#x017F;idenz, werden&#x2019;s im<lb/>
Schatten der einfachen Natur bald &#x017F;att kriegen,<lb/>
finden hier weder Karten noch Hanswu&#x0364;r&#x017F;te, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t welche mitgebracht haben. Denn<lb/>
heut zu Tage hat jeder Narr &#x017F;einen Hanswur&#x017F;t bey<lb/>
der Hand. Geben Sie Acht, Herr, das &#x017F;ind die<lb/>
Drohnen aus dem Bienen&#x017F;tocke des Hofes; die &#x017F;ind<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0086] ein Menſch, dem man das Leben gerettet hat, ei- nen zum Eſſen bitten laͤßt, das find’ ich ſehr na- tuͤrlich. Unbek. Aber man ſoll mich nicht zum Eſſen bitten. Franz. Seyn Sie ruhig! Man wird es ſchwer- lich zum zweiten Male verſuchen. Unbek. Die Schranzen! Sie bilden ſich ein, der wichtigſte Dienſt ſey vergolten, wenn man ein- mal das Gluͤck haben darf, mit Ihnen zu ſpeiſen. Franz. Recht, Herr! Lieber Kartoffeln zu Hauſe, wo man nicht jeden Biſſen mit Schmeiche- leyen verzollen muß, wo man nicht gezwungen iſt, uͤber froſtige Spaͤschen zu lachen, oder den ehrli- chen Namen eines Dritten zu zerreißen. Unbek. Wir wollen fort. Franz. Aber Geduld, gnaͤdiger Herr! Vielleicht zerſtreut ſich das Menſchengewuͤhl wieder. Die kommen allzumal aus der Reſidenz, werden’s im Schatten der einfachen Natur bald ſatt kriegen, finden hier weder Karten noch Hanswuͤrſte, wenn ſie nicht ſelbſt welche mitgebracht haben. Denn heut zu Tage hat jeder Narr ſeinen Hanswurſt bey der Hand. Geben Sie Acht, Herr, das ſind die Drohnen aus dem Bienenſtocke des Hofes; die ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/86
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/86>, abgerufen am 21.11.2024.