endlich wird nur durch K. 2 vertreten; sie ist gekennzeichnet durch einen hohen Anfangswerth, sehr bedeutende Abnahme und spätere Zu- nahme der geschätzten Zeiten.
Die Regelmässigkeit im Gange der Schätzungswerthe und die an- scheinende Beziehung des Verlaufes zu der Länge der ersten Mittel machen es mir wahrscheinlich, dass zum mindesten die ersten beiden Typen eine tiefere Bedeutung haben, dass sie uns vielleicht einen ge- wissen Aufschluss geben über die augenblickliche Disposition der Ver- suchsperson. Bedeutende Ueberschätzung im Beginn würde es uns ermöglichen, ein späteres Sinken der Zahlen vorherzusagen, während niedrige Anfangswerthe uns zunächst ein Ansteigen und erst dann eine Abnahme erwarten lassen würden. Eine sichere Deutung dieser Beziehung ist bei dem Stadium, in welchem sich das Zeitschätzungs- problem heute noch befindet, kaum möglich. Wir werden indessen erinnert an Erfahrungen, die uns früher bei Würdigung des Verhaltens der augenblicklichen Disposition begegnet sind. Damals sahen wir, dass bei hoher Anfangsleistung sehr bald eine Abnahme derselben durch die Ermüdung einzutreten pflegt, während eine geringe Arbeits- fähigkeit im Beginne, wenn sie nicht bereits ein Zeichen starker Er- schöpfung ist, in der Regel während des Versuches zunächst anwächst und erst später wieder sinkt. Die Analogie dieser Beobachtungen mit dem Verhalten der beiden ersten oben geschilderten Typen er- scheint mir bemerkenswerth. Hohe Schätzungswerthe hier würden demnach etwa einer Steigerung, niedrige dagegen einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit entsprechen.
Diese letztere Annahme hat in der That eine grosse Wahrscheinlich- keit für sich. Schon Ejner*) hat gezeigt, dass mit zunehmender Er- müdung überall ein Sinken der Schätzungswerthe eintritt. Der allgemeine Gang der Zahlen in den beiden letzten Gruppen gegenüber den beiden ersten lässt sich ebenfalls in diesem Sinne deuten, um so sicherer, als in der That bei den überaus unangenehmen Versuchen das subjective Gefühl der Ermüdung sich gegen den Schluss sehr deutlich geltend machte. Aber auch der Verlauf der Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen spricht für jene Auffassung. Das Sinken der Zahlen ist in den ersten Gruppen viel geringer, als in den späteren. Während dort die niedrige Stufe der Anfangswerthe bei Weitem nicht erreicht wird, sehen wir die geschätzten Zeiten hier schliesslich bisweilen sogar erheblich kürzer werden, als im Beginne. Bilden wir z. B. die Differenzen aus den
*) l. c. p. 30 ss.
endlich wird nur durch K. 2 vertreten; sie ist gekennzeichnet durch einen hohen Anfangswerth, sehr bedeutende Abnahme und spätere Zu- nahme der geschätzten Zeiten.
Die Regelmässigkeit im Gange der Schätzungswerthe und die an- scheinende Beziehung des Verlaufes zu der Länge der ersten Mittel machen es mir wahrscheinlich, dass zum mindesten die ersten beiden Typen eine tiefere Bedeutung haben, dass sie uns vielleicht einen ge- wissen Aufschluss geben über die augenblickliche Disposition der Ver- suchsperson. Bedeutende Ueberschätzung im Beginn würde es uns ermöglichen, ein späteres Sinken der Zahlen vorherzusagen, während niedrige Anfangswerthe uns zunächst ein Ansteigen und erst dann eine Abnahme erwarten lassen würden. Eine sichere Deutung dieser Beziehung ist bei dem Stadium, in welchem sich das Zeitschätzungs- problem heute noch befindet, kaum möglich. Wir werden indessen erinnert an Erfahrungen, die uns früher bei Würdigung des Verhaltens der augenblicklichen Disposition begegnet sind. Damals sahen wir, dass bei hoher Anfangsleistung sehr bald eine Abnahme derselben durch die Ermüdung einzutreten pflegt, während eine geringe Arbeits- fähigkeit im Beginne, wenn sie nicht bereits ein Zeichen starker Er- schöpfung ist, in der Regel während des Versuches zunächst anwächst und erst später wieder sinkt. Die Analogie dieser Beobachtungen mit dem Verhalten der beiden ersten oben geschilderten Typen er- scheint mir bemerkenswerth. Hohe Schätzungswerthe hier würden demnach etwa einer Steigerung, niedrige dagegen einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit entsprechen.
Diese letztere Annahme hat in der That eine grosse Wahrscheinlich- keit für sich. Schon Ejner*) hat gezeigt, dass mit zunehmender Er- müdung überall ein Sinken der Schätzungswerthe eintritt. Der allgemeine Gang der Zahlen in den beiden letzten Gruppen gegenüber den beiden ersten lässt sich ebenfalls in diesem Sinne deuten, um so sicherer, als in der That bei den überaus unangenehmen Versuchen das subjective Gefühl der Ermüdung sich gegen den Schluss sehr deutlich geltend machte. Aber auch der Verlauf der Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen spricht für jene Auffassung. Das Sinken der Zahlen ist in den ersten Gruppen viel geringer, als in den späteren. Während dort die niedrige Stufe der Anfangswerthe bei Weitem nicht erreicht wird, sehen wir die geschätzten Zeiten hier schliesslich bisweilen sogar erheblich kürzer werden, als im Beginne. Bilden wir z. B. die Differenzen aus den
*) l. c. p. 30 ss.
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endlich wird nur durch K. 2 vertreten; sie ist gekennzeichnet durch
einen hohen Anfangswerth, sehr bedeutende Abnahme und spätere Zu-
nahme der geschätzten Zeiten.
Die Regelmässigkeit im Gange der Schätzungswerthe und die an-
scheinende Beziehung des Verlaufes zu der Länge der ersten Mittel
machen es mir wahrscheinlich, dass zum mindesten die ersten beiden
Typen eine tiefere Bedeutung haben, dass sie uns vielleicht einen ge-
wissen Aufschluss geben über die augenblickliche Disposition der Ver-
suchsperson. Bedeutende Ueberschätzung im Beginn würde es uns
ermöglichen, ein späteres Sinken der Zahlen vorherzusagen, während
niedrige Anfangswerthe uns zunächst ein Ansteigen und erst dann
eine Abnahme erwarten lassen würden. Eine sichere Deutung dieser
Beziehung ist bei dem Stadium, in welchem sich das Zeitschätzungs-
problem heute noch befindet, kaum möglich. Wir werden indessen
erinnert an Erfahrungen, die uns früher bei Würdigung des Verhaltens
der augenblicklichen Disposition begegnet sind. Damals sahen wir,
dass bei hoher Anfangsleistung sehr bald eine Abnahme derselben
durch die Ermüdung einzutreten pflegt, während eine geringe Arbeits-
fähigkeit im Beginne, wenn sie nicht bereits ein Zeichen starker Er-
schöpfung ist, in der Regel während des Versuches zunächst anwächst
und erst später wieder sinkt. Die Analogie dieser Beobachtungen
mit dem Verhalten der beiden ersten oben geschilderten Typen er-
scheint mir bemerkenswerth. Hohe Schätzungswerthe hier würden
demnach etwa einer Steigerung, niedrige dagegen einer Herabsetzung
der Leistungsfähigkeit entsprechen.
Diese letztere Annahme hat in der That eine grosse Wahrscheinlich-
keit für sich. Schon Ejner *) hat gezeigt, dass mit zunehmender Er-
müdung überall ein Sinken der Schätzungswerthe eintritt. Der allgemeine
Gang der Zahlen in den beiden letzten Gruppen gegenüber den beiden
ersten lässt sich ebenfalls in diesem Sinne deuten, um so sicherer, als in
der That bei den überaus unangenehmen Versuchen das subjective Gefühl
der Ermüdung sich gegen den Schluss sehr deutlich geltend machte. Aber
auch der Verlauf der Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen
spricht für jene Auffassung. Das Sinken der Zahlen ist in den ersten
Gruppen viel geringer, als in den späteren. Während dort die niedrige
Stufe der Anfangswerthe bei Weitem nicht erreicht wird, sehen wir die
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werden, als im Beginne. Bilden wir z. B. die Differenzen aus den
*) l. c. p. 30 ss.
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/114>, abgerufen am 16.07.2024.
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