nach dem Beginn der Paraldehydwirkung, unmittelbar zwischen zwei sehr langen Zahlen. Man erhält daraus den Eindruck, als ob hier gewissermassen zwei antagonistische Vorgänge neben einander her- gingen, von denen bald der eine bald der andere die Oberhand gewinnt.
In der That kann es, wie mir scheint, trotz der Unvollständigkeit der vorstehend mitgetheilten Versuche kaum noch einem Zweifel unter- liegen, dass diese Annahme am besten im Stande wäre, die bis jetzt vorhandenen Beobachtungsthatsachen zu erklären. Auf der einen Seite besteht ganz offenbar eine Erleichterung der Auslösung von Willensimpulsen, da eine andere Erklärung für das auffallende Auf- treten der negativen wie der Fehlreactionen nicht wol denkbar ist. Dafür spricht weiterhin das subjective Gefühl beschleunigter Reaction, die bisweilen beobachtete lebhafte Muskelunruhe und endlich der Versuch K. (2 gr) mit Wahlreactionen, der uns unmittelbar diesen rascheren Ablauf einfacher Wahlacte aufzeigt. Andererseits wird das Erkennen äusserer Eindrücke unter dem Einflusse des Paraldehyds erschwert, wie das namentlich aus den Versuchen K. mit Wort- reactionen hervorgehen dürfte, abgesehen von dem sehr deutlichen Ermüdungsgefühl, welches sich bei R. und L. sogar trotz ausge- bildeter vorzeitiger Reactionen geltend machte. Namentlich diese Ver- langsamung der Auffassung wächst in sehr ausgeprägter Weise mit der Grösse der Dosis an, wie die Versuche K. mit Wortreactionen darthun. Weniger ist das vielleicht mit der Beschleunigung der Willenshandlungen der Fall, ja möglicherweise findet hier sogar inner- halb gewisser Grenzen ein umgekehrtes Verhältniss statt, doch ge- stattet das vorliegende Versuchsmaterial darüber kein Urtheil. Er- klärlich ist es ohnedies, dass der Wahlversuch K. (5 gr) nur eine geringfügige und unregelmässige Beschleunigung gegenüber dem Ver- suche mit 2 gr darbieten konnte, da nunmehr eben die Verlangsamung der Auffassung stärker anwuchs, als die Erleichterung des Wahlactes. Auch bei L. überwog die Auffassungsstörung wegen der grösseren Paraldehydgabe derart über die in den Fehlreactionen sich kund- gebende Wahlbeschleunigung, dass in den gemessenen Zahlen nur die Ver- längerung der gesammten Reactionsdauer zum Ausdruck kommen konnte.
Vielleicht sind wir jetzt auch berechtigt, auf die früher wieder- holt erwähnte Thatsache einer anfänglichen geringen Verkürzung der Zeiten bei K., die am deutlichsten bei den Wortreactionen, bei der kleineren Dosis, hervortrat, noch einmal zurückzukommen. Diese Erscheinung würde erklärlich sein, wenn die Verlangsamung der Auf-
nach dem Beginn der Paraldehydwirkung, unmittelbar zwischen zwei sehr langen Zahlen. Man erhält daraus den Eindruck, als ob hier gewissermassen zwei antagonistische Vorgänge neben einander her- gingen, von denen bald der eine bald der andere die Oberhand gewinnt.
In der That kann es, wie mir scheint, trotz der Unvollständigkeit der vorstehend mitgetheilten Versuche kaum noch einem Zweifel unter- liegen, dass diese Annahme am besten im Stande wäre, die bis jetzt vorhandenen Beobachtungsthatsachen zu erklären. Auf der einen Seite besteht ganz offenbar eine Erleichterung der Auslösung von Willensimpulsen, da eine andere Erklärung für das auffallende Auf- treten der negativen wie der Fehlreactionen nicht wol denkbar ist. Dafür spricht weiterhin das subjective Gefühl beschleunigter Reaction, die bisweilen beobachtete lebhafte Muskelunruhe und endlich der Versuch K. (2 gr) mit Wahlreactionen, der uns unmittelbar diesen rascheren Ablauf einfacher Wahlacte aufzeigt. Andererseits wird das Erkennen äusserer Eindrücke unter dem Einflusse des Paraldehyds erschwert, wie das namentlich aus den Versuchen K. mit Wort- reactionen hervorgehen dürfte, abgesehen von dem sehr deutlichen Ermüdungsgefühl, welches sich bei R. und L. sogar trotz ausge- bildeter vorzeitiger Reactionen geltend machte. Namentlich diese Ver- langsamung der Auffassung wächst in sehr ausgeprägter Weise mit der Grösse der Dosis an, wie die Versuche K. mit Wortreactionen darthun. Weniger ist das vielleicht mit der Beschleunigung der Willenshandlungen der Fall, ja möglicherweise findet hier sogar inner- halb gewisser Grenzen ein umgekehrtes Verhältniss statt, doch ge- stattet das vorliegende Versuchsmaterial darüber kein Urtheil. Er- klärlich ist es ohnedies, dass der Wahlversuch K. (5 gr) nur eine geringfügige und unregelmässige Beschleunigung gegenüber dem Ver- suche mit 2 gr darbieten konnte, da nunmehr eben die Verlangsamung der Auffassung stärker anwuchs, als die Erleichterung des Wahlactes. Auch bei L. überwog die Auffassungsstörung wegen der grösseren Paraldehydgabe derart über die in den Fehlreactionen sich kund- gebende Wahlbeschleunigung, dass in den gemessenen Zahlen nur die Ver- längerung der gesammten Reactionsdauer zum Ausdruck kommen konnte.
Vielleicht sind wir jetzt auch berechtigt, auf die früher wieder- holt erwähnte Thatsache einer anfänglichen geringen Verkürzung der Zeiten bei K., die am deutlichsten bei den Wortreactionen, bei der kleineren Dosis, hervortrat, noch einmal zurückzukommen. Diese Erscheinung würde erklärlich sein, wenn die Verlangsamung der Auf-
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[157/0173]
nach dem Beginn der Paraldehydwirkung, unmittelbar zwischen zwei
sehr langen Zahlen. Man erhält daraus den Eindruck, als ob hier
gewissermassen zwei antagonistische Vorgänge neben einander her-
gingen, von denen bald der eine bald der andere die Oberhand
gewinnt.
In der That kann es, wie mir scheint, trotz der Unvollständigkeit
der vorstehend mitgetheilten Versuche kaum noch einem Zweifel unter-
liegen, dass diese Annahme am besten im Stande wäre, die bis jetzt
vorhandenen Beobachtungsthatsachen zu erklären. Auf der einen
Seite besteht ganz offenbar eine Erleichterung der Auslösung von
Willensimpulsen, da eine andere Erklärung für das auffallende Auf-
treten der negativen wie der Fehlreactionen nicht wol denkbar ist.
Dafür spricht weiterhin das subjective Gefühl beschleunigter Reaction,
die bisweilen beobachtete lebhafte Muskelunruhe und endlich der
Versuch K. (2 gr) mit Wahlreactionen, der uns unmittelbar diesen
rascheren Ablauf einfacher Wahlacte aufzeigt. Andererseits wird das
Erkennen äusserer Eindrücke unter dem Einflusse des Paraldehyds
erschwert, wie das namentlich aus den Versuchen K. mit Wort-
reactionen hervorgehen dürfte, abgesehen von dem sehr deutlichen
Ermüdungsgefühl, welches sich bei R. und L. sogar trotz ausge-
bildeter vorzeitiger Reactionen geltend machte. Namentlich diese Ver-
langsamung der Auffassung wächst in sehr ausgeprägter Weise mit
der Grösse der Dosis an, wie die Versuche K. mit Wortreactionen
darthun. Weniger ist das vielleicht mit der Beschleunigung der
Willenshandlungen der Fall, ja möglicherweise findet hier sogar inner-
halb gewisser Grenzen ein umgekehrtes Verhältniss statt, doch ge-
stattet das vorliegende Versuchsmaterial darüber kein Urtheil. Er-
klärlich ist es ohnedies, dass der Wahlversuch K. (5 gr) nur eine
geringfügige und unregelmässige Beschleunigung gegenüber dem Ver-
suche mit 2 gr darbieten konnte, da nunmehr eben die Verlangsamung
der Auffassung stärker anwuchs, als die Erleichterung des Wahlactes.
Auch bei L. überwog die Auffassungsstörung wegen der grösseren
Paraldehydgabe derart über die in den Fehlreactionen sich kund-
gebende Wahlbeschleunigung, dass in den gemessenen Zahlen nur die Ver-
längerung der gesammten Reactionsdauer zum Ausdruck kommen konnte.
Vielleicht sind wir jetzt auch berechtigt, auf die früher wieder-
holt erwähnte Thatsache einer anfänglichen geringen Verkürzung
der Zeiten bei K., die am deutlichsten bei den Wortreactionen, bei
der kleineren Dosis, hervortrat, noch einmal zurückzukommen. Diese
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/173>, abgerufen am 16.07.2024.
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