dann natürlich Fehler häufiger mit unterlaufen mussten. Die gleiche Erscheinung ist bekanntlich auch sonst bei der absichtlichen Um- wandlung sensorieller in musculäre Reactionen beobachtet worden. Für die Berechnung der Mittelzahlen wurden diese Fehlversuche nicht mit verwerthet.
Die Versuche bei K. zeigen ein in vieler Beziehung abweichendes Verhalten. Bei der Dosis von 2 gr stellt sich von vornherein eine deutliche und bis zum Ende des allerdings nur 27 Minuten weiter- geführten Versuches fortschreitende Verkürzung der Zahlen heraus. Berücksichtigen wir die Versuchstechnik, so kann diese Verkürzung nicht wol eine scheinbare sein, sondern es muss hier wirklich eine Beschleunigung des Wahlvorganges stattgefunden haben. Allerdings sind die Normalmittel in diesem, weniger auch in dem andern Ver- suche, ganz abnorm hoch, so dass hier wol an eine anfänglich beson- ders ungünstige Disposition gedacht werden könnte, die sich erst all- mählich durch die Uebung ausgeglichen habe. Offenbar aber genügt auch eine solche Annahme keinesfalls, um den durchgreifenden Unter- schied in dem Verlaufe dieses Versuches gegenüber dem mit der gleichen Dosis ausgeführten Wortreactionsversuche zu erklären. Das ist um so weniger der Fall, als auch hier in den zahlreich auftretenden Fehlreactionen sich die Neigung zu voreiliger Auslösung der Bewe- gung deutlich zu erkennen giebt. Trotzdem K. an sich offenbar nicht dazu disponirt war, vor klarer Auffassung des Signaleindruckes zu reagiren, wie sich bei den einfachen und Wortreactionen gezeigt hatte, trotzdem er gerade an dem bestimmten Versuchstage von vorn- herein sehr bedächtig vorging, passirte es ihm unter dem Einflusse des Paraldehyd doch 8 Mal, dass er sich in der Auswahl der Hand vergriff. Da die Zeiten dabei kürzer wurden, kann es sich hier nicht etwa um eine undeutliche, erschwerte und verlangsamte Auffassung des Signals, sondern nur um eine vorzeitige Auslösung des Bewegungs- impulses gehandelt haben.
Der letzte Versuch K. mit 5 gr Paraldehyd bietet die gleiche Erscheinung in vergrössertem Massstabe dar. Noch 40--50 Minuten nach der Einnahme des Mittels treten häufige Fehlreactionen auf. Allein die psychischen Zeiten lassen hier eine entschiedene Verlängerung erkennen, die nach 20--25 Minuten am beträchtlichsten ist und später langsam wieder abnimmt. Auffallenderweise schieben sich hier zwischen die langen Mittelwerthe einzelne nahezu oder völlig normale Zahlen ein, ja das niedrigste Mittel der ganzen Reihe, welches noch unter den anfänglichen Normalwerthen liegt, findet sich etwa 40 Minuten
dann natürlich Fehler häufiger mit unterlaufen mussten. Die gleiche Erscheinung ist bekanntlich auch sonst bei der absichtlichen Um- wandlung sensorieller in musculäre Reactionen beobachtet worden. Für die Berechnung der Mittelzahlen wurden diese Fehlversuche nicht mit verwerthet.
Die Versuche bei K. zeigen ein in vieler Beziehung abweichendes Verhalten. Bei der Dosis von 2 gr stellt sich von vornherein eine deutliche und bis zum Ende des allerdings nur 27 Minuten weiter- geführten Versuches fortschreitende Verkürzung der Zahlen heraus. Berücksichtigen wir die Versuchstechnik, so kann diese Verkürzung nicht wol eine scheinbare sein, sondern es muss hier wirklich eine Beschleunigung des Wahlvorganges stattgefunden haben. Allerdings sind die Normalmittel in diesem, weniger auch in dem andern Ver- suche, ganz abnorm hoch, so dass hier wol an eine anfänglich beson- ders ungünstige Disposition gedacht werden könnte, die sich erst all- mählich durch die Uebung ausgeglichen habe. Offenbar aber genügt auch eine solche Annahme keinesfalls, um den durchgreifenden Unter- schied in dem Verlaufe dieses Versuches gegenüber dem mit der gleichen Dosis ausgeführten Wortreactionsversuche zu erklären. Das ist um so weniger der Fall, als auch hier in den zahlreich auftretenden Fehlreactionen sich die Neigung zu voreiliger Auslösung der Bewe- gung deutlich zu erkennen giebt. Trotzdem K. an sich offenbar nicht dazu disponirt war, vor klarer Auffassung des Signaleindruckes zu reagiren, wie sich bei den einfachen und Wortreactionen gezeigt hatte, trotzdem er gerade an dem bestimmten Versuchstage von vorn- herein sehr bedächtig vorging, passirte es ihm unter dem Einflusse des Paraldehyd doch 8 Mal, dass er sich in der Auswahl der Hand vergriff. Da die Zeiten dabei kürzer wurden, kann es sich hier nicht etwa um eine undeutliche, erschwerte und verlangsamte Auffassung des Signals, sondern nur um eine vorzeitige Auslösung des Bewegungs- impulses gehandelt haben.
Der letzte Versuch K. mit 5 gr Paraldehyd bietet die gleiche Erscheinung in vergrössertem Massstabe dar. Noch 40—50 Minuten nach der Einnahme des Mittels treten häufige Fehlreactionen auf. Allein die psychischen Zeiten lassen hier eine entschiedene Verlängerung erkennen, die nach 20—25 Minuten am beträchtlichsten ist und später langsam wieder abnimmt. Auffallenderweise schieben sich hier zwischen die langen Mittelwerthe einzelne nahezu oder völlig normale Zahlen ein, ja das niedrigste Mittel der ganzen Reihe, welches noch unter den anfänglichen Normalwerthen liegt, findet sich etwa 40 Minuten
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dann natürlich Fehler häufiger mit unterlaufen mussten. Die gleiche
Erscheinung ist bekanntlich auch sonst bei der absichtlichen Um-
wandlung sensorieller in musculäre Reactionen beobachtet worden. Für
die Berechnung der Mittelzahlen wurden diese Fehlversuche nicht mit
verwerthet.
Die Versuche bei K. zeigen ein in vieler Beziehung abweichendes
Verhalten. Bei der Dosis von 2 gr stellt sich von vornherein eine
deutliche und bis zum Ende des allerdings nur 27 Minuten weiter-
geführten Versuches fortschreitende Verkürzung der Zahlen heraus.
Berücksichtigen wir die Versuchstechnik, so kann diese Verkürzung
nicht wol eine scheinbare sein, sondern es muss hier wirklich eine
Beschleunigung des Wahlvorganges stattgefunden haben. Allerdings
sind die Normalmittel in diesem, weniger auch in dem andern Ver-
suche, ganz abnorm hoch, so dass hier wol an eine anfänglich beson-
ders ungünstige Disposition gedacht werden könnte, die sich erst all-
mählich durch die Uebung ausgeglichen habe. Offenbar aber genügt
auch eine solche Annahme keinesfalls, um den durchgreifenden Unter-
schied in dem Verlaufe dieses Versuches gegenüber dem mit der
gleichen Dosis ausgeführten Wortreactionsversuche zu erklären. Das
ist um so weniger der Fall, als auch hier in den zahlreich auftretenden
Fehlreactionen sich die Neigung zu voreiliger Auslösung der Bewe-
gung deutlich zu erkennen giebt. Trotzdem K. an sich offenbar
nicht dazu disponirt war, vor klarer Auffassung des Signaleindruckes
zu reagiren, wie sich bei den einfachen und Wortreactionen gezeigt
hatte, trotzdem er gerade an dem bestimmten Versuchstage von vorn-
herein sehr bedächtig vorging, passirte es ihm unter dem Einflusse
des Paraldehyd doch 8 Mal, dass er sich in der Auswahl der Hand
vergriff. Da die Zeiten dabei kürzer wurden, kann es sich hier nicht
etwa um eine undeutliche, erschwerte und verlangsamte Auffassung
des Signals, sondern nur um eine vorzeitige Auslösung des Bewegungs-
impulses gehandelt haben.
Der letzte Versuch K. mit 5 gr Paraldehyd bietet die gleiche
Erscheinung in vergrössertem Massstabe dar. Noch 40—50 Minuten
nach der Einnahme des Mittels treten häufige Fehlreactionen auf.
Allein die psychischen Zeiten lassen hier eine entschiedene Verlängerung
erkennen, die nach 20—25 Minuten am beträchtlichsten ist und später
langsam wieder abnimmt. Auffallenderweise schieben sich hier
zwischen die langen Mittelwerthe einzelne nahezu oder völlig normale
Zahlen ein, ja das niedrigste Mittel der ganzen Reihe, welches noch
unter den anfänglichen Normalwerthen liegt, findet sich etwa 40 Minuten
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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