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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Saat.
bestellten Felder aus, auf welchem die Pflanzen am vollkommensten entwickelt sind.
Dieser Theil ist dann besonders zu pflegen, zu jäten und mit thunlichster Auf-
merksamkeit zu ernten. Die gewonnenen Samenpflanzen werden am sichersten im
Geströhe an trockenen, luftigen Orten bis zur Verwendung aufbewahrt. Bei größerem
Samenbedarfe kann man selbst eine passende Feldparzelle für die Samenzucht besonders
sorgfältig vorbereiten und düngen.

Bei Culturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Mais etc., von welchen wenige
Körner zur Bestellung einer verhältnißmäßig großen Fläche ausreichen, kann die
Sorgfalt bei der Cultur und Samengewinnung selbst auf die einzelne Pflanze aus-
gedehnt werden. Den Samen nimmt man von den kräftigsten jedoch im Blattwerke
nicht zu üppig entwickelten Pflanzen und bewahrt denselben bis zur Verwendung
sorgfältig auf.

Auf der Auswahl der einzelnen Samenkörner beruht das Hallet'sche Samenzucht-
verfahren (Pedigree). Wie sehr eine Auswahl der Samen je nach ihrem Vorkommen an
verschiedenen Stellen des Fruchtstandes gerechtfertigt ist, ergiebt sich aus Folgendem.
Dr. Heinrich 1) fand an den Roggenkörnern je nach ihrer Stellung an den beiden Enden
oder der Mitte der Aehre folgende Unterschiede: 100 Körner wogen aus den

untersten Aehrchen 1.5262 Gr., spec. Gewicht 1.2926
obersten Aehrchen 1.5415 " " " 1.2904
aus der Aehrenmitte 3.6656 " " " 1.3336.

Nach v. Nathusius--Königsborn 2) fand sich das leichteste Weizenkorn mit 0.017 Gr.
an der Spitze der Aehre, das schwerste mit 0.058 Gr. in der Mitte, während sich am
Grunde der Aehre nur rudimentäre Körner fanden.

Wer frühe Sorten erziehen will, muß aus einer größeren Zahl keimender
Samen jene auslesen, bei welchen die Keimung zuerst erfolgt.

Unter ungünstigen Verhältnissen kann jedoch bei der sachkundigsten Behandlung
kein guter Same gewonnen werden, da jede Pflanze ihre besonderen Ansprüche an
Boden und Klima macht. Für solche Oertlichkeiten empfiehlt sich der Samenbezug
von auswärts oder das Wechseln des Samens. Die etwaigen Mehrkosten des
fremden Saatgutes lohnen sich durch die anzuhoffenden höheren Ernteerträge. Dieses
Wechseln muß jedoch, soll es erfolgreich bleiben, öfter wiederholt werden, indem der
fremde Same, wenn er auch anfänglich reicheren Ertrag als der einheimische gewährt,
doch mit der Zeit, je nach der Pflanzenart in ein oder mehreren, höchstens 3--4
Jahren, seine Eigenthümlichkeit verliert und sich nicht mehr von dem ortsüblichen
Samen unterscheidet. Kann der Same von auswärts billiger als der eigengebaute
Same bezogen werden, wie z. B. bei Klee-, Gras-, Gemüsesamen, so wird man
gleichfalls den fremden Samen vorziehen. In jedem Falle hat man fremde Samen
vor ihrer Verwendung möglichst sorgfältig auszuputzen, um sich nicht der Gefahr
auszusetzen, lästige, oft schwer ausrottbare Unkräuter einzuschleppen.

1) Landw. Wchbl. Wien 1870. S. 606.
2) Annal. d. Landw. XXII. S. 78.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 14

Die Saat.
beſtellten Felder aus, auf welchem die Pflanzen am vollkommenſten entwickelt ſind.
Dieſer Theil iſt dann beſonders zu pflegen, zu jäten und mit thunlichſter Auf-
merkſamkeit zu ernten. Die gewonnenen Samenpflanzen werden am ſicherſten im
Geſtröhe an trockenen, luftigen Orten bis zur Verwendung aufbewahrt. Bei größerem
Samenbedarfe kann man ſelbſt eine paſſende Feldparzelle für die Samenzucht beſonders
ſorgfältig vorbereiten und düngen.

Bei Culturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Mais ꝛc., von welchen wenige
Körner zur Beſtellung einer verhältnißmäßig großen Fläche ausreichen, kann die
Sorgfalt bei der Cultur und Samengewinnung ſelbſt auf die einzelne Pflanze aus-
gedehnt werden. Den Samen nimmt man von den kräftigſten jedoch im Blattwerke
nicht zu üppig entwickelten Pflanzen und bewahrt denſelben bis zur Verwendung
ſorgfältig auf.

Auf der Auswahl der einzelnen Samenkörner beruht das Hallet'ſche Samenzucht-
verfahren (Pedigree). Wie ſehr eine Auswahl der Samen je nach ihrem Vorkommen an
verſchiedenen Stellen des Fruchtſtandes gerechtfertigt iſt, ergiebt ſich aus Folgendem.
Dr. Heinrich 1) fand an den Roggenkörnern je nach ihrer Stellung an den beiden Enden
oder der Mitte der Aehre folgende Unterſchiede: 100 Körner wogen aus den

unterſten Aehrchen 1.5262 Gr., ſpec. Gewicht 1.2926
oberſten Aehrchen 1.5415 „ „ „ 1.2904
aus der Aehrenmitte 3.6656 „ „ „ 1.3336.

Nach v. Nathuſius—Königsborn 2) fand ſich das leichteſte Weizenkorn mit 0.017 Gr.
an der Spitze der Aehre, das ſchwerſte mit 0.058 Gr. in der Mitte, während ſich am
Grunde der Aehre nur rudimentäre Körner fanden.

Wer frühe Sorten erziehen will, muß aus einer größeren Zahl keimender
Samen jene ausleſen, bei welchen die Keimung zuerſt erfolgt.

Unter ungünſtigen Verhältniſſen kann jedoch bei der ſachkundigſten Behandlung
kein guter Same gewonnen werden, da jede Pflanze ihre beſonderen Anſprüche an
Boden und Klima macht. Für ſolche Oertlichkeiten empfiehlt ſich der Samenbezug
von auswärts oder das Wechſeln des Samens. Die etwaigen Mehrkoſten des
fremden Saatgutes lohnen ſich durch die anzuhoffenden höheren Ernteerträge. Dieſes
Wechſeln muß jedoch, ſoll es erfolgreich bleiben, öfter wiederholt werden, indem der
fremde Same, wenn er auch anfänglich reicheren Ertrag als der einheimiſche gewährt,
doch mit der Zeit, je nach der Pflanzenart in ein oder mehreren, höchſtens 3—4
Jahren, ſeine Eigenthümlichkeit verliert und ſich nicht mehr von dem ortsüblichen
Samen unterſcheidet. Kann der Same von auswärts billiger als der eigengebaute
Same bezogen werden, wie z. B. bei Klee-, Gras-, Gemüſeſamen, ſo wird man
gleichfalls den fremden Samen vorziehen. In jedem Falle hat man fremde Samen
vor ihrer Verwendung möglichſt ſorgfältig auszuputzen, um ſich nicht der Gefahr
auszuſetzen, läſtige, oft ſchwer ausrottbare Unkräuter einzuſchleppen.

1) Landw. Wchbl. Wien 1870. S. 606.
2) Annal. d. Landw. XXII. S. 78.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 14
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[209/0227] Die Saat. beſtellten Felder aus, auf welchem die Pflanzen am vollkommenſten entwickelt ſind. Dieſer Theil iſt dann beſonders zu pflegen, zu jäten und mit thunlichſter Auf- merkſamkeit zu ernten. Die gewonnenen Samenpflanzen werden am ſicherſten im Geſtröhe an trockenen, luftigen Orten bis zur Verwendung aufbewahrt. Bei größerem Samenbedarfe kann man ſelbſt eine paſſende Feldparzelle für die Samenzucht beſonders ſorgfältig vorbereiten und düngen. Bei Culturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Mais ꝛc., von welchen wenige Körner zur Beſtellung einer verhältnißmäßig großen Fläche ausreichen, kann die Sorgfalt bei der Cultur und Samengewinnung ſelbſt auf die einzelne Pflanze aus- gedehnt werden. Den Samen nimmt man von den kräftigſten jedoch im Blattwerke nicht zu üppig entwickelten Pflanzen und bewahrt denſelben bis zur Verwendung ſorgfältig auf. Auf der Auswahl der einzelnen Samenkörner beruht das Hallet'ſche Samenzucht- verfahren (Pedigree). Wie ſehr eine Auswahl der Samen je nach ihrem Vorkommen an verſchiedenen Stellen des Fruchtſtandes gerechtfertigt iſt, ergiebt ſich aus Folgendem. Dr. Heinrich 1) fand an den Roggenkörnern je nach ihrer Stellung an den beiden Enden oder der Mitte der Aehre folgende Unterſchiede: 100 Körner wogen aus den unterſten Aehrchen 1.5262 Gr., ſpec. Gewicht 1.2926 oberſten Aehrchen 1.5415 „ „ „ 1.2904 aus der Aehrenmitte 3.6656 „ „ „ 1.3336. Nach v. Nathuſius—Königsborn 2) fand ſich das leichteſte Weizenkorn mit 0.017 Gr. an der Spitze der Aehre, das ſchwerſte mit 0.058 Gr. in der Mitte, während ſich am Grunde der Aehre nur rudimentäre Körner fanden. Wer frühe Sorten erziehen will, muß aus einer größeren Zahl keimender Samen jene ausleſen, bei welchen die Keimung zuerſt erfolgt. Unter ungünſtigen Verhältniſſen kann jedoch bei der ſachkundigſten Behandlung kein guter Same gewonnen werden, da jede Pflanze ihre beſonderen Anſprüche an Boden und Klima macht. Für ſolche Oertlichkeiten empfiehlt ſich der Samenbezug von auswärts oder das Wechſeln des Samens. Die etwaigen Mehrkoſten des fremden Saatgutes lohnen ſich durch die anzuhoffenden höheren Ernteerträge. Dieſes Wechſeln muß jedoch, ſoll es erfolgreich bleiben, öfter wiederholt werden, indem der fremde Same, wenn er auch anfänglich reicheren Ertrag als der einheimiſche gewährt, doch mit der Zeit, je nach der Pflanzenart in ein oder mehreren, höchſtens 3—4 Jahren, ſeine Eigenthümlichkeit verliert und ſich nicht mehr von dem ortsüblichen Samen unterſcheidet. Kann der Same von auswärts billiger als der eigengebaute Same bezogen werden, wie z. B. bei Klee-, Gras-, Gemüſeſamen, ſo wird man gleichfalls den fremden Samen vorziehen. In jedem Falle hat man fremde Samen vor ihrer Verwendung möglichſt ſorgfältig auszuputzen, um ſich nicht der Gefahr auszuſetzen, läſtige, oft ſchwer ausrottbare Unkräuter einzuſchleppen. 1) Landw. Wchbl. Wien 1870. S. 606. 2) Annal. d. Landw. XXII. S. 78. Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 14

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/227>, abgerufen am 24.11.2024.