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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Allgemeine Ackerbaulehre.

Die klimatischen Verhältnisse 1) werden wieder bestimmt durch die geographische
Lage nach dem Breite- und Längengrad, durch die physische Lage innerhalb des Binnen-
oder Küstenlandes, durch die orographische und hydrographische Gestaltung des Landes
und durch die Erhebung über die Meeresfläche. Die geographische Lage eines Grund-
stückes entscheidet vorzugsweise über das Ausmaß an Wärme, welche demselben zu-
kommt, die Meereserhebung über die Vertheilung von Regen und Schnee und die
orographische Gestaltung über die Richtung der Luftströmungen (Winde).

Für die Beurtheilung des Klimas in Beziehung zu seinem Einflusse auf die
Vegetation ist es nicht genügend die jährlichen Normalmitteln der Temperatur, der
Luftfeuchtigkeit und des Niederschlages zu kennen, sondern es muß auch die Verthei-
lung der Wärme, der Feuchtigkeit, der Regenmenge auf die einzelnen Jahreszeiten
und selbst auf die einzelnen Monate, sowie auch die Maxima und Minima dieser
klimatischen Erscheinungen, welche oft eine entscheidende Rolle spielen, beachtet werden.

Obwohl die Elemente, welche das Klima einer Gegend und weiterhin den je-
weiligen Charakter der Witterung bedingen, niemals einzeln sondern stets vereinigt
auftreten, wollen wir dieselben doch des leichteren Verständnisses wegen, getrennt nach
1. Luft, 2. Wasser, 3. Licht und 4. Wärme betrachten. In ihrem Zu-
sammenwirken nehmen die klimatischen Elemente sowohl auf die Lebensthätigkeit der
Elementarorgane der Pflanze, als auch auf das Gedeihen der gesammten Pflanze Ein-
fluß und bestimmen damit den Gesammt-Charakter der Pflanzenvegetation einer Gegend.

1. Die Luft.

Nächst dem Boden, welcher der Pflanze die mineralischen Nährstoffe darbietet) ist
die Luft zum Wachsthume der Pflanzen unentbehrlich. Sie bietet nicht nur eine un-
versiegbare Quelle für jene Nährstoffe (Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff),
aus welchen die Pflanzen ihren verbrennlichen Theil oder ihre organische Substanz
aufbaut, sondern sie wirkt auch durch ihre wechselnden Zustände befördernd oder hem-
mend auf das Pflanzenwachsthum ein.

Die atmosphärische Luft besteht aus einem nahezu constanten Gemenge von
23 Gewichtsprocenten oder 20.9 Volumsprocenten Sauerstoff und 77 Gewichtspro-
centen oder 79.1 Volumsprocenten Stickstoff. Außerdem enthält die Luft 0.036--0.05
(im Durchschnitte 0.049) Volumprocente Kohlensäure. Am geringsten ist der Gehalt
der Luft an Ammoniak (in 1 Million Gewichtstheile sind enthalten 0.169--3.680
Theile Ammoniak) und Salpetersäure; am schwankendsten der Gehalt an Wasser.

Die Luft im Boden und jene, welche mit den Niederschlägen dem Boden zu-
geführt wird, ist nach Peligot und Boussingault sauerstoffreicher, indem auf 32 Theile
Sauerstoff 68 Theile Stickstoff kommen. Desgleichen ist die Bodenluft durch die
Fähigkeit des lockeren, mürben Bodens Gase zu absorbiren und durch die Verwesungs-
produkte der organischen Substanzen kohlensäure und ammoniakreicher. Nach
Boussingault enthält die Luft in frischgedüngtem Boden 2.2, in sehr humusreichem

1) Für eingehendere Studien ist zu empfehlen: Dr. J. R. Lorenz u. Dr. C. Rothe.
Lehrbuch der Klimatologie mit besonderer Rücksicht auf Land- u. Forstwirthschaft. Wien 1874.
Allgemeine Ackerbaulehre.

Die klimatiſchen Verhältniſſe 1) werden wieder beſtimmt durch die geographiſche
Lage nach dem Breite- und Längengrad, durch die phyſiſche Lage innerhalb des Binnen-
oder Küſtenlandes, durch die orographiſche und hydrographiſche Geſtaltung des Landes
und durch die Erhebung über die Meeresfläche. Die geographiſche Lage eines Grund-
ſtückes entſcheidet vorzugsweiſe über das Ausmaß an Wärme, welche demſelben zu-
kommt, die Meereserhebung über die Vertheilung von Regen und Schnee und die
orographiſche Geſtaltung über die Richtung der Luftſtrömungen (Winde).

Für die Beurtheilung des Klimas in Beziehung zu ſeinem Einfluſſe auf die
Vegetation iſt es nicht genügend die jährlichen Normalmitteln der Temperatur, der
Luftfeuchtigkeit und des Niederſchlages zu kennen, ſondern es muß auch die Verthei-
lung der Wärme, der Feuchtigkeit, der Regenmenge auf die einzelnen Jahreszeiten
und ſelbſt auf die einzelnen Monate, ſowie auch die Maxima und Minima dieſer
klimatiſchen Erſcheinungen, welche oft eine entſcheidende Rolle ſpielen, beachtet werden.

Obwohl die Elemente, welche das Klima einer Gegend und weiterhin den je-
weiligen Charakter der Witterung bedingen, niemals einzeln ſondern ſtets vereinigt
auftreten, wollen wir dieſelben doch des leichteren Verſtändniſſes wegen, getrennt nach
1. Luft, 2. Waſſer, 3. Licht und 4. Wärme betrachten. In ihrem Zu-
ſammenwirken nehmen die klimatiſchen Elemente ſowohl auf die Lebensthätigkeit der
Elementarorgane der Pflanze, als auch auf das Gedeihen der geſammten Pflanze Ein-
fluß und beſtimmen damit den Geſammt-Charakter der Pflanzenvegetation einer Gegend.

1. Die Luft.

Nächſt dem Boden, welcher der Pflanze die mineraliſchen Nährſtoffe darbietet) iſt
die Luft zum Wachsthume der Pflanzen unentbehrlich. Sie bietet nicht nur eine un-
verſiegbare Quelle für jene Nährſtoffe (Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff),
aus welchen die Pflanzen ihren verbrennlichen Theil oder ihre organiſche Subſtanz
aufbaut, ſondern ſie wirkt auch durch ihre wechſelnden Zuſtände befördernd oder hem-
mend auf das Pflanzenwachsthum ein.

Die atmoſphäriſche Luft beſteht aus einem nahezu conſtanten Gemenge von
23 Gewichtsprocenten oder 20.9 Volumsprocenten Sauerſtoff und 77 Gewichtspro-
centen oder 79.1 Volumsprocenten Stickſtoff. Außerdem enthält die Luft 0.036—0.05
(im Durchſchnitte 0.049) Volumprocente Kohlenſäure. Am geringſten iſt der Gehalt
der Luft an Ammoniak (in 1 Million Gewichtstheile ſind enthalten 0.169—3.680
Theile Ammoniak) und Salpeterſäure; am ſchwankendſten der Gehalt an Waſſer.

Die Luft im Boden und jene, welche mit den Niederſchlägen dem Boden zu-
geführt wird, iſt nach Peligot und Bouſſingault ſauerſtoffreicher, indem auf 32 Theile
Sauerſtoff 68 Theile Stickſtoff kommen. Desgleichen iſt die Bodenluft durch die
Fähigkeit des lockeren, mürben Bodens Gaſe zu abſorbiren und durch die Verweſungs-
produkte der organiſchen Subſtanzen kohlenſäure und ammoniakreicher. Nach
Bouſſingault enthält die Luft in friſchgedüngtem Boden 2.2, in ſehr humusreichem

1) Für eingehendere Studien iſt zu empfehlen: Dr. J. R. Lorenz u. Dr. C. Rothe.
Lehrbuch der Klimatologie mit beſonderer Rückſicht auf Land- u. Forſtwirthſchaft. Wien 1874.
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[58/0076] Allgemeine Ackerbaulehre. Die klimatiſchen Verhältniſſe 1) werden wieder beſtimmt durch die geographiſche Lage nach dem Breite- und Längengrad, durch die phyſiſche Lage innerhalb des Binnen- oder Küſtenlandes, durch die orographiſche und hydrographiſche Geſtaltung des Landes und durch die Erhebung über die Meeresfläche. Die geographiſche Lage eines Grund- ſtückes entſcheidet vorzugsweiſe über das Ausmaß an Wärme, welche demſelben zu- kommt, die Meereserhebung über die Vertheilung von Regen und Schnee und die orographiſche Geſtaltung über die Richtung der Luftſtrömungen (Winde). Für die Beurtheilung des Klimas in Beziehung zu ſeinem Einfluſſe auf die Vegetation iſt es nicht genügend die jährlichen Normalmitteln der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und des Niederſchlages zu kennen, ſondern es muß auch die Verthei- lung der Wärme, der Feuchtigkeit, der Regenmenge auf die einzelnen Jahreszeiten und ſelbſt auf die einzelnen Monate, ſowie auch die Maxima und Minima dieſer klimatiſchen Erſcheinungen, welche oft eine entſcheidende Rolle ſpielen, beachtet werden. Obwohl die Elemente, welche das Klima einer Gegend und weiterhin den je- weiligen Charakter der Witterung bedingen, niemals einzeln ſondern ſtets vereinigt auftreten, wollen wir dieſelben doch des leichteren Verſtändniſſes wegen, getrennt nach 1. Luft, 2. Waſſer, 3. Licht und 4. Wärme betrachten. In ihrem Zu- ſammenwirken nehmen die klimatiſchen Elemente ſowohl auf die Lebensthätigkeit der Elementarorgane der Pflanze, als auch auf das Gedeihen der geſammten Pflanze Ein- fluß und beſtimmen damit den Geſammt-Charakter der Pflanzenvegetation einer Gegend. 1. Die Luft. Nächſt dem Boden, welcher der Pflanze die mineraliſchen Nährſtoffe darbietet) iſt die Luft zum Wachsthume der Pflanzen unentbehrlich. Sie bietet nicht nur eine un- verſiegbare Quelle für jene Nährſtoffe (Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff), aus welchen die Pflanzen ihren verbrennlichen Theil oder ihre organiſche Subſtanz aufbaut, ſondern ſie wirkt auch durch ihre wechſelnden Zuſtände befördernd oder hem- mend auf das Pflanzenwachsthum ein. Die atmoſphäriſche Luft beſteht aus einem nahezu conſtanten Gemenge von 23 Gewichtsprocenten oder 20.9 Volumsprocenten Sauerſtoff und 77 Gewichtspro- centen oder 79.1 Volumsprocenten Stickſtoff. Außerdem enthält die Luft 0.036—0.05 (im Durchſchnitte 0.049) Volumprocente Kohlenſäure. Am geringſten iſt der Gehalt der Luft an Ammoniak (in 1 Million Gewichtstheile ſind enthalten 0.169—3.680 Theile Ammoniak) und Salpeterſäure; am ſchwankendſten der Gehalt an Waſſer. Die Luft im Boden und jene, welche mit den Niederſchlägen dem Boden zu- geführt wird, iſt nach Peligot und Bouſſingault ſauerſtoffreicher, indem auf 32 Theile Sauerſtoff 68 Theile Stickſtoff kommen. Desgleichen iſt die Bodenluft durch die Fähigkeit des lockeren, mürben Bodens Gaſe zu abſorbiren und durch die Verweſungs- produkte der organiſchen Subſtanzen kohlenſäure und ammoniakreicher. Nach Bouſſingault enthält die Luft in friſchgedüngtem Boden 2.2, in ſehr humusreichem 1) Für eingehendere Studien iſt zu empfehlen: Dr. J. R. Lorenz u. Dr. C. Rothe. Lehrbuch der Klimatologie mit beſonderer Rückſicht auf Land- u. Forſtwirthſchaft. Wien 1874.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/76>, abgerufen am 18.12.2024.