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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Allgemeine Ackerbaulehre.

Das Ergrünen der Chlorophyllkörner beginnt bei Mais, Raps und Phaseole
bestimmt oberhalb 6° C. Die Bestockung der Getreidepflanzen erreicht bei 8.8° C.
ihre Grenze. Bei einer Mehrzahl perenirender Pflanzen beginnt die Entwickelung
im Frühjahre erst dann, wenn die Bodentemperatur 5--6° C. erreicht hat. Die
Wurzelthätigkeit der Pflanze, mithin auch die Wasseraufnahme derselben, wächst mit
der steigenden Bodenwärme. Vermindert sich die Bodenwärme, so werden die Funk-
tionen der Wurzeln geringer und schon bei einer Temperatur von + 5° C. genügt bei
gewissen Pflanzen, wie z. B. bei Tabak, Kürbis, die Aufsaugung des Wassers nicht
mehr um den Transpirationsverlust der Blätter zu decken, so daß sie welken müssen.
Erhöhte Bodenwärme beschleunigt auch die Saftbewegung innerhalb der Pflanze.

Für den Erfolg mit welchem eine Culturpflanze angebaut werden kann, ist
nicht nur die mittlere Höhe der Jahrestemperatur der Luft und des Bodens, son-
dern auch die mögliche Temperaturschwankung, das Maximum und Minimum der
Temperatur und die mittlere Höhe der Sommertemperatur entscheidend. Die wich-
tigsten Culturpflanzen machen in dieser Beziehung die folgenden Ansprüche:

[Tabelle]

Um diese verschiedenen Wärmeansprüche der Culturpflanzen annähernd vergleich-
bar zu machen sucht man die Mitteltemperaturen und die Anzahl der Vegetations-
tage in einen Ausdruck den sog. Wärmesummen oder thermischen Vegetations Con-
stanten zusammenzufassen. Die Wärmesumme giebt jedoch nur über einen, wenn
auch sehr einflußreichen Faktor des Pflanzenwachsthums Aufschluß.

Ein warmes Klima begünstigt im Allgemeinen die Pflanzenvegetation, wenn es
gleichzeitig feucht ist, hindert jedoch dieselbe je trockener es sich gestaltet. Ein kaltes Klima
verzögert die Entwickelung der Pflanzen, verkürzt daher die Vegetationszeit, wie sich
unter andern auch bei der Abnahme der Temperatur bei zunehmender Seehöhe ergiebt.

Nach Berghaus verspätet sich in Sachsen bei einer Erhebung um 332 Meter bei

Weizen die Blüthe um 22 Tage, die Ernte um 22 Tage
Roggen " " " 13 " " " " 22 "
Gerste " " " 22 " " " " 22 "
Hafer " " " 20 " " " " 14 "
Kartoffel " " " 23 " " " " 5 "

Ein kaltes Klima erhöht die Ungunst des eine hohe Wasserfassende Kraft be-
sitzenden Thon- und Humusboden. Die nachtheiligen Eigenschaften eines Sandbodens
treten dagegen in einem warmen und zugleich trockenen Klima am deutlichsten her-
vor. Ungünstige klimatische Zustände sind für die Vegetation und die Ausführung
des landwirthschaftlichen Betriebes um so nachtheiliger als sie sich entweder gar nicht

Allgemeine Ackerbaulehre.

Das Ergrünen der Chlorophyllkörner beginnt bei Mais, Raps und Phaſeole
beſtimmt oberhalb 6° C. Die Beſtockung der Getreidepflanzen erreicht bei 8.8° C.
ihre Grenze. Bei einer Mehrzahl perenirender Pflanzen beginnt die Entwickelung
im Frühjahre erſt dann, wenn die Bodentemperatur 5—6° C. erreicht hat. Die
Wurzelthätigkeit der Pflanze, mithin auch die Waſſeraufnahme derſelben, wächſt mit
der ſteigenden Bodenwärme. Vermindert ſich die Bodenwärme, ſo werden die Funk-
tionen der Wurzeln geringer und ſchon bei einer Temperatur von + 5° C. genügt bei
gewiſſen Pflanzen, wie z. B. bei Tabak, Kürbis, die Aufſaugung des Waſſers nicht
mehr um den Transpirationsverluſt der Blätter zu decken, ſo daß ſie welken müſſen.
Erhöhte Bodenwärme beſchleunigt auch die Saftbewegung innerhalb der Pflanze.

Für den Erfolg mit welchem eine Culturpflanze angebaut werden kann, iſt
nicht nur die mittlere Höhe der Jahrestemperatur der Luft und des Bodens, ſon-
dern auch die mögliche Temperaturſchwankung, das Maximum und Minimum der
Temperatur und die mittlere Höhe der Sommertemperatur entſcheidend. Die wich-
tigſten Culturpflanzen machen in dieſer Beziehung die folgenden Anſprüche:

[Tabelle]

Um dieſe verſchiedenen Wärmeanſprüche der Culturpflanzen annähernd vergleich-
bar zu machen ſucht man die Mitteltemperaturen und die Anzahl der Vegetations-
tage in einen Ausdruck den ſog. Wärmeſummen oder thermiſchen Vegetations Con-
ſtanten zuſammenzufaſſen. Die Wärmeſumme giebt jedoch nur über einen, wenn
auch ſehr einflußreichen Faktor des Pflanzenwachsthums Aufſchluß.

Ein warmes Klima begünſtigt im Allgemeinen die Pflanzenvegetation, wenn es
gleichzeitig feucht iſt, hindert jedoch dieſelbe je trockener es ſich geſtaltet. Ein kaltes Klima
verzögert die Entwickelung der Pflanzen, verkürzt daher die Vegetationszeit, wie ſich
unter andern auch bei der Abnahme der Temperatur bei zunehmender Seehöhe ergiebt.

Nach Berghaus verſpätet ſich in Sachſen bei einer Erhebung um 332 Meter bei

Weizen die Blüthe um 22 Tage, die Ernte um 22 Tage
Roggen „ „ „ 13 „ „ „ „ 22 „
Gerſte „ „ „ 22 „ „ „ „ 22 „
Hafer „ „ „ 20 „ „ „ „ 14 „
Kartoffel „ „ „ 23 „ „ „ „ 5 „

Ein kaltes Klima erhöht die Ungunſt des eine hohe Waſſerfaſſende Kraft be-
ſitzenden Thon- und Humusboden. Die nachtheiligen Eigenſchaften eines Sandbodens
treten dagegen in einem warmen und zugleich trockenen Klima am deutlichſten her-
vor. Ungünſtige klimatiſche Zuſtände ſind für die Vegetation und die Ausführung
des landwirthſchaftlichen Betriebes um ſo nachtheiliger als ſie ſich entweder gar nicht

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[64/0082] Allgemeine Ackerbaulehre. Das Ergrünen der Chlorophyllkörner beginnt bei Mais, Raps und Phaſeole beſtimmt oberhalb 6° C. Die Beſtockung der Getreidepflanzen erreicht bei 8.8° C. ihre Grenze. Bei einer Mehrzahl perenirender Pflanzen beginnt die Entwickelung im Frühjahre erſt dann, wenn die Bodentemperatur 5—6° C. erreicht hat. Die Wurzelthätigkeit der Pflanze, mithin auch die Waſſeraufnahme derſelben, wächſt mit der ſteigenden Bodenwärme. Vermindert ſich die Bodenwärme, ſo werden die Funk- tionen der Wurzeln geringer und ſchon bei einer Temperatur von + 5° C. genügt bei gewiſſen Pflanzen, wie z. B. bei Tabak, Kürbis, die Aufſaugung des Waſſers nicht mehr um den Transpirationsverluſt der Blätter zu decken, ſo daß ſie welken müſſen. Erhöhte Bodenwärme beſchleunigt auch die Saftbewegung innerhalb der Pflanze. Für den Erfolg mit welchem eine Culturpflanze angebaut werden kann, iſt nicht nur die mittlere Höhe der Jahrestemperatur der Luft und des Bodens, ſon- dern auch die mögliche Temperaturſchwankung, das Maximum und Minimum der Temperatur und die mittlere Höhe der Sommertemperatur entſcheidend. Die wich- tigſten Culturpflanzen machen in dieſer Beziehung die folgenden Anſprüche: Um dieſe verſchiedenen Wärmeanſprüche der Culturpflanzen annähernd vergleich- bar zu machen ſucht man die Mitteltemperaturen und die Anzahl der Vegetations- tage in einen Ausdruck den ſog. Wärmeſummen oder thermiſchen Vegetations Con- ſtanten zuſammenzufaſſen. Die Wärmeſumme giebt jedoch nur über einen, wenn auch ſehr einflußreichen Faktor des Pflanzenwachsthums Aufſchluß. Ein warmes Klima begünſtigt im Allgemeinen die Pflanzenvegetation, wenn es gleichzeitig feucht iſt, hindert jedoch dieſelbe je trockener es ſich geſtaltet. Ein kaltes Klima verzögert die Entwickelung der Pflanzen, verkürzt daher die Vegetationszeit, wie ſich unter andern auch bei der Abnahme der Temperatur bei zunehmender Seehöhe ergiebt. Nach Berghaus verſpätet ſich in Sachſen bei einer Erhebung um 332 Meter bei Weizen die Blüthe um 22 Tage, die Ernte um 22 Tage Roggen „ „ „ 13 „ „ „ „ 22 „ Gerſte „ „ „ 22 „ „ „ „ 22 „ Hafer „ „ „ 20 „ „ „ „ 14 „ Kartoffel „ „ „ 23 „ „ „ „ 5 „ Ein kaltes Klima erhöht die Ungunſt des eine hohe Waſſerfaſſende Kraft be- ſitzenden Thon- und Humusboden. Die nachtheiligen Eigenſchaften eines Sandbodens treten dagegen in einem warmen und zugleich trockenen Klima am deutlichſten her- vor. Ungünſtige klimatiſche Zuſtände ſind für die Vegetation und die Ausführung des landwirthſchaftlichen Betriebes um ſo nachtheiliger als ſie ſich entweder gar nicht

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/82>, abgerufen am 21.11.2024.