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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Die Rindviehzucht.
die Mitte der Tragzeit an der Zunahme des Bauches. Nach 41/2 Monaten können
die Bewegungen des Kalbes durch Auflegen der Hand an die rechte Bauchseite bereits
gefühlt werden. Die Milch nimmt stetig ab. Bei schlechten Milcherinnen hört die
Milchabsonderung schon 3--5 Monate vor dem Kalben vollständig auf. Gute
Milchkühe milchen bis zum Kalben, man muß sie jedoch 6--8 Wochen vor der
Geburt trocken stellen, um die Ausbildung des Kalbes zu befördern.

Während des fünften bis siebenten Monates der Trächtigkeit sind die Kühe be-
sonders schonend zu behandeln, um ein Verkalben zu verhüten. Diätfehler, blähendes, ver-
schimmeltes Futter, sehr starke Salzgaben, Tränken mit durch Seifenschaum verunreinig-
tem Wasser, Erkältungen, rohe Behandlung sind möglichst zu vermeiden. Nach rück-
wärts geneigte Viehstände begünstigen den Scheidenvorfall und selbst das Hervortreten
der Gebärmutter. Da in Folge dieser krankhaften Zustände häufig Verkalben eintritt,
so sind derartige Viehstände durch reichliche Streu zu erhöhen. Durch das Verkalben
geht nicht nur das Kalb verloren, sondern auch das Leben der Kuh ist gefährdet
und der Milchertrag geschmälert. Kühe, die schon einmal verkalbten, sind immer wieder
dazu geneigt und deshalb abzuschaffen. Zuweilen haben auch die Stiere insofern
einen Einfluß auf das Verkalben der Kühe, als sie nur solche Kinder erzeugen, welche
vor der Reife im Mutterleibe absterben und dann zu früh geboren werden müssen.

Zuweilen tritt das Verkalben in Folge von Ansteckung auch epidemisch auf. Die
Untersuchungen von Franck, Zundel, Johne und Brauer haben nachgewiesen, daß sich in dem
Vaginalschleime, dem Fruchtwasser und den Nachgeburtsresten der Thiere, welche verworfen
hatten, Bacterien und Bacterienreihen finden, und daß durch Uebertragung des Vaginal-
schleimes der Kühe, welche abortirt haben, in die Geschlechtsorgane gesunder, hochträchtiger
Kühe stets das Verkalben binnen 9--15 Tagen hervorgerufen werden kann.

Um der weiteren Ausbreitung des Verkalbens in einer Wirthschaft Einhalt zu thun,
müssen Kühe, die verkalben wollen oder verkalbt haben, augenblicklich aus der Gesellschaft
tragender Kühe entfernt werden. Die ausgeschiedene Frucht, die Fruchtwässer und Nach-
geburtsreste müssen rasch gründlich beseitigt und eine sorgfältige Carbolsäure-Desinfection
jener Theile vom Stallboden, wo diese Wasser gelegen hatten, vorgenommen werden.

Außerdem empfiehlt Dr. Julius Kühn dort, wo das Verkalben epidemisch auftritt,
ein Gramm Salicylsäure in zwei Liter reinem, weichen Wasser aufzulösen und mit dieser
Lösung mittelst eines weichen Schwammes die Scheide-Oeffnung und Umgebung der Scheide
aller tragenden Kühe wöchentlich zweimal vorsichtig zu benetzen.

Zu demselben Zwecke empfiehlt Dr. Zürn eine 1/2--1procentige Carbolsäurelösung.

Tritt das Verkalben vor 230 Tagen nach dem Zulassen ein, so kommt die
Frucht todt zur Welt (Fehlgeburt, Todtgeburt), tritt es nach 260 Tagen der Träch-
tigkeit ein (Frühgeburt), so kann das Kalb bei großer Aufmerksamkeit aufgezogen
werden, es ist aber zur Zucht nicht zu verwenden. Die durchschnittliche Trächtigkeits-
dauer beträgt 285 Tage und erreicht im Maximum 320 Tage.

Der Eintritt der Geburt wird durch tieferes Senken des Bauches, allmähliges
Anschwellen des Euters, Auslaufen von Milch, Erweiterung der Geschlechtstheile an-
gekündigt. Kurz vor der Geburt (siehe auch S. 43) zeigt die nun zu beaufsichtigende
Kuh große Unruhe und verschmäht das Futter. Es tritt ein Drängen nach rückwärts

Die Rindviehzucht.
die Mitte der Tragzeit an der Zunahme des Bauches. Nach 4½ Monaten können
die Bewegungen des Kalbes durch Auflegen der Hand an die rechte Bauchſeite bereits
gefühlt werden. Die Milch nimmt ſtetig ab. Bei ſchlechten Milcherinnen hört die
Milchabſonderung ſchon 3—5 Monate vor dem Kalben vollſtändig auf. Gute
Milchkühe milchen bis zum Kalben, man muß ſie jedoch 6—8 Wochen vor der
Geburt trocken ſtellen, um die Ausbildung des Kalbes zu befördern.

Während des fünften bis ſiebenten Monates der Trächtigkeit ſind die Kühe be-
ſonders ſchonend zu behandeln, um ein Verkalben zu verhüten. Diätfehler, blähendes, ver-
ſchimmeltes Futter, ſehr ſtarke Salzgaben, Tränken mit durch Seifenſchaum verunreinig-
tem Waſſer, Erkältungen, rohe Behandlung ſind möglichſt zu vermeiden. Nach rück-
wärts geneigte Viehſtände begünſtigen den Scheidenvorfall und ſelbſt das Hervortreten
der Gebärmutter. Da in Folge dieſer krankhaften Zuſtände häufig Verkalben eintritt,
ſo ſind derartige Viehſtände durch reichliche Streu zu erhöhen. Durch das Verkalben
geht nicht nur das Kalb verloren, ſondern auch das Leben der Kuh iſt gefährdet
und der Milchertrag geſchmälert. Kühe, die ſchon einmal verkalbten, ſind immer wieder
dazu geneigt und deshalb abzuſchaffen. Zuweilen haben auch die Stiere inſofern
einen Einfluß auf das Verkalben der Kühe, als ſie nur ſolche Kinder erzeugen, welche
vor der Reife im Mutterleibe abſterben und dann zu früh geboren werden müſſen.

Zuweilen tritt das Verkalben in Folge von Anſteckung auch epidemiſch auf. Die
Unterſuchungen von Franck, Zundel, Johne und Brauer haben nachgewieſen, daß ſich in dem
Vaginalſchleime, dem Fruchtwaſſer und den Nachgeburtsreſten der Thiere, welche verworfen
hatten, Bacterien und Bacterienreihen finden, und daß durch Uebertragung des Vaginal-
ſchleimes der Kühe, welche abortirt haben, in die Geſchlechtsorgane geſunder, hochträchtiger
Kühe ſtets das Verkalben binnen 9—15 Tagen hervorgerufen werden kann.

Um der weiteren Ausbreitung des Verkalbens in einer Wirthſchaft Einhalt zu thun,
müſſen Kühe, die verkalben wollen oder verkalbt haben, augenblicklich aus der Geſellſchaft
tragender Kühe entfernt werden. Die ausgeſchiedene Frucht, die Fruchtwäſſer und Nach-
geburtsreſte müſſen raſch gründlich beſeitigt und eine ſorgfältige Carbolſäure-Desinfection
jener Theile vom Stallboden, wo dieſe Waſſer gelegen hatten, vorgenommen werden.

Außerdem empfiehlt Dr. Julius Kühn dort, wo das Verkalben epidemiſch auftritt,
ein Gramm Salicylſäure in zwei Liter reinem, weichen Waſſer aufzulöſen und mit dieſer
Löſung mittelſt eines weichen Schwammes die Scheide-Oeffnung und Umgebung der Scheide
aller tragenden Kühe wöchentlich zweimal vorſichtig zu benetzen.

Zu demſelben Zwecke empfiehlt Dr. Zürn eine ½—1procentige Carbolſäurelöſung.

Tritt das Verkalben vor 230 Tagen nach dem Zulaſſen ein, ſo kommt die
Frucht todt zur Welt (Fehlgeburt, Todtgeburt), tritt es nach 260 Tagen der Träch-
tigkeit ein (Frühgeburt), ſo kann das Kalb bei großer Aufmerkſamkeit aufgezogen
werden, es iſt aber zur Zucht nicht zu verwenden. Die durchſchnittliche Trächtigkeits-
dauer beträgt 285 Tage und erreicht im Maximum 320 Tage.

Der Eintritt der Geburt wird durch tieferes Senken des Bauches, allmähliges
Anſchwellen des Euters, Auslaufen von Milch, Erweiterung der Geſchlechtstheile an-
gekündigt. Kurz vor der Geburt (ſiehe auch S. 43) zeigt die nun zu beaufſichtigende
Kuh große Unruhe und verſchmäht das Futter. Es tritt ein Drängen nach rückwärts

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[117/0133] Die Rindviehzucht. die Mitte der Tragzeit an der Zunahme des Bauches. Nach 4½ Monaten können die Bewegungen des Kalbes durch Auflegen der Hand an die rechte Bauchſeite bereits gefühlt werden. Die Milch nimmt ſtetig ab. Bei ſchlechten Milcherinnen hört die Milchabſonderung ſchon 3—5 Monate vor dem Kalben vollſtändig auf. Gute Milchkühe milchen bis zum Kalben, man muß ſie jedoch 6—8 Wochen vor der Geburt trocken ſtellen, um die Ausbildung des Kalbes zu befördern. Während des fünften bis ſiebenten Monates der Trächtigkeit ſind die Kühe be- ſonders ſchonend zu behandeln, um ein Verkalben zu verhüten. Diätfehler, blähendes, ver- ſchimmeltes Futter, ſehr ſtarke Salzgaben, Tränken mit durch Seifenſchaum verunreinig- tem Waſſer, Erkältungen, rohe Behandlung ſind möglichſt zu vermeiden. Nach rück- wärts geneigte Viehſtände begünſtigen den Scheidenvorfall und ſelbſt das Hervortreten der Gebärmutter. Da in Folge dieſer krankhaften Zuſtände häufig Verkalben eintritt, ſo ſind derartige Viehſtände durch reichliche Streu zu erhöhen. Durch das Verkalben geht nicht nur das Kalb verloren, ſondern auch das Leben der Kuh iſt gefährdet und der Milchertrag geſchmälert. Kühe, die ſchon einmal verkalbten, ſind immer wieder dazu geneigt und deshalb abzuſchaffen. Zuweilen haben auch die Stiere inſofern einen Einfluß auf das Verkalben der Kühe, als ſie nur ſolche Kinder erzeugen, welche vor der Reife im Mutterleibe abſterben und dann zu früh geboren werden müſſen. Zuweilen tritt das Verkalben in Folge von Anſteckung auch epidemiſch auf. Die Unterſuchungen von Franck, Zundel, Johne und Brauer haben nachgewieſen, daß ſich in dem Vaginalſchleime, dem Fruchtwaſſer und den Nachgeburtsreſten der Thiere, welche verworfen hatten, Bacterien und Bacterienreihen finden, und daß durch Uebertragung des Vaginal- ſchleimes der Kühe, welche abortirt haben, in die Geſchlechtsorgane geſunder, hochträchtiger Kühe ſtets das Verkalben binnen 9—15 Tagen hervorgerufen werden kann. Um der weiteren Ausbreitung des Verkalbens in einer Wirthſchaft Einhalt zu thun, müſſen Kühe, die verkalben wollen oder verkalbt haben, augenblicklich aus der Geſellſchaft tragender Kühe entfernt werden. Die ausgeſchiedene Frucht, die Fruchtwäſſer und Nach- geburtsreſte müſſen raſch gründlich beſeitigt und eine ſorgfältige Carbolſäure-Desinfection jener Theile vom Stallboden, wo dieſe Waſſer gelegen hatten, vorgenommen werden. Außerdem empfiehlt Dr. Julius Kühn dort, wo das Verkalben epidemiſch auftritt, ein Gramm Salicylſäure in zwei Liter reinem, weichen Waſſer aufzulöſen und mit dieſer Löſung mittelſt eines weichen Schwammes die Scheide-Oeffnung und Umgebung der Scheide aller tragenden Kühe wöchentlich zweimal vorſichtig zu benetzen. Zu demſelben Zwecke empfiehlt Dr. Zürn eine ½—1procentige Carbolſäurelöſung. Tritt das Verkalben vor 230 Tagen nach dem Zulaſſen ein, ſo kommt die Frucht todt zur Welt (Fehlgeburt, Todtgeburt), tritt es nach 260 Tagen der Träch- tigkeit ein (Frühgeburt), ſo kann das Kalb bei großer Aufmerkſamkeit aufgezogen werden, es iſt aber zur Zucht nicht zu verwenden. Die durchſchnittliche Trächtigkeits- dauer beträgt 285 Tage und erreicht im Maximum 320 Tage. Der Eintritt der Geburt wird durch tieferes Senken des Bauches, allmähliges Anſchwellen des Euters, Auslaufen von Milch, Erweiterung der Geſchlechtstheile an- gekündigt. Kurz vor der Geburt (ſiehe auch S. 43) zeigt die nun zu beaufſichtigende Kuh große Unruhe und verſchmäht das Futter. Es tritt ein Drängen nach rückwärts

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/133>, abgerufen am 26.11.2024.