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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Die Schafzucht.
1. Die Wollnutzung.

Bei der Wollnutzung ist die Gewinnung der Wolle durch die Wollwäsche und
die Schafschur, und der Wollertrag zu beachten.

1. Die Wollwäsche.

Am gewöhnlichsten wird die Wolle durch das Scheeren gewonnen, nachdem sie vor-
her durch die sogenannte Pelz- oder Rückenwäsche am Körper des Schafes gereinigt wurde.

Mehrfach hat man es auch versucht, die Thiere im Schweiße oder Schmutze zu scheeren.
Es wird dann, wie in Frankreich, die ungewaschene Wolle an den Fabrikanten verkaust, oder
die Wolle, wie in Spanien, Rußland, nachträglich durch die Bließwäsche gereinigt und
in gewaschenem Zustande verkauft. In Oesterreich und Deutschland sind zum Zwecke des
Waschens im Schweiße geschorener Wollen eigene Waschanstalten gegründet worden, ohne daß
jedoch diese Art der Wollgewinnung bisher allgemeinere Verbreitung gefunden hätte. Ein
Hauptübelstand ist dabei die Schwierigkeit des Sortirens der im Schmutze geschorenen
Wollen; um diesem Uebelstande abzuhelfen wurde von Hetsey in Pest und Possart in Berlin
empfohlen, jedes einzelne Vließ für sich zu waschen. Dieses Verfahren hat sich jedoch in
der Praxis nicht erprobt.

Bei einigen Haideschafen wird die Wolle durch Ausraufen und Auskämmen gewonnen.

Die Wäsche und Schur wird im Verlaufe eines Jahres entweder einmal oder
zweimal je nach der Höhe des Wollwuchses und der Verwendung der Wolle aus-
geführt (Ein- und Zweischur-Wolle). Bei zweimaligem Scheeren erhält man nach
zahlreichen Beobachtungen etwas mehr Wolle als bei einmaliger Schur, da das
Wachsthum der Wolle unmittelbar nach der Schur am stärksten ist.

Nach bezüglichen Messungen von Dr. F. Stohmann 1) war das tägliche Längenwachs-
thum der Wolle während der ersten 151 Tage nach der Schur doppelt so groß als wäh-
rend der darauf folgenden 112 Tage. Weiteres wies Stohmann nach, daß die kurz nach
der Schur gewachsene Wolle mehr reine Wollsubstanz besitzt, während in den späteren Sta-
dien mehr Schmutz und Schweiß angesetzt wird. Dreizehn Monate alte Schafe gaben im
Schmutze geschoren 41.5, 3.23 und 35.9 % reine Wollsubstanz. Nach 33 Tagen wieder im
Schmutze geschoren gaben dieselben Thiere 68.1, 52.3 und 59.6 % reiner Wollsubstanz.

Bei kurzwolligen Merinoschafen findet nur eine einmalige Schur statt, gewöhn-
lich Ende Mai bis Mitte April. Bei langwolligen Merinoschafen würde der Jahres-
wuchs der Wolle wegen seiner Höhe für die Tuchfabrication ungeeignet sein. Diese
werden daher wie andere langwollige Schafe zweimal geschoren. Die erste Schur
der Winterwolle, welche etwa 3/5 vom jährlichen Wollertrage liefert, findet Ende
April bis Anfang Mai statt. Die zweite Schur der Sommerwolle wird im Sep-
tember vorgenommen.

Die Wolle ist vor der Schur durch die Wäsche zu reinigen. An eine gute
Wäsche stellt man die Anforderung, daß nach derselben die Wolle blank und weiß er-
scheine, nicht zu viel oder zu wenig Fettschweiß enthalte und nach wie vor gleich elastisch,
geschmeidig und klar sei. Die Menge des Fettes und der Verunreinigungen, welche
aus Staub, Dünger, Futterresten, Hautschuppen etc. bestehen, ist je nach dem Charak-

1) Dr. F. Stohmann, Biologische Studien, Braunschweig 1873.
Die Schafzucht.
1. Die Wollnutzung.

Bei der Wollnutzung iſt die Gewinnung der Wolle durch die Wollwäſche und
die Schafſchur, und der Wollertrag zu beachten.

1. Die Wollwäſche.

Am gewöhnlichſten wird die Wolle durch das Scheeren gewonnen, nachdem ſie vor-
her durch die ſogenannte Pelz- oder Rückenwäſche am Körper des Schafes gereinigt wurde.

Mehrfach hat man es auch verſucht, die Thiere im Schweiße oder Schmutze zu ſcheeren.
Es wird dann, wie in Frankreich, die ungewaſchene Wolle an den Fabrikanten verkauſt, oder
die Wolle, wie in Spanien, Rußland, nachträglich durch die Bließwäſche gereinigt und
in gewaſchenem Zuſtande verkauft. In Oeſterreich und Deutſchland ſind zum Zwecke des
Waſchens im Schweiße geſchorener Wollen eigene Waſchanſtalten gegründet worden, ohne daß
jedoch dieſe Art der Wollgewinnung bisher allgemeinere Verbreitung gefunden hätte. Ein
Hauptübelſtand iſt dabei die Schwierigkeit des Sortirens der im Schmutze geſchorenen
Wollen; um dieſem Uebelſtande abzuhelfen wurde von Hétſey in Peſt und Poſſart in Berlin
empfohlen, jedes einzelne Vließ für ſich zu waſchen. Dieſes Verfahren hat ſich jedoch in
der Praxis nicht erprobt.

Bei einigen Haideſchafen wird die Wolle durch Ausraufen und Auskämmen gewonnen.

Die Wäſche und Schur wird im Verlaufe eines Jahres entweder einmal oder
zweimal je nach der Höhe des Wollwuchſes und der Verwendung der Wolle aus-
geführt (Ein- und Zweiſchur-Wolle). Bei zweimaligem Scheeren erhält man nach
zahlreichen Beobachtungen etwas mehr Wolle als bei einmaliger Schur, da das
Wachsthum der Wolle unmittelbar nach der Schur am ſtärkſten iſt.

Nach bezüglichen Meſſungen von Dr. F. Stohmann 1) war das tägliche Längenwachs-
thum der Wolle während der erſten 151 Tage nach der Schur doppelt ſo groß als wäh-
rend der darauf folgenden 112 Tage. Weiteres wies Stohmann nach, daß die kurz nach
der Schur gewachſene Wolle mehr reine Wollſubſtanz beſitzt, während in den ſpäteren Sta-
dien mehr Schmutz und Schweiß angeſetzt wird. Dreizehn Monate alte Schafe gaben im
Schmutze geſchoren 41.5, 3.23 und 35.9 % reine Wollſubſtanz. Nach 33 Tagen wieder im
Schmutze geſchoren gaben dieſelben Thiere 68.1, 52.3 und 59.6 % reiner Wollſubſtanz.

Bei kurzwolligen Merinoſchafen findet nur eine einmalige Schur ſtatt, gewöhn-
lich Ende Mai bis Mitte April. Bei langwolligen Merinoſchafen würde der Jahres-
wuchs der Wolle wegen ſeiner Höhe für die Tuchfabrication ungeeignet ſein. Dieſe
werden daher wie andere langwollige Schafe zweimal geſchoren. Die erſte Schur
der Winterwolle, welche etwa ⅗ vom jährlichen Wollertrage liefert, findet Ende
April bis Anfang Mai ſtatt. Die zweite Schur der Sommerwolle wird im Sep-
tember vorgenommen.

Die Wolle iſt vor der Schur durch die Wäſche zu reinigen. An eine gute
Wäſche ſtellt man die Anforderung, daß nach derſelben die Wolle blank und weiß er-
ſcheine, nicht zu viel oder zu wenig Fettſchweiß enthalte und nach wie vor gleich elaſtiſch,
geſchmeidig und klar ſei. Die Menge des Fettes und der Verunreinigungen, welche
aus Staub, Dünger, Futterreſten, Hautſchuppen ꝛc. beſtehen, iſt je nach dem Charak-

1) Dr. F. Stohmann, Biologiſche Studien, Braunſchweig 1873.
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[213/0229] Die Schafzucht. 1. Die Wollnutzung. Bei der Wollnutzung iſt die Gewinnung der Wolle durch die Wollwäſche und die Schafſchur, und der Wollertrag zu beachten. 1. Die Wollwäſche. Am gewöhnlichſten wird die Wolle durch das Scheeren gewonnen, nachdem ſie vor- her durch die ſogenannte Pelz- oder Rückenwäſche am Körper des Schafes gereinigt wurde. Mehrfach hat man es auch verſucht, die Thiere im Schweiße oder Schmutze zu ſcheeren. Es wird dann, wie in Frankreich, die ungewaſchene Wolle an den Fabrikanten verkauſt, oder die Wolle, wie in Spanien, Rußland, nachträglich durch die Bließwäſche gereinigt und in gewaſchenem Zuſtande verkauft. In Oeſterreich und Deutſchland ſind zum Zwecke des Waſchens im Schweiße geſchorener Wollen eigene Waſchanſtalten gegründet worden, ohne daß jedoch dieſe Art der Wollgewinnung bisher allgemeinere Verbreitung gefunden hätte. Ein Hauptübelſtand iſt dabei die Schwierigkeit des Sortirens der im Schmutze geſchorenen Wollen; um dieſem Uebelſtande abzuhelfen wurde von Hétſey in Peſt und Poſſart in Berlin empfohlen, jedes einzelne Vließ für ſich zu waſchen. Dieſes Verfahren hat ſich jedoch in der Praxis nicht erprobt. Bei einigen Haideſchafen wird die Wolle durch Ausraufen und Auskämmen gewonnen. Die Wäſche und Schur wird im Verlaufe eines Jahres entweder einmal oder zweimal je nach der Höhe des Wollwuchſes und der Verwendung der Wolle aus- geführt (Ein- und Zweiſchur-Wolle). Bei zweimaligem Scheeren erhält man nach zahlreichen Beobachtungen etwas mehr Wolle als bei einmaliger Schur, da das Wachsthum der Wolle unmittelbar nach der Schur am ſtärkſten iſt. Nach bezüglichen Meſſungen von Dr. F. Stohmann 1) war das tägliche Längenwachs- thum der Wolle während der erſten 151 Tage nach der Schur doppelt ſo groß als wäh- rend der darauf folgenden 112 Tage. Weiteres wies Stohmann nach, daß die kurz nach der Schur gewachſene Wolle mehr reine Wollſubſtanz beſitzt, während in den ſpäteren Sta- dien mehr Schmutz und Schweiß angeſetzt wird. Dreizehn Monate alte Schafe gaben im Schmutze geſchoren 41.5, 3.23 und 35.9 % reine Wollſubſtanz. Nach 33 Tagen wieder im Schmutze geſchoren gaben dieſelben Thiere 68.1, 52.3 und 59.6 % reiner Wollſubſtanz. Bei kurzwolligen Merinoſchafen findet nur eine einmalige Schur ſtatt, gewöhn- lich Ende Mai bis Mitte April. Bei langwolligen Merinoſchafen würde der Jahres- wuchs der Wolle wegen ſeiner Höhe für die Tuchfabrication ungeeignet ſein. Dieſe werden daher wie andere langwollige Schafe zweimal geſchoren. Die erſte Schur der Winterwolle, welche etwa ⅗ vom jährlichen Wollertrage liefert, findet Ende April bis Anfang Mai ſtatt. Die zweite Schur der Sommerwolle wird im Sep- tember vorgenommen. Die Wolle iſt vor der Schur durch die Wäſche zu reinigen. An eine gute Wäſche ſtellt man die Anforderung, daß nach derſelben die Wolle blank und weiß er- ſcheine, nicht zu viel oder zu wenig Fettſchweiß enthalte und nach wie vor gleich elaſtiſch, geſchmeidig und klar ſei. Die Menge des Fettes und der Verunreinigungen, welche aus Staub, Dünger, Futterreſten, Hautſchuppen ꝛc. beſtehen, iſt je nach dem Charak- 1) Dr. F. Stohmann, Biologiſche Studien, Braunſchweig 1873.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/229>, abgerufen am 21.11.2024.