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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Besondere Thierzuchtlehre.

Das indische Schwein unterscheidet sich nach den Untersuchungen von
H. v. Nathusius 1) von dem europäischen Wildschweine durch den kürzeren und breiteren
Kopf, Fig. 184, durch mehr höhere als lange Thränenbeine, und durch die nicht,
wie bei dem Wildschweine parallel, sondern nach vorne, divergirend stehende Backen-
zahnreihe. Die eine Form desselben, das chinesische Schwein, wird in China als
Hausthier gehalten. Dasselbe besitzt kurze Beine, weshalb sein Leib niedrig gestellt
ist und tief bis zur Erde herabhängt. Der Rücken ist breit. Der breite, mit kleinen,
zugespitzten Ohren versehene Kopf läuft in einen kurzen Rüssel aus. Die Haut ist
oft faltig und mit weichen Borsten dünn besetzt. Es zeichnet sich durch frühe Reife
und durch ungemein leichten Fettansatz aus. Es erreicht ein Schlächtergewicht von
selten mehr als 100 Kilogramm. Das Fleisch ist feinfaserig und sehr fett, der
Speck von weicher Beschaffenheit. Die andere Form, das japanesische Schwein,
unterscheidet sich von dem chinesischen Schweine hauptsächlich durch dicke Gesichtsfalten
und lange, hängende Ohren.

Das in Europa gehaltene Hausschwein stammt nicht ausschließlich vom Sus
europaeus
ab, sondern ist vielfach durch Vermischung mit dem chinesischen Schweine
und durch den Einfluß der verschiedensten Klimate und der Züchtung in seinen inneren
und äußeren Eigenschaften abgeändert worden. Die auffälligsten Unterschiede zeigen
sich in dem Exterieur und daher auch in dem mit demselben in engster Beziehung
stehenden Knochengerüste.

Nach Messungen am Skelette ergeben sich nach Dr. O. Rohde (Die Schweinezucht,
2. Aufl., Berlin 1874, S. 113) folgende auffällige Unterschiede:

[Tabelle]

Je nachdem entweder die Einflüsse der Natur oder jene der Züchtung in den Formen
des Hausschweines zum Ausdrucke gelangen, unterscheidet man zwischen den natürlichen
Racen (unveredelte Racen, Landracen) und den künstlichen Racen (Culturracen) des
Schweines. Erstere sind vorzugsweise repräsentirt durch die Racen des europäischen
Continentes, letztere durch die englischen Racen, bei deren Bildung das indische Schwein
betheiligt ist. Weiteres können die Schweineracen je nach ihren Eigenschaften und ihrem
Vorkommen unterschieden werden in: 1. die krausborstigen Racen, 2. die romanischen
Racen, 3. die kurzohrigen Racen, 4. die großohrigen Racen und 5. die englischen Racen.

1) H. v. Nathusius, Vorstudien für Geschichte und Zucht der Hausthiere, zunächst am
Schweineschädel, Berlin 1864.
Beſondere Thierzuchtlehre.

Das indiſche Schwein unterſcheidet ſich nach den Unterſuchungen von
H. v. Nathuſius 1) von dem europäiſchen Wildſchweine durch den kürzeren und breiteren
Kopf, Fig. 184, durch mehr höhere als lange Thränenbeine, und durch die nicht,
wie bei dem Wildſchweine parallel, ſondern nach vorne, divergirend ſtehende Backen-
zahnreihe. Die eine Form deſſelben, das chineſiſche Schwein, wird in China als
Hausthier gehalten. Daſſelbe beſitzt kurze Beine, weshalb ſein Leib niedrig geſtellt
iſt und tief bis zur Erde herabhängt. Der Rücken iſt breit. Der breite, mit kleinen,
zugeſpitzten Ohren verſehene Kopf läuft in einen kurzen Rüſſel aus. Die Haut iſt
oft faltig und mit weichen Borſten dünn beſetzt. Es zeichnet ſich durch frühe Reife
und durch ungemein leichten Fettanſatz aus. Es erreicht ein Schlächtergewicht von
ſelten mehr als 100 Kilogramm. Das Fleiſch iſt feinfaſerig und ſehr fett, der
Speck von weicher Beſchaffenheit. Die andere Form, das japaneſiſche Schwein,
unterſcheidet ſich von dem chineſiſchen Schweine hauptſächlich durch dicke Geſichtsfalten
und lange, hängende Ohren.

Das in Europa gehaltene Hausſchwein ſtammt nicht ausſchließlich vom Sus
europaeus
ab, ſondern iſt vielfach durch Vermiſchung mit dem chineſiſchen Schweine
und durch den Einfluß der verſchiedenſten Klimate und der Züchtung in ſeinen inneren
und äußeren Eigenſchaften abgeändert worden. Die auffälligſten Unterſchiede zeigen
ſich in dem Exterieur und daher auch in dem mit demſelben in engſter Beziehung
ſtehenden Knochengerüſte.

Nach Meſſungen am Skelette ergeben ſich nach Dr. O. Rohde (Die Schweinezucht,
2. Aufl., Berlin 1874, S. 113) folgende auffällige Unterſchiede:

[Tabelle]

Je nachdem entweder die Einflüſſe der Natur oder jene der Züchtung in den Formen
des Hausſchweines zum Ausdrucke gelangen, unterſcheidet man zwiſchen den natürlichen
Racen (unveredelte Racen, Landracen) und den künſtlichen Racen (Culturracen) des
Schweines. Erſtere ſind vorzugsweiſe repräſentirt durch die Racen des europäiſchen
Continentes, letztere durch die engliſchen Racen, bei deren Bildung das indiſche Schwein
betheiligt iſt. Weiteres können die Schweineracen je nach ihren Eigenſchaften und ihrem
Vorkommen unterſchieden werden in: 1. die krausborſtigen Racen, 2. die romaniſchen
Racen, 3. die kurzohrigen Racen, 4. die großohrigen Racen und 5. die engliſchen Racen.

1) H. v. Nathuſius, Vorſtudien für Geſchichte und Zucht der Hausthiere, zunächſt am
Schweineſchädel, Berlin 1864.
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[268/0284] Beſondere Thierzuchtlehre. Das indiſche Schwein unterſcheidet ſich nach den Unterſuchungen von H. v. Nathuſius 1) von dem europäiſchen Wildſchweine durch den kürzeren und breiteren Kopf, Fig. 184, durch mehr höhere als lange Thränenbeine, und durch die nicht, wie bei dem Wildſchweine parallel, ſondern nach vorne, divergirend ſtehende Backen- zahnreihe. Die eine Form deſſelben, das chineſiſche Schwein, wird in China als Hausthier gehalten. Daſſelbe beſitzt kurze Beine, weshalb ſein Leib niedrig geſtellt iſt und tief bis zur Erde herabhängt. Der Rücken iſt breit. Der breite, mit kleinen, zugeſpitzten Ohren verſehene Kopf läuft in einen kurzen Rüſſel aus. Die Haut iſt oft faltig und mit weichen Borſten dünn beſetzt. Es zeichnet ſich durch frühe Reife und durch ungemein leichten Fettanſatz aus. Es erreicht ein Schlächtergewicht von ſelten mehr als 100 Kilogramm. Das Fleiſch iſt feinfaſerig und ſehr fett, der Speck von weicher Beſchaffenheit. Die andere Form, das japaneſiſche Schwein, unterſcheidet ſich von dem chineſiſchen Schweine hauptſächlich durch dicke Geſichtsfalten und lange, hängende Ohren. Das in Europa gehaltene Hausſchwein ſtammt nicht ausſchließlich vom Sus europaeus ab, ſondern iſt vielfach durch Vermiſchung mit dem chineſiſchen Schweine und durch den Einfluß der verſchiedenſten Klimate und der Züchtung in ſeinen inneren und äußeren Eigenſchaften abgeändert worden. Die auffälligſten Unterſchiede zeigen ſich in dem Exterieur und daher auch in dem mit demſelben in engſter Beziehung ſtehenden Knochengerüſte. Nach Meſſungen am Skelette ergeben ſich nach Dr. O. Rohde (Die Schweinezucht, 2. Aufl., Berlin 1874, S. 113) folgende auffällige Unterſchiede: Je nachdem entweder die Einflüſſe der Natur oder jene der Züchtung in den Formen des Hausſchweines zum Ausdrucke gelangen, unterſcheidet man zwiſchen den natürlichen Racen (unveredelte Racen, Landracen) und den künſtlichen Racen (Culturracen) des Schweines. Erſtere ſind vorzugsweiſe repräſentirt durch die Racen des europäiſchen Continentes, letztere durch die engliſchen Racen, bei deren Bildung das indiſche Schwein betheiligt iſt. Weiteres können die Schweineracen je nach ihren Eigenſchaften und ihrem Vorkommen unterſchieden werden in: 1. die krausborſtigen Racen, 2. die romaniſchen Racen, 3. die kurzohrigen Racen, 4. die großohrigen Racen und 5. die engliſchen Racen. 1) H. v. Nathuſius, Vorſtudien für Geſchichte und Zucht der Hausthiere, zunächſt am Schweineſchädel, Berlin 1864.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/284>, abgerufen am 24.11.2024.